"Zwischen Melancholie und Euphorie"
Gerhard Willert ist seit 1998 Schauspielchef am Landestheater Linz. „Mit Melancholie und Euphorie“ geht er nun in diese, seine letzte Saison, wie er im OÖN-Interview sagt. Weiters erzählt er, warum er sich in Linz so wohl fühlt und was er generell über die Zukunft des Theaters denkt.
Auftakt der Sparte Schauspiel ist kommenden Freitag mit Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" in der Arena des Schauspielhauses. Seit 1998 ist Willert am Landestheater Linz – ein Rückblick auf diese Zeit, in der er das hiesige Theatergeschehen entscheidend geprägt hat.
Was macht es aus, dass Sie sich hier so lange wie vorher an keinem anderen Theaterhaus wohl fühlen?
Nun, man versammelt als Schauspielchef ja eine Gruppe Menschen um sich, und das Ensemble hier funktioniert sehr gut. Das ist für mich der wesentliche Grund. Wir sind hier am Theater überhaupt gut eingespielt. Es macht einfach Spaß, hier zu arbeiten! Nach der eher turbulenten Anfangsphase in den 90ern hat sich ein Publikum entwickelt, an dem wir sehr hängen. Und es scheint umgekehrt auch so zu sein!
Sie haben immer wieder auch selbst Shakespeare-Stücke übersetzt. Warum?
Weil ich glaube, dass Schlegel und Tieck keine theatertauglichen Übersetzungen gemacht haben. Das liegt daran, dass die beiden keine Theaterleute waren.
Ist Shakespeare Ihr Theatergott?
Ja klar! Ich habe aber Götter neben ihm: Moliere, den ich für mich erst relativ spät entdeckt habe. Ja, und die alten Griechen sind schon großartig! Die sitzen natürlich auch in meinem Götterhimmel. Aber auch Vinaver, Pommerat und Crimp: Die bleiben auch für die Zukunft, darauf wette ich!
Ist der Eindruck ein falscher, dass Sie mit großen österreichischen Autoren wie Peter Handke, Elfriede Jelinek oder auch Thomas Bernhard eher weniger anfangen können?
Teils. Ich war früher sogar sehr Handke-affin, das war aber noch vor meiner Zeit in Linz. Für mich hat er immer einen priesterlichen Erleuchtungsduktus, der hat mich immer mehr genervt. Elfriede Jelinek muss jemandem wirklich liegen. Ich lese sie gerne, mir als Regisseur fällt aber dazu nichts ein. Umso mehr hat es mich gefreut, dass Regisseur Christian Wittmann von Jelinek so begeistert ist. Und Bernhard haben wir hier immer wieder aufgeführt. Wenn ich höre, der Spielplan sei zu wenig österreichisch, wie es manchmal aus vorhersehbaren Ecken heißt, halte ich das für absoluten Schmarrn!
Wenn Sie eine Bilanz Ihrer Tätigkeit als Schauspielchef am Landestheater Linz ziehen: Was ist geglückt, was weniger?
Also, ich mag alle meine Kinder! (lacht) Diese Frage ist grundsätzlich schwierig zu beantworten. Aber sicher gehören da die Stücke von Pommerat und jene von Moliere dazu. Da würde ich heute auch nichts anderes machen. Aber es geht gar nicht so um eine einzelne Vorstellung, das reiht sich ja ein in eine Geschichte.
Sie haben die vielen Jahre der Vorbereitung auf die Eröffnung des Musiktheaters hier in Linz miterlebt. Wie waren diese Jahre in Rückschau für Sie?
Aufregend! Solche Planungen und dann die Eröffnung erlebt man ja nicht so oft in einem einzelnen Leben!
2016 ist Ihre Ära nach 18 Jahren vorbei. Sie haben hier auch viel Vorarbeit für die Adaptierung eines Schauspielhauses mit besseren Bedingungen für das Publikum geleistet. Die Eröffnung werden Sie jedoch nicht mehr als aktiver Schauspielchef erleben: traurig?
Ja, ein wenig schon. Mir ist dieses Haus sehr ans Herz gewachsen. Und natürlich habe ich einiges an Kenntnis angesammelt und Ideen eingebracht. Wenn ich zurückdenke, als wir 1998 hier angefangen haben, war das von unseren Vorgängern her eine feindliche Wagenburg. Das wird es bei mir definitiv nicht geben! Ich werde natürlich mein Wissen an die Nachfolger weitergeben. Denn dem Theater soll es auch in Zukunft gut gehen!
Hat Theater grundsätzlich überhaupt Zukunft?
Diese Diskussion geht mir auf die Nerven, weil das Bedürfnis der Menschen, anderen Leuten zuzuschauen, wird bleiben. Somit bleibt auch das Theater. Die Zahlen sprechen außerdem eine eindeutige Sprache: Beispielsweise gehen in Deutschland mehr Menschen ins Theater als in die Fußball-Stadien! Und in Österreich ist das sowieso so… (lacht)