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Serienkiller, Gewalt und Kobe Bryant

Von Lukas Luger, 01. September 2021, 00:04 Uhr
Serienkiller, Gewalt und Kobe Bryant
Der Streamingdienst Hulu plant eine Verfilmung von Pochodas „Diese Frauen“.

Der preisgekrönte Thriller "Diese Frauen" von Ivy Pochoda liegt jetzt auf Deutsch vor.

Mehrere Frauenleichen werden in einem zwielichtigen Teil von Los Angeles entdeckt. Doch das LAPD interessiert sich nicht für tote Prostituierte. Kaleidoskopartig erzählt Ivy Pochoda in "Diese