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Das britische Unterhaus entscheidet über den künftigen Brexit-Kurs

Von Jochen Wittmann, London, 29. Jänner 2019, 00:04 Uhr
Das britische Unterhaus entscheidet über den künftigen Brexit-Kurs
Das Unterhaus könnte May das Heft des Handelns aus der Hand nehmen. Bild: REUTERS

In London wird heute über wegweisende Änderungsanträge abgestimmt

Das Brexit-Drama steuert auf einen neuen Höhepunkt zu. Nachdem der Deal von Premierministerin Theresa May vor zwei Wochen mit großer Mehrheit abgelehnt wurde, stimmt das Unterhaus heute darüber ab, wie es weitergehen soll. Die Regierung hält trotz der Niederlage an dem mit Brüssel ausgehandelten Austrittsvertrag und auch am -datum fest. So wie die Dinge stehen, wird Großbritannien in genau zwei Monaten, am 29. März, die EU verlassen. Wenn bis dahin kein Austrittsvertrag ratifiziert ist, droht ein Chaos-Brexit.

Heute haben die Abgeordneten die Gelegenheit, der Exekutive zu sagen, welche Schritte sie unternehmen soll. Der Machtkampf zwischen rebellischen Hinterbänklern und einer schwachen Premierministerin erreicht den Höhepunkt, an dem das Unterhaus May anweisen könnte, eine Fristverlängerung zu beantragen.

Fokus auf Änderungsanträgen

Im Ringen um die Gestaltungshoheit fällt Parlamentssprecher John Bercow eine besondere Rolle zu. Allein er bestimmt, welche Änderungsanträge debattiert werden und über welche abgestimmt wird. Der Sprecher ist niemandem Rechenschaft schuldig.

Und vor allem um die Änderungsanträge geht es heute. Die Beschlussvorlage der Regierung ist nur ein neutraler Antrag, dass das Parlament Kenntnis genommen hat von der Erklärung der Premierministerin. Die spannenden Entscheidungen fallen mit der Annahme von Änderungsanträgen. Dass Hinterbänkler der Regierung sagen können, was sie tun soll, ist ein konstitutionelles Novum in der "Mutter aller Parlamente", wie das Unterhaus genannt wird.

Bisher galt: Die Exekutive bringt ein Gesetz ein, das die Legislative annimmt oder ablehnt. Jetzt wollen die Volksvertreter jedoch über das Instrument der Änderungsanträge erzwingen, selbst den künftigen Kurs beim Brexit vorschlagen und bestimmen zu dürfen.

Zerstrittene Regierungsfraktion

Da die Regierungsfraktion zerstritten ist, schlägt die Stunde der Opposition. Bei den Konservativen klafft ein Spalt zwischen den Vertretern eines harten Brexits und den Verfechtern eines weicheren Austritts. Die Opposition hat zwar auch unterschiedliche Vorstellungen, aber in einem ist sie sich einig: Ein ungeregelter Ausstieg muss auf jeden Fall verhindert werden. Und dabei kann sie auch auf Unterstützung durch Tory-Parlamentarier zählen.

Einer der radikalsten Vorschläge stammt von der Labour-Abgeordneten Yvette Cooper. Sie will, dass ein Gesetz eingebracht wird, das der Regierung bis 26. Februar Zeit gibt, einen Brexit-Deal durchs Unterhaus zu bringen. Gelingt das nicht, wird May angewiesen, eine Fristverlängerung nach Artikel 50 von bis zu neun Monaten in Brüssel zu beantragen.

Die 27 EU-Staaten müssten sich einstimmig dafür aussprechen, wären aber wohl dazu bereit, um einen ungeordneten Brexit zu verhindern. Falls die Labour-Führung den Antrag unterstützen wird, hat er gute Aussichten, auch angenommen zu werden.

Es wäre ein historischer Sieg der Hinterbänkler, eine Regierung anweisen zu können, welche Schritte sie ergreifen muss. Diese verfassungstheoretisch abnorme Situation konnte nur entstehen, weil May keine Mehrheit im Unterhaus hat, und rechtfertigt sich auch genau aus diesem Grund: Angesichts einer handlungsunfähigen Regierung nimmt sich nun das Parlament das Recht, den Kurs zu bestimmen.

Verlängerung möglich

Die 27 EU-Länder wären bereit, das Austrittsdatum vom 29. März zu verlängern. Allerdings müssten Regierung und Parlament in London klar sagen, in welche Richtung Verhandlungen gehen sollten, sagte ein EU-Diplomat gestern. Er rechne aber damit, dass die britische Premierministerin Theresa May weiterhin am 29. März festhalten wolle.

