Insekten erfrieren nicht – kein schädlingsarmer Sommer durch Kälte
Wenn es im Winter besonders kalt ist, gibt es im Sommer wenig Gelsen, Zecken und Schnecken. Mit dieser Behauptung tröstet sich derzeit so mancher über die Kälte dieser Tage hinweg. Die Sache hat nur einen Haken: Sie entspricht nicht der Wahrheit.
„Diese fälschliche Annahme entspringt der Eigenart von uns Menschen, die Tiere ausschließlich aus unserem Blickwinkel zu betrachten und ihnen dieselben Bedürfnisse zuzuschreiben, wie wir sie haben“, sagt Fritz Gusenleitner, Insektenkundler (Entomologe) im Biologiezentrum in Linz.
Obwohl viele Menschen die derzeitigen Temperaturen als viel zu kalt empfinden, entbehre die Annahme, dass das auch in der Tierwelt so sein müsse, jeder Grundlage. „Für Insekten sind Temperaturen um 20 Grad minus kein Problem“, sagt auch der Entomologe Johann Ambach. Sie seien perfekt an das heimische Klima angepasst und würden selbst lange Frostperioden locker wegstecken. Die Annahme, dass Gelsen, Zecken und Nacktschnecken so zahlreich erfrieren, dass sie uns im Sommer nicht belästigen können, sei also völlig aus der Luft gegriffen.
Die meisten Insekten suchen sich im Winter ein geschütztes Plätzchen wie zum Beispiel Holzspalten, Baumlöcher oder Mauerritzen, wo sie sich zur Ruhe begeben. Marienkäfer bilden Gruppen, um sich eng zusammenzurotten und dadurch vor der Kälte verschont zu bleiben. Viele Ameisenarten verlegen ihre Nester tiefer in die Erde, wenn es kalt wird. Dort bewegen sie sich so wenig wie möglich, bis es wieder wärmer wird. Ameisen und Marienkäfer haben zudem einen Trick entwickelt, damit ihnen die Kälte nichts anhaben kann, wie Ambach erklärt: „Sie haben ein Frostschutzmittel in ihrem Körper, das verhindert, dass sich Kristalle im Blut bilden, die das Gewebe verletzen.“
Viel schlimmer als die Kälte ist es für Insekten, wenn der Winter mild und regnerisch ist. Dann überwuchern Pilze die Tiere samt ihren Eiern, Puppen und Larven und zersetzen sie. „Man könnte auch sagen: Die Insekten verschimmeln“, sagt Gusenleitner.
Aber auch in diesem Fall sei das kein Problem für die einzelnen Insektenarten insgesamt. „Diese Tiere vermehren sich bei guten Bedingungen in der warmen Jahreszeit so zahlreich, dass der Verlust einiger Tiere schlichtweg egal ist“, sagt Gusenleitner.
Borkenkäfer sitzen unter Baumrinden
Borkenkäfer, die vor allem in Fichtenwäldern riesige Schäden anrichten können, verbringen den Winter als fertige Käfer unter der Rinde von Bäumen. Das ist übrigens auch ein beliebtes Quartier für Wespenköniginnen. Sie überleben als einzige ihrer Völker den Winter. Beiden Insektenarten kann Frost nichts anhaben, dafür verschimmeln sie in sehr feuchten, milden Wintern.
Nicht in Baumrinden, sondern tief im Boden verkriechen sich Engerlinge, die Larven der Maikäfer. Dort sind sie vor Frost geschützt.
Zecken überleben in viel kälteren Regionen
„Die Hoffnung, dass Zecken einen kalten Winter nicht überleben, ist vergebens“, sagt der Entomologe Fritz Gusenleitner vom Linzer Biologiezentrum. Minus 20 Grad Celsius seien für diese Tiere absolut kein Problem. „Zecken überleben schließlich auch in Russland, wo es im Winter zum Teil viel, viel kälter ist als bei uns“, so der Experte.
Schaden würde diesen Insekten vielmehr eine Trockenperiode in der warmen Jahreszeit. Denn sie brauchen feuchte Wiesen und Sträucher, um sich vermehren zu können.
Nacktschnecken sind hartnäckig
Nacktschnecken stört die Kälte überhaupt nicht. Sie legen im Herbst zahlreiche Eier in der Erde ab. Dort sind diese ausreichend vor Kälte geschützt. Um die Zahl an Nacktschnecken zu reduzieren, raten Gärtner, die Erde im Herbst aufzugraben, sodass die Eier an die Erdoberfläche gedreht werden. Falls sie dort nicht gleich von Vögeln oder Käfern gefressen werden, erfrieren die Eier, wenn es im Winter kalt ist. „Aber auch das hilft nur bedingt gegen eine Schneckenplage, weil man nie alle erwischt“, sagt Fritz Gusenleitner.
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