Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Hoffnung auf ein politisches Erwachen nach dem Giftanschlag auf Nawalny

12. September 2020, 00:04 Uhr
Hoffnung auf ein politisches Erwachen nach dem Giftanschlag auf Nawalny
Die Russen haben die Wahl, die Opposition darf nicht zu viel erwarten. Bild: APA/AFP

MOSKAU. Am russischen Superwahlsonntag finden mehr als 9000 Wahlen in 83 Regionen statt.

Nach der Vergiftung des Moskauer Oppositionellen in Tomsk gehen seine Anhänger bei den Stadtratswahlen in die Offensive. Trotzdem gelten Siege der Opposition am russischen Superwahlsonntag als wenig wahrscheinlich.

Jetzt kämen viele Leute und fragten, wie sie helfen können, erzählt Fatejew. "Und viele erkundigen sich an unseren Agitationsständen nach Alexejs Gesundheit, Autos hupen." Andrei Fatejew, 32, hat mehrere Jahre als Fluglehrer gearbeitet, versucht sich jetzt als politischer Extremsportler. Er will bei den allrussischen Regionalwahlen am Sonntag in Tomsk einen Sitz in der Stadtduma holen. Alexei Nawalnys Schatten schwebt über der Wahl, jedenfalls in Tomsk.

Der Nawalny-Effekt

Hier wurde der Oppositionspolitiker Mitte August mit Nowitschok vergiftet, vorher drehte er einen Enthüllungsfilm über Parlamentarier der Staatspartei "Einiges Russland". Gemeinsam mit Andrei und Xenia Fadejewa, der Koordinatorin des Tomsker Nawalny-Stabs. Auch sie kandidiert für die Stadtduma. Nawalny wird gehasst für diese Filme, mit denen er Premiers und Generalstaatsanwälte als korrupt anprangerte, meist sehr überzeugend. Aber seine Leute in Tomsk hoffen gerade bei diesen Wahlen auf einen "Nawalny-Effekt". Der Film habe in Tomsk noch mehr Wellen geschlagen als der Giftmordversuch, sagen Andrei und Xenia. "Sehr viele Tomsker haben ihn gesehen", erzählt Xenia. "Und viel mehr Leute wollen wählen gehen."

Im Film präsentiert Nawalny führende Tomsker "Einheitsrussen" und ihren Besitz. So Wladimir Resnikow, Regionalparlamentarier und Parteisekretär von Tomsk. Laut Nawalnys Dokumenten war Resnikow früher Direktor des Staatsbetriebs "Tomski Energokompleks", der die Stadt mit Strom versorgte. Jetzt ist er Besitzer der privaten GmbH "Gorseti", die dasselbe tut. Nawalny zeigt Verträge, laut denen "Gorseti" zehntausende Euro für Überwachungskameras, Brandschutztechnik, Mineralwasser und Miet-Jeeps an Firmen zahlte, die seinem Sohn, seinem Enkel oder der Chefin der "Gorseti"-Betriebskantine gehören. "Das sind keine Interessenkonflikte mehr", schimpft er, "das ist legalisierte Mafia." Klingt überzeugend. "Es war bekannt, dass gestohlen wird", ergänzt Xenia. "Aber die konkreten Schemata kannten wir nicht." Auf YouTube haben über 3,7 Millionen den Nawalny-Film angeklickt, ein Großteil der gut 500.000 Tomsker dürfte ihn gesehen haben. Nawalnys Kandidaten hoffen. "Bei den letzten Wahlen lag die Beteiligung bei gerade 15,5 Prozent, sagt Andrei. "Wenn es mir gelingt, 10 Prozent zusätzliche Wähler zu mobilisieren, habe ich praktisch gewonnen."