„Keine Panik“: Die EU sei gut beraten, „nicht in Panik“ zu verfallen, sagte der Diplomat angesichts der für heute geplanten Brexit-Abstimmungen in London. Denn es sei denkbar, dass es auch danach keine klare Position gebe und möglicherweise sogar sich widersprechende Beschlüsse getroffen würden. „Wenn Theresa May nach Brüssel kommen sollte, wäre es aber gut, wenn sie ein breites Verhandlungsmandat hätte und sagen könnte, dass sie dafür dann eine Mehrheit im britischen Parlament hat.“

 

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Yvette Cooper  Bild: (REUTERS)

Diese beiden muss May heute fürchten

Yvette Cooper: Die Abgeordnete der oppositionellen Labour-Partei könnte im Brexit-Streit zur prägenden Figur werden. Die gebürtige Schottin will mit einem Antrag im Parlament einem „No Deal“ einen Riegel vorschieben. Der Plan der Mutter dreier Kinder sieht vor, dass die Regierung den Brexit aufschieben muss, sollte sich bis zum 26. Februar keine Mehrheit für einen Austrittsdeal finden. Sie wolle versuchen, mit ihrem Antrag Ruhe in die Streitereien zu bringen, schrieb die 49-Jährige jüngst in der „Yorkshire Post“. „Jeder schreit jeden an, und die Regierung scheint keinen klaren Plan zu haben.“ Beobachter meinen, dass die Ex-Arbeitsministerin frischen Wind in die Labour-Partei bringen und vielleicht gar ihrem Parteichef Jeremy Corbyn gefährlich werden könnte. Der Alt-Linke ist intern umstritten und gilt als stur.

No Deal: Mehrheit entschied gegen Brexit-Vertrag
John Bercow, Sprecher des britischen Unterhauses hat zügig durch den wichtigen Abend geführt. Bild: (REUTERS)

 

John Bercow: Der lautstarke Parlamentssprecher ist Herr über die Debatten und Abstimmungen und könnte May damit einen Strich durch die Rechnung machen. „Order, order, order!“: Der 56-Jährige ist im Unterhaus bekannt für seine durchdringenden Ordnungsrufe. Dort geht es ja mitunter hoch her. Bercow, der seit 1997 den Bezirk Buckingham, nordwestlich von London, vertritt, wurde 2009 erstmals zum Parlamentssprecher gewählt. Ursprünglich ein Konservativer, hat sich Bercow zunehmend von den regierenden Tories entfremdet. Grund ist neben seiner linksliberalen Ausrichtung vor allem eine angebliche Benachteiligung der Brexit-Befürworter. Bercow selbst – das ist kein Geheimnis – würde Großbritannien lieber weiter in der EU sehen. Er gilt als ein Charakterkopf – oder besser: als Dickkopf.

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4  Kommentare
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boris (1.939 Kommentare)
am 30.01.2019 10:02

May-Day... May-Day... May-Day tönt es immer lauter aus London...
Eigentlich möchten die Brexitiers, dass sich die Staaten Europas zu Kolonien "verwandeln" und GB bestimmt, wo es lang geht.
Diese Tagträumer haben noch immer nicht wirklich kapiert, dass sie aus der EU austreten und nicht die EU aus GB. Und nicht kapiert, dass "Cherry Picking over is".
Was will die "Reserl" denn in Brüssel erreichen außer einen "warmen Händedruck"? Glücklicherweise sind die 27 verbleibenden Staaten einig in der Vorgehensweise, das Paket nicht mehr aufzuschnüren.
Langfristig schwächt es leider die (Nordstaaten der) EU, was im weltweiten Machtgefüge (USA China, Russland...) nachteilig für die Europäer sein kann und vermutlich auch wird.

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jago (57.723 Kommentare)
am 29.01.2019 09:21

Der Titel lautet "Unterhaus" aber das Bild zeigt die Ministerpräsidentin aus der Regierung.

Und keiner lacht grinsen

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Christian090676 (2.112 Kommentare)
am 29.01.2019 05:47

Die nordirische DUP hat für den Brexit geworben, jetzt soll sie auch in den sauren Apfel beissen, das heißt, Zollgrenze zwischen Nordirland und England akzeptieren.

Man könnte fast meinen, diese Partei will einen neuen Krieg und Unruhen in Nordirland provozieren.

Warum will May sich noch mit ihrem Plan durchsetzen bei diesen Feinden in der eigenen Partei und Koalition.

Die wollen alle einen harten Brexit, die werden auch keinen befristeten Backstop zustimmen, denke ich.

Die EU sollte sich nicht den schwarzen Peter zuschieben lassen und einer Befristung des Backstop auf 7 Jahre zustimmen. Diese Feinde Mays werden dem auch nicht zustimmen, da bin ich mir fast sicher.

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jago (57.723 Kommentare)
am 29.01.2019 09:24

> Die nordirische DUP hat für den Brexit geworben, jetzt soll sie
> auch in den sauren Apfel beissen, das heißt, Zollgrenze zwischen
> Nordirland und England akzeptieren.

Die DUP will keine Grenze zu Irland, die DUP will Irland an GB anschließen. _Wieder_ anschließen.

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