Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Wirtschafts-Kriminalität: Ist die Justiz zahnlos?

30. Jänner 2010, 00:04 Uhr

Bawag, Buwog, Hypo Alpe Adria, Flughafen Wien, Immofinanz, Meinl etc. – Österreich erlebte in jüngster Vergangenheit eine Reihe von Wirtschaftsskandalen, bei denen gravierende Unregelmäßigkeiten auf der Hand liegen.

Bawag, Buwog, Hypo Alpe Adria, Flughafen Wien, Immofinanz, Meinl etc. – Österreich erlebte in jüngster Vergangenheit eine Reihe von Wirtschaftsskandalen, bei denen gravierende Unregelmäßigkeiten auf der Hand liegen.

Trotzdem blieben die juristischen Konsequenzen bisher überschaubar. Hat die Justiz zu wenig Personal? Zu wenig Mut? Oder steckt politische Intervention dahinter?

Werner Kogler, Nationalratsabgeordneter (Grüne)

Es stellt sich immer mehr heraus, dass über Jahre hinweg die Staatsanwaltschaften speziell im Bereich der Wirtschaftskriminalität ausgehungert wurden. Dafür zahlen wir jetzt hohen Tribut.
Es taucht fast überall das Problem auf, ob in der Immoeast/Immofinanz, der Kärntner Hypo Alpe-Adria-Bank und im Besonderen rund um Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und der Buwog, dass die Staatsanwaltschaft zum Teil zeitlich überfordert ist. Neben zu wenig gut ausgebildetem Personal gab es früher auch das Problem, dass die Staatsanwaltschaft parteipolitisch durchdrungen war. In der Wirtschaftspolizei ist das weniger der Fall, hier sind es die mangelnden Ressourcen.
Zusammengefasst ist die Justiz daher auf alle Fälle zu zahnlos bei der Wirtschaftskriminalität.

Dieter Böhmdorfer, Rechtsanwalt

Die Justiz ist nicht zahnlos – langsam ist sie halt. Man muss die Dinge differenzierter sehen. Durch die Strafrechtsreform sind die Staatsanwälte mit Akten und Fällen so zugedeckt, dass sie ausschließlich auf Sachverständige vertrauen.
Die Staatsanwaltschaften könnten viel effizienter sein, wenn sie in großen Fällen auch die Vertreter der Geschädigten einbeziehen, die mit ihrem Wissen da durchaus etwas beitragen könnten. Große Fälle gehören in einem Team erledigt. Dass ein Staatsanwalt einen Fall alleine erledigt, ist ein Vorgehen, das der Vergangenheit angehören sollte.

Meinhard Lukas, Universitätsprofessor


Das Problem, das die Staatsanwaltschaften in vielen der großen Fälle von Wirtschaftskriminalität haben, liegt in den zivilrechtlichen Konstrukten von Firmengeflechten und Verträgen. Diese sind vielfach so komplex, dass nicht einmal hervorragende Zivilrechtsspezialisten da so leicht durchblicken.
Bevor aber ein Staatsanwalt überhaupt beurteilen kann, ob und was strafrechtlich relevant sein kann, muss er erst diese Verhältnisse klären. Und das führt zu zweierlei: Erstens dauert es extrem lange, und zweitens konzentrieren sich die Anklagebehörden zunächst einmal auf leichter verfolgbare Sachverhalte, die freilich oft nur ein Nebengleis darstellen.

Markus Achatz, Universitätsprofessor

Soweit ich das beurteilen kann, muss die Justiz ihre personellen Ressourcen aufstocken. Gerade bei Wirtschaftsdelikten ist der Sachverhalt oft sehr komplex. Da sind Bilanzen zu analysieren oder komplizierte Verträge anzuschauen. Das nimmt viel Zeit in Anspruch.
An der Kompetenz der Richter und Staatsanwälte fehlt es sicher nicht. Praktika bei Wirtschaftsprüfern sind Teil der Ausbildung. Oft stehen die Staatsanwälte und Richter bei Wirtschaftsprozessen aber einer Armada von Verteidigern gegenüber. Deshalb wäre es sinnvoll, wenn die Justiz Teams bilden würde. Aber da schließt sich der Kreis: Dafür bräuchte die Justiz mehr Personal.