Aber auch liberale Beobachter sind skeptisch. "Es mag vereinzelte Schlappen für ,Einiges Russland’ geben, aber keinen großen Einbruch", sagt der Moskauer Politologe Juri Korgonjuk. "Der Fall Nawalny wird fast nur von dem Publikum wahrgenommen, das sich aus dem Internet informiert. Und das ist noch die Minderheit." Sein Kollege Alexander Kynew warnt, dass die auf drei Tage gestreckten Wahlen Manipulationen erleichteren. Auch Wassili Wolnuchin, Chefredakteur des Portals Taiga Info, erwartet keinen Erdrutsch. Nicht einmal in der Tomsker Nachbarstadt Nowosibirsk. "Die Leute stimmen aus Gewohnheit für ,Einiges Russland." (scholl)

Der Supersonntag

Beim sogenannten „Einheitswahltag“ am morgigen Sonntag werden vier vakant gewordene Sitze der Staatsduma neu besetzt, zur Wahl stehen auch 18 Gebietsgouverneure und 13 Regionalparlamente. Zahlreiche Kommunen, darunter 23 Gebietshauptstädte, wählen neue Stadtparlamente oder Bürgermeister. Dabei kämpft die „Staatspartei „Einiges Russland“ seit Jahren gegen ihr schlechtes Image.

Das Meinungsforschungsinstituts WZIOM bezifferte im August ihre Zustimmungsrate auf 30,5 Prozent, im August 2017 waren es 50,3 Prozent.
Zahlreiche kremlnahe Gouverneure kandidieren deshalb inzwischen als unabhängige Kandidaten. Oder die Behörden lassen Oppositionelle erst gar nicht zur Wahl zu. Im ostsibirischen Autonomen Jüdischen Kreis und im annektierten Sewastopol wurden sogar mehrere Kommunalparlamente aufgelöst, um die nötige Anzahl der Unterschriften für zwei Kommunisten zu vereiteln. Trotzdem sind zumindest Niederlagen der kremlnahen Kräfte möglich, etwa bei den Gouverneurswahlen in Archangelsk oder Irkutsk.

mehr aus Außenpolitik

Kroatien: Premier will mit Rechtsaußen-Partei regieren

Besuch in Budapest: Xi und Orban stärken ihr Bündnis

Trump will Milliardenspende von Ölbranche und verspricht Kurswechsel

Biden droht Israel mit Waffenlieferstopp

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

4  Kommentare
4  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
jago (57.723 Kommentare)
am 12.09.2020 11:45

Was sich da auch immer gerade abspielt, treibt den patriotisch-etatistischen Putin in den Krieg gegen die eitlen EU-Regierungen.

Die Journalisten und die Parteifunktionäre liefern den Schmierstoff und den Treibstoff auf beide Seiten dafür.

lädt ...
melden
antworten
boris (1.939 Kommentare)
am 12.09.2020 08:54

Mit dem Giftanschlag auf Nawalny ist Putin in eine Zwickmühle geraten. Hat er den Giftanschlag empfohlen oder ihn im Zuge vorauseilenden Gehorsams der Akteure geduldet, ist er der "Auftragsvergifter", der in memmenhafter Manier alles leugnet, was man hierzulande als "Hosenscheisser" tituliert. Soll er doch als "starker Mann" zu dem stehen, was er tut oder anordnet.
Hat das der Geheimdienst ohne sein Wissen und seine Duldung durchgeführt, hat er persönlich ein noch größeres Problem, denn er ist nicht mehr Herr dieser Truppe, was sogar für ihn persönlich gefährlich werden könnte. Allerdings ist wohl eher vom ersten Szenario auszugehen, denn er war und bleibt ein "gerissener und skrupelloser Geheimdienstoffizier" mit jahrzehntelanger Erfahrung.

lädt ...
melden
antworten
jago (57.723 Kommentare)
am 12.09.2020 11:38

> denn er ist nicht mehr Herr dieser Truppe,

Als ob das so eine einfach gestrickte Hierarchie wäre. Dafür gibt es Verordnungen, die in den Ebenen beflissen oder lässig weitergeleitet werden und wieder ebenso beflissen oder lässig retour gemeldet/berichtet. Mitsamt Duckmäuserei und/oder Brutalität.

Am Ende zahlen die arbeitenden Menschen alles, zu denen ich zwangsläufig auch die von Putin besonders verachteten Unternehmer rechne.

lädt ...
melden
antworten
Elenakaya (2.853 Kommentare)
am 13.09.2020 21:44

Haben Sie sich schon einmal mit der politischen Ordnung, der Gewaltentrennung usw. in Russland auseinander gesetzt?

Ich kann es mir nicht vorstellen, sonst würden Sie nicht behaupten dass Putin wie ein französischer Sonnengott regieren könnte.

lädt ...
melden
antworten
Aktuelle Meldungen