Gastmönch im Zenkloster
Bei einem Besuch im Hwaeomsa-Tempel bekommt man einen ungewöhnlichen Einblick ins Leben der Mönche im Süden Koreas.
Drei Uhr morgens, Weckruf. Vegetarisches Essen. Graue Baumwollkittel. Was nicht gerade vergnüglich klingt, ist die weite Reise nach Südkorea aber wert. Dies gilt besonders in den Bergen des 250 Kilometer südlich der Hauptstadt Seoul gelegenen Jirisan-Nationalparks. Dort hat Mönch Yeongi während der Silla-Zeit 544 n. Chr. den Hwaeomsa-Tempel gegründet, indem heute Gastmönche zur Ruhe kommen können.
Der Weg in den Tempel führt durch drei Tore. Gastmönche werden neu eingekleidet und erhalten Strohhüte. Graue Baumwollkittel mit vielen Taschen sind durchaus bequem, halten jedoch nicht allzu warm. Hingegen bringt es die Fußbodenheizung in den Mönchszellen auf 28 Grad und lässt sich vom Klimaanlagenregler nicht bremsen. Allerdings ist die Heizung sinnvoll, wird es doch im Gebirge nachts empfindlich kalt. Frauen und Männer schlafen getrennt auf Futonmatten, einziges Möbelstück ist ein Tischchen mit Buddha-Buch.
Zen-Mönch Ji Jin erklärt die Bedeutung seines Namens als Erdbeben, bevor er die Tempelregeln sanft vermittelt. So erklingt der Holzgong Mokta als Weckruf und zu den Andachten, bei denen respektvoll nur mit dem Vorderfuß aufgetreten wird. Zum Gehen in Zweierreihen werden die Hände vor dem Nabel verschränkt.
Beim Essen ist Schweigen angesagt, Alkohol und Rauchen sind innerhalb der Tempelmauern tabu. Abendessen gibt es um halb sechs, wobei Mönche und Novizen Vorrang haben. Das ist angesichts des reichhaltigen vegetarischen Buffets kein Grund zur Panik. Neben Fisch und Fleisch fehlen Lauch, Knoblauch und Schnittlauch. Dafür gibt es zum Reis Salat, Wasserspinat, in Teig ausgebackene Karotten und Auberginen. Zurückhaltend auffüllen und keine Speisereste auf dem Teller lassen, lehrt Ji Jin. Jeder wäscht Teller und Trinkbecher selbst ab.
Mönche schlagen die Trommeln
Nach einer kurzen Pause führt Ji Jin die Gastmönche zum Gong- und Trommelpavillon. Dort schlagen Mönche im Wechsel die lederbezogene Trommel für alle Lebewesen mit Haut. Der Gong aus Eisen erklingt für alle fliegenden Lebewesen, der hölzerne Fisch für alle im Wasser. Die Glockenschläge gelten den Menschen, zu deren tiefen Töne und schnellen Rhythmen das Herz im Takt schlagen soll.
Über den großen Innenhof geht es am Bojeru-Pavillon entlang, der auf „tanzenden“ Holzpfeilern aus dem Jahr 1636 ruht. Der Weg führt an Koreas größter Steinlaterne, nationaler Schatz aus der Silla-Zeit, vorbei in die Halle des „Erleuchteten Kaisers“. Unter deren hoher Holzdecke voll verblichener Malerei knien die Mönche vor mächtigen vergoldeten Buddha-Statuen. Der Singsang des Abtes schwillt zu einem Chor an, sobald Mönche und Novizen einstimmen. Der stetige Wechsel von aufstehen, verbeugen und niederknien macht die Andacht zur sportlichen Herausforderung.
Erholsamer gestaltet sich ein Gespräch mit Suk Woo Mun, Leiter des Missionierens im Tempel, dazu reicht er Tee von wilden Büschen. „Dumme Tür“ habe ihn sein Lehrer getauft, sagt er.
Die Zahl der aktuell 15 Mönche und 19 Novizen im Tempel nehme ständig ab, sagt er. Heiraten sei mit dem Leben eines Jogye-Mönches unvereinbar und habe viele Abgänge zur Folge. Neue Novizen werden durch das Templestay-Programm gewonnen, die nach einem Jahr sozialer Arbeit, vier Jahren Studium und Examen Zen-Mönche werden können. „Das Programm führt jährlich 3000 Gäste in den Tempel, davon ist jeder zehnte Ausländer“, sagt Suk Woo Mun. „Katholiken machen bei den Andachten problemlos mit, Protestanten eher weniger.“
Um neun Uhr abends erlischt das Licht, alle fallen in tiefen Schlaf. Der dauert allerdings nur bis drei Uhr morgens, dann beginnt das Fegen der Unterkünfte. Auf das Frühgebet folgen 108 kraftraubende Verbeugungen, ganz modern vor einer Videowand zum Internetprogramm des aus Seouls Jogyesa-Tempel straff gesteuerten Jogye-Ordens.
Fegen nach dem Frühstück
Nach dem Frühstück und dem Fegen der Unterkünfte folgt ein Spaziergang mit Suk Woo Mun. Der führt auf dem Pfad der Meditation zur Einsiedelei Gucheungam, deren Dach zwei alte Zwetschkenstämme stützen, und weiter durch den Bambuswald zum Heiligtum des Berggottes Bongcheon. Eine kleine Pyramide mit Namenstafeln, Buddhafiguren und Leuchtdioden dient der Ahnenverehrung. Und spätestens hier weiß man als Gastmönch: dies ist nicht nur der perfekte Platz, um zur Ruhe zu finden, sondern auch tiefe Einblicke in Tradition und Moderne einer fremden Kultur zu bekommen.
Koreanische Zentrale für Tourismus, Baseler Str. 35–37, 60329 Frankfurt (für Österreich zuständig), Tel. 0049-69-233226, visitkorea.or.kr; Details zu Tempelaufenthalten: templestay.com