Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

"Geld und Ruhm sind mir scheißegal"

Von Ludwig Heinrich, 25. Oktober 2019, 00:04 Uhr
"Geld und Ruhm sind mir scheißegal"
Bild: GEPA pictures/ Ch. Kelemen

Im Wasser war er ein Star. Außerhalb des Schwimmbeckens ließ er mit seinem Auftreten und mit polarisierenden Sprüchen die Wellen hochgehen. Im OÖN-Interview wirft Markus Rogan einen Blick zurück – und in die Zukunft.

Er ist Österreichs erfolgreichster Schwimmer. Markus Rogan, heute 37 Jahre alt, hat bei Großveranstaltungen insgesamt 34 Medaillen gewonnen und einen Weltrekord aufgestellt. Nach dem Sport hat er eine neue Karriere begonnen. In seiner Wahlheimat Los Angeles arbeitet er als Psychotherapeut. Im "Nebenberuf" ist er Mentaltrainer der israelischen Fußball-Nationalmannschaft. Jüngst kam er auf Kurzvisite nach Wien, zu einer Buchpräsentation seines Freundes und Mentors David Ungar-Klein. Gelegenheit für eine 60-Minuten-Plauderei über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Markus Rogan.

OÖNachrichten: Haben sich die sportlichen Ambitionen bei Ihnen schon als Kind gezeigt?

Markus Rogan: Meine Familienverhältnisse waren nicht einfach. Mein leiblicher Vater ist der Arzt Michi Rogan. Nachdem die Ehe mit meiner Mutter Margot, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie sowie Universitätsdozentin, scheiterte, bekam ich zwei Stiefväter. Nummer eins, ein Unternehmensberater, starb nach schwerer Demenz. Nummer zwei ist Psychologe, Coach und Management-Trainer. Ich habe vier Geschwister, alle sehr schlaue und interessante Menschen. Von den drei Schwestern ist eine Journalistin in der Schweiz, die andere Schulprofessorin in England, die älteste Hoteldirektorin in Paris. Mein einziger Bruder wirkt als Manager in Silicon Valley. Natürlich war das Aufwachsen in dieser Konstellation nicht unkompliziert. Doch ich zeigte schon sehr früh Ansätze zum Individualismus.

Wie hat sich das ausgewirkt?

Bereits im Kindergarten übte ich einen Ausbruch durch den Maschendrahtzaun. Ich hatte 23 Schilling gespart und wollte in ein Spielzeuggeschäft, bin jedoch nur 30 Meter weit gekommen, weil ich mich nicht traute, eine verkehrsreiche Straße zu überqueren. Später, in der Volksschule, wuchs meine Energie. Gott sei Dank hatte ich einen fabelhaften Lehrer, er hieß Robert Bischof. Der rief meine Eltern zu sich und sagte: "Schaut’s, dass der Bub Sport betreibt, damit er ruhiger wird!" Heutzutage würden viele vielleicht anders reagieren als dieser Lehrer, würden mir das sogenannte Aufmerksamkeitsdefizit bescheinigen und den Ratschlag geben: "Haut’s ihm Medikamente rein, dann beruhigt er sich!" Aber der Tipp mit dem Sport, der war goldrichtig. Diesen Lehrer habe ich nie vergessen, weil er eben besonders gut mit Kindern konnte, die nicht in normale Muster und Erwartungen passten. Als Kind ist er mir immer vorgekommen wie ein Gigant, ich hätte ihn mindestens für größer als meinen Vater geschätzt, und der misst über 1,90 Meter. Als ich Robert Bischof später einmal besucht habe, stellte ich erstaunt fest, dass er nur 1,70 Meter groß war. Doch die Persönlichkeit war die gleiche geblieben, in sich ruhend, klar und kräftig. Heute probiere ich, auf meine Patienten genauso zu wirken, wie er auf mich gewirkt hat. Es gelingt mir zwar nicht immer, aber wenn, dann sicher dank ihm.

Wie lief es mit den sportlichen Anfängen?