Claudia Bandion-Ortner, Justizministerin (VP)

Die Justiz ist sicher nicht zahnlos, auch wenn wir mit neuen Dimensionen von Delikten und Kriminalität in diesem Bereich konfrontiert sind.
Was nottut, sind mehr Spezialisierung und strukturelle Änderungen. So ist es seit Jahresbeginn möglich, dass wir außenstehende Experten für bestimmte Verfahren anstellen können, außerdem werden wir eigene Wirtschafts-Kompetenzzentren einrichten. Zu guter Letzt hat uns der Finanzminister für diese Verfahren zusätzliche 35 Richter- und Staatsanwalts-Planstellen zugestanden.

Klaus Schröder, Richtervertreter

Das Problem ist, dass unser Verfahrenssystem bis vor kurzem keine Teambildungen kannte. Für einen Fall war ein Staatsanwalt zuständig, der einer Armada von Verteidigern gegenüberstand. Das Problem ist nun gelöst. Es gibt aber nach wie vor das Problem extrem knapper Personalressourcen.
Ich will nicht jammern, aber die Korruptionsstaatsanwaltschaft ist extrem unterbesetzt. Die mit der Hypo-Affäre befasste Staatsanwaltschaft Klagenfurt hat nun zwei Staatsanwälte dazubekommen. Die wurden aber von Tirol abgezogen, nach dem Prinzip: Mühle auf, Mühle zu. In München arbeiten sieben Ankläger an dem Fall, schon seit Monaten. Finanzminister Pröll hat 35 neue Planstellen versprochen. Warten müssen wir Monate. Ein Armutszeugnis für unseren Rechtsstaat.

Walter Geyer, Leiter der Korruptionsstaatsanwaltschaft

Zahnlos ist die Justiz nicht, aber eine gründliche Sanierung des Gebisses wäre überfällig. Täter mit weißem Kragen verfügen über Intelligenz und jede Menge Consulter, die ihnen helfen. Millionenbeträge flott und verwirrend so lange hin- und herzuschieben, bis sie sich im Dickicht von Offshore-Firmen in Luft auflösen, gehört zum selbstverständlichen Einmaleins.
Da kann eine überlastete Justiz schwer mithalten, wenn sie im Nachhinein mühsam versucht, komplexe wirtschaftliche Vorgänge gegen den Widerstand der Betroffenen und ihrer Anwälte zu klären. Da herrscht keine Waffengleichheit mehr. Notwendig wäre eine bessere Organisation der Justiz, eine Konzentration solcher Fälle in der Hand von Spezialisten und die dauerhafte Beiziehung von Fachkräften.

Werner Beninger, Enthüllungsjournalist

Ja, die Justiz ist zahnlos und in ihrer Hilflosigkeit nachgerade bemitleidenswert. Im Gegensatz zu früher bedarf es keiner politischen Interventionen mehr, dass in brisanten Fällen nicht viel weitergeht. Das wurde „eleganter“ gelöst.
Erfahrene Ankläger wurden versetzt oder pensioniert. Jetzt bemüht sich eine chronisch überlastete, junge und wenig erfahrene Truppe von Anklägern ab, den Legionen von Topanwälten der millionenschweren und bestens vernetzten Verdächtigen irgendwie Paroli zu bieten. So muss etwa jene Staatsanwältin, die die Causa Bawag weiterverfolgt, noch in 30 anderen Fällen ermitteln.
Die Politik müsste – so sie das überhaupt will – mit einer radikalen Reform für mehr Durchschlagskraft der Justiz sorgen.

mehr aus Wirtschaft

Signas Lamarr: Kaufmann, Rewe, VIG prüfen

Wifi: Neues Programm ist online verfügbar

AT&S sagt geplante Kapitalerhöhung ab, kein ÖBAG-Einstieg

Rad gestohlen: Was zu beachten ist, damit die Versicherung bezahlt

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

0  Kommentare
0  Kommentare
Die Kommentarfunktion steht von 22 bis 6 Uhr nicht zur Verfügung.
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Aktuelle Meldungen