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„Solche Leute wie Sie braucht Russland nicht!“

Von Von Peter Grubmüller, 07. April 2009, 00:04 Uhr
„Solche Leute wie Sie braucht Russland nicht!“
Julya Rabinowich über ihre alles andere als freiwillige Emigration. Bild: oön

Für ihr Prosadebüt „Spaltkopf“ über Emigration, Entwurzelung und Zersplitterung einer/ihrer jüdisch-russischen Familie wird Julya Rabinowich mit Auszeichnungen überschüttet. Zuletzt bekam sie den Rauriser Literaturpreis, die OÖN trafen die Wienerin zum Gespräch.

OÖN: Ihr „Spaltkopf“ ist ein fragwürdiges Erziehungsmittel, ein körperloser, unsichtbarer Geist, mit dem Eltern ungezogenen Kindern drohen. Wurden Sie mit ähnlichen Angstmachern ruhiggestellt?

Rabinowich: Ich hab’ den Spaltkopf erfunden, und es hat mir Spaß gemacht, ein altes Märchen zu verkaufen, das es eigentlich nicht gibt. Meine Eltern haben nicht mit furchteinflößenden Personifizierungen gearbeitet, sondern mit schnell strapazierten Schuldgefühlen. In der schwarzen Pädagogik kommen ja in erster Linie nicht Schreckbilder zum Einsatz, sondern Schuldbilder, die das schlechte Gewissen anstacheln.

OÖN: Beschäftigt Sie es bis heute, als Kind an allem schuld gewesen zu sein?

Rabinowich: Nein, im Moment habe ich das Gefühl, dass ich sehr frei über meine Interessen, über meine Hin- und Abwendungen entscheiden kann. Aber man geht ja auch nicht umsonst von 18 bis 25 zur Psychotherapie.

OÖN: Die künstlerische Sprache Ihrer Familie ist die Malerei, war es für Ihre Eltern ein Problem, dass Sie eine andere Ausdrucksform gewählt haben?

Rabinowich: Mein Schreiben haben sie gefressen, die schlimmste Keule, mit denen ich sie getroffen habe, war mein Dolmetsch-Studium. Da gab es ein großes Geschrei. Es war die spiegelverkehrte Variante von junger Maler, Vater reich und der Vater sagt: Was, du willst Maler werden, was für ein brotloser Beruf! Bei mir war es halt so: Was? Du willst einen Brotberuf haben? Wie kannst du nur? Es ist g’hupft wie g’hatscht, die Konfrontation mit den Eltern ist unvermeidbar. Mit dem Erscheinen des Buches hatte ich das Gefühl, ich könnte meine Mutter verletzt haben. Jetzt glaube ich, dass sie sehr stolz auf mich ist – unsere Beziehung hat sich sehr gebessert. Unsere Themen und Probleme über Kunst wahrzunehmen, ist ihr leichter gefallen als in der Realität.

OÖN: Vermitteln Ihnen die Reaktionen auf das Buch, im Literatur-Zirkel angekommen zu sein?

Rabinowich: Ich hatte keine Gruppe, zu der ich gehören wollte. Aber nicht, weil ich etwa die Literatur-Gemeinde als uninteressant bewertet hätte, sondern ich hatte nicht die leiseste Ahnung, welche Antwort auf das Buch kommen würde. Meine einzige Befürchtung war, dass ich gar keine Antwort bekomme. Jetzt bin ich überwältigt, und wenn ich mich jetzt über diese Reaktionen aufregen würde, wäre ich größenwahnsinnig. Es hätte ja auch ganz anders laufen können, nämlich dass ich gleich in diese Migrantenliteratur hineindiskutiert werde, in einen Begriff, den ich schon nicht mag. Weil er sagt, dass es da einen armen, dankbaren Fremdsprachigen gibt, der in der neuen Welt glücklich angenommen wird.

OÖN: Nach zwei Jahren des Schreibens haben Sie die Hälfte weggeschmissen. Es war die autobiographischere Form, von der Sie gesagt haben, dass sie langweilig gewesen wäre. War Ihr Leben fad?

Rabinowich: Nein, es war spannend, aber ich habe es wehleidig geschrieben, und Wehleidiges ist fad. Die erste Fassung war trotzdem notwendig, um den Prozess noch einmal zu erleben, das Ergebnis als nicht richtig zu erkennen und loszulassen.

OÖN: In Ihrem Buch taucht während eines Russland-Besuchs von Mischka, Ihres Alter Egos, folgender Satz auf: „Solche Leute wie Sie braucht Russland nicht!“ Österreich schon?

Rabinowich: Ich weiß es nicht, ich habe mir diese Frage nie gestellt. Im Buch sagt diesen Satz eine alte Frau zu Mischka, die gerade in Russland aus dem Flugzeug gestiegen ist. Diese Situation ist aus der Realität entnommen. Es hat sich nur nicht am Flughafen abgespielt, sondern in der Moskauer Metro. Eine Frau ist zu mir gestürmt, hat mich wild und in Halbstarken-manier in die Seite gezwickt und diesen Satz gesagt. Ich hab’ ausgeschaut wie ein Punk – mit blauen Haaren, zerfetzten Strumpfhosen und kurzem Kleid – und sie meinte, ich sei eine Russin. Das kann einem in Wien auch passieren, aber alte russische Weiber sind zehnmal gefährlicher als österreichische. In Wien sind sie vielleicht gemein, in Russland auch noch brutal.

Info: Die Rezension von „Spaltkopf“ lesen Sie morgen auf der Bücherseite der OÖN.
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