Ich, der immer ein bissl verhätschelte Bub aus der Wiener Innenstadt, machte mich als Neunjähriger allein zum Amalienbad auf und nahm dort unter einem polnischen Coach das Training auf. Ein Jahr später sah ich TV-Übertragungen von Olympischen Spielen. Da schwor ich mir: Ich fahre auch zu Olympia! Ganz klar, dort gehöre ich hin! Für mich war dieser Sport sehr spannend. Normalerweise hat man immer wieder Leute um sich, die etwas wollen. Wenn du schwimmst, kommen an die 2000 Menschen ins Stadion, aber dann geschieht etwas Unglaubliches. In dem Moment, wo du untertauchst, wird es urplötzlich ganz ruhig. Freiheit und Ruhe mitten im Trubel, das hat mir von Anfang an getaugt. Ich lernte in der Folge auch den Unterschied zwischen agieren und reagieren, habe viel Zeit mit meditativer Betätigung bis hin zur klassischen Meditation verbracht, habe mir die Fähigkeit angeeignet, mehr zu agieren.

Ein Beispiel, bitte?

Wir sind permanent allen möglichen Reizen ausgesetzt. Beim Sport lernt man, wie viele davon man ausblenden kann und welche Reize wirklich relevant sind und einen besser machen. Ich lernte, dass es kein "Du musst!" gibt. Denn in Wirklichkeit musst du gar nichts. Und der Sport hat mich schon sehr früh auch andere wichtige Dinge gelehrt. In dem Moment nämlich, wo ich im Becken war, kamen mir oft für dem Anschein nach schwierige Dinge watscheneinfache Lösungen. Einmal zum Beispiel wurde mir im Becken klar, dass ein Ehestreit der Eltern nicht, wie ich gefürchtet hatte, meine Schuld war. Um erfolgreich zu werden, habe ich noch etwas erkannt. Sagen wir, zehn Millionen Menschen schwimmen, aber: Der Beste kann nur einer sein! Und ich entwickelte eine einfache Strategie, die sich jeder aneignen kann. Ich schwöre, das funktioniert! Such dir einfach jene, die besser sind, und orientiere dich an ihnen. Suche sie, bis kein Besserer mehr da ist.

Ihre beeindruckende sportliche Karriere ist bekannt. Erinnern Sie sich noch, wie Ihnen war, als Sie den absoluten Höhepunkt erreicht hatten?

Das war ein einziges, unendliches Glücksgefühl. Pah, jubelte es in mir, jetzt kannst du endlich einmal entspannen. Kein Hudeln mehr, kein Aufstehen um 3.45 Uhr früh zwecks Training, jetzt hört das alles auf! Keine Verzweiflung mehr, kein Getriebensein, Schwimmen wird künftig für mich nur noch Spaß an der Betätigung sein!

Erfolg kann zu vielem verleiten. Wie sind Sie damit umgegangen?

Ja, er kann in der Tat verleiten. Zur Blödheit, zur Überheblichkeit, zum Besoffensein. Alles war bei mir der Fall, nur eines nicht: Ich bin nie besoffen Auto gefahren. Ansonsten gab es bei mir gewiss eine Phase, in der ich mich effektiv wie ein Arschloch benommen habe. Eine Zeit, in der ich mich aufführte wie der letzte Depp. Mit einem "Höhepunkt" in Rom, wo ich sportlich nicht unbedingt erfolgreich war. Ich wollte in eine Disko, der Türsteher ließ mich nicht hinein. Ich bin aber, angetschechert natürlich, über einen Zaun geklettert und zurückgekommen. Spätestens da muss sich der Türsteher gefragt haben: "Wer ist dieser Trottel eigentlich?" Nun, er und andere packten mich, ich landete in einem Raum, der dem Anschein nach ein "Prügelzimmer" war. Gut. Endstation: Krankenhaus. Ich hatte mir noch eingebildet, es würde in der Disko vielleicht Leute geben, die mir helfen würden. Doch die einzigen Personen, die dir nach solchen Momenten wirklich helfen können, sind Anwälte. Die teuersten.

Und was ist danach wesentlich?

Dass man im richtigen Moment auf wirkliche Freunde zählen kann. Einer von ihnen war David Ungar-Klein, der Autor des Buches "Zukunft Netzwerk". Er, einst selbst erfolgreicher Schwimmer, ist heute ein ebenso erfolgreicher Netzwerker. Er hatte mich immer gewarnt, nachdem er meinem arroganten Untergang zugesehen hatte: "Je höher du raufkommst, umso weniger Freunde hast du. Pass gut auf, wer die echten sind! Denn wenn du den Zug der Berühmtheit auf diese Art weiterfährst, wird er früher oder später entgleisen!" Mein erster Gedanke: Was weiß der schon, der Trottel. Der soll lieber, wie gewohnt, seine Kongresse organisieren! Doch letztendlich wurde er mein wertvollster Ratgeber.

Sicher auch bei der Wahl Ihres weiteren Berufsweges?

Genau. Als ich ihm bekundete, ich wolle nach der Sportkarriere Psychotherapeut in Los Angeles werden, denn dort gäbe es genug Verrückte, entwaffnete er mich mit der Bemerkung: "Aber auch genug Psychotherapeuten". Er hatte in der Tat Recht, brachte mich auf die Spur, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren, und fragte: "Wie lange musstest du trainieren, bis du absolut an der Spitze warst?" Ich: "20 Jahre". Er: "Na, dann wirst du für deinen Wunschberuf ebenso lang trainieren müssen. Und zwar bei den Besten!" Er schuf den Kontakt zu Daniel Oppenheimer, bei dem ich in der Tat unendlich viel lernen konnte. Noch etwas habe ich während meiner Freundschaft zu Daniel Ungar-Klein gelernt.

Nämlich?

Sein Beruf, das Netzwerken, heißt geben, geben, geben. Ich hingegen war früher einer, für den es immer nur hieß: nehmen, nehmen, nehmen. Der Unterschied zwischen unseren Jobs ist auch: Er muss als Netzwerker versuchen, das Vertrauen der Leute zu gewinnen. Ich muss in meinem jetzigen Beruf hingegen den Menschen Vertrauen zu sich selbst beibringen. Heute weiß ich: Geld und Ruhm sind mir scheißegal. Es ist viel spannender, sich auf Menschen ehrlich einzulassen, ihnen zu helfen. Und das will ich für den Rest meines Lebens machen. Neben meiner Tätigkeit in meiner Praxis betreue ich noch diverse Suchtzentren, unter anderem an der Harvard Medical School. Wenn es mir etwa gelingt, einen jungen Drogensüchtigen wirklich zu heilen – das ist für mich das höchste der Glücksgefühle. Ich glaube, ich bin auch ein guter Gruppentherapeut. Das hat möglicherweise damit zu tun, dass ich vier jüngere Geschwister habe. Und vielleicht auch damit, dass ich selbst nie so richtig aus der Kindheit herausgekommen bin …

Worauf sind Sie noch stolz?

Natürlich auf meine glückliche Ehe mit der Marketing-Managerin Leanne Cobb und auf unsere beiden kleinen Söhne. Wir haben 2014 geheiratet. Als Dessert gab es damals, in Anwesenheit von Familienmitgliedern und Freunden wie David Ungar-Klein oder dem Bäcker-Ehepaar Ströck, einen Sachertorten-Turm, und wir alle haben "I am from Austria" angestimmt.

Für Ihre Frau sind Sie zum jüdischen Glauben übergetreten?

Was für mich weniger mit Religion zu tun hatte als mit der jüdischen Kultur, speziell mit der hoch entwickelten Streitkultur. Bei einem jüdischen Abendessen kann es passieren, dass zehn verschiedene Leute fünfzehn verschiedene Meinungen vertreten. Wohl kein Zufall, dass so viele Juden Psychologen oder Psychiater geworden sind. Jedenfalls: Ich steh auf diese ausgeprägte, humorvolle Streitkultur.

mehr aus Mehr Sport

"Eine traurige, aber auch schöne Botschaft": Dominic Thiem beendet im Oktober seine Karriere

Gedanken zum Rücktritt: Warum Dominic Thiem mit sich im Reinen ist

Thiem gibt Freitagmittag Statement zu seiner Zukunft ab

Olympia: Liu Jia fungierte als Fackelträgerin

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

2  Kommentare
2  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
edlein676 (190 Kommentare)
am 21.10.2020 18:02

Erfolg kann zu vielem verleiten. Wie sind Sie damit umgegangen?

Ja, er kann in der Tat verleiten. Zur Blödheit, zur Überheblichkeit, zum Besoffensein.

Ja wie wahr. Sein Erfolg hat ihn zur Blödheit und Überheblichkeit verleitet. Wie kann man sonst verstehen, das er die Corona Quarantäne Maßnahme ignoriert und positiv getestet in 2 Flugzeuge steigt und andere damit gefährdet.
Da kannst noch so blöd sein, sowas fällt nicht schnell jemanden ein.

lädt ...
melden
antworten
Berkeley_1972 (2.307 Kommentare)
am 26.10.2019 07:49

Sicher ein lässiger, selbstreflektierter Typ, mit einem guten Prozessor. Und irgendeinen Schabernack hat doch schon jeder einmal gemacht.

lädt ...
melden
antworten
Aktuelle Meldungen