„Loslassen ist nicht nur Verzicht, sondern bringt auch Freiheit“
„Loslassen ist eine der größten Herausforderungen im Leben“, sagt Eduard Waidhofer. Am Wochenende hat der Psychologe zu diesem Thema im Bildungshaus Schloss Puchberg ein Seminar gehalten. Im OÖN-Gespräch berichtet er über persönliches Loslassen, Trennung und Neubeginn.
OÖN: Sie sind vor drei Jahren in Pension gegangen – auch ein Prozess des Loslassens. Wie ist es Ihnen ergangen?
Waidhofer: Ich habe mich jahrelang darauf vorbereitet, sonst wäre es schwierig geworden. Wer sich von der Pension überraschen lässt, fällt meist emotional in ein tiefes Loch.
OÖN: Wie haben Sie sich vorbereitet?
Waidhofer: Ich habe mich damit beschäftigt, dass ich bestimmte Dinge nicht mehr machen und an andere übergeben werde. Und ich habe Zukunftsperspektiven und Ziele für die Zeit zu Hause entwickelt.
OÖN: Welche sind das?
Waidhofer: Ich habe mir vorgenommen, arbeitsmäßig nur mehr das zu tun, was mir Spaß macht. Und ich pflege meine Hobbys wie etwa das Filmen und die Fernreisen, von denen ich Reiseberichte mache und damit Sozialprojekte unterstütze. Es ist für mich wichtig, etwas Sinnvolles zu tun.
OÖN: Auch das Fasten ist ein Loslassen von Gewohnheiten. Was bringt das?
Waidhofer: Ob man auf Auto, Handy, Computer, Alkohol oder Fleisch verzichtet – man gibt dadurch nicht etwas her, sondern gewinnt eigentlich viel dazu. Man bekommt mehr Lebensqualität, mehr Zeit zum Nachdenken, was wichtig ist, eine Art innere Freiheit.
OÖN: Die Überwindung zum Fasten ist dennoch schwer?
Waidhofer: Ja, aber ich hatte da ein Schlüsselerlebnis. Ich war bei einem Seminar in der Wüste, und mein Gepäck ist nicht angekommen. Ich hatte also nichts und konnte die schöne Erfahrung machen, dass trotzdem genug da ist. Ich habe alles, was ich brauchte, von der Gruppe bekommen.
OÖN: Wie schafft man das Fasten leichter?
Waidhofer: In der Gruppe ist es sicher besser, weil man sich gegenseitig motivieren kann und mitgetragen wird.
OÖN: Was versuchte man im Seminar noch loszulassen?
Waidhofer: Es geht immer wieder auch darum, herauszufinden, was ich festhalte und was mich hindert, loszulassen. Das können Einstellungen, Denkmuster und gewohnte Verhaltensweisen sein. Wer diese loslässt, kann innerlich frei werden.
OÖN: Es geht aber auch darum, Menschen loszulassen, etwa Kinder ins Leben zu entlassen. Wer tut sich dabei leichter – Männer oder Frauen?
Waidhhofer: Frauen bereiten sich manchmal früher auf die Ablösung von den Kindern vor. Männer beschäftigen sich damit weniger und sind dann eher überrascht, wenn es so weit ist. Das lässt sich aber sicher nicht verallgemeinern.
OÖN: Wie wird Loslassen leichter?
Waidhofer: Loslassen ist meist gefragt, wenn Lebensübergänge und Zeiten des Abschieds anstehen. Und da sind Rituale wichtig. Sie schaffen Geborgenheit und ermöglichen den symbolischen Ausdruck von Gefühlen. Es ist auch wichtig, zu würdigen, was gewesen ist, und sich mit der eigenen Geschichte zu versöhnen.
OÖN: Das ist etwa bei Trennungen nicht immer leicht!
Waidhofer: Aber wichtig. Es gibt zwar Hochzeitsrituale, aber selten ein Ritual für die Trennung. Das Positive in der Beziehung anerkennen, Verletzungen loslassen und die Verantwortung für das eigene Verhalten übernehmen, das sind die Voraussetzungen für eine gelungene Trennung. Dann bin ich frei für einen Neubeginn.
Zur Person Eduard Waidhofer
Er wurde 1947 geboren. Waidhofer ist Theologe, Psychologe, Psychotherapeut, NLP-Master und Supervisor. Er hat das Familientherapie-Zentrum und die Männerberatung OÖ. gegründet und jahrelang geleitet. Seit drei Jahren ist er in Pension. Waidhofer ist auch Buchautor: „Kraftvoll und lebendig Mann sein“ (Tyrolia-Verlag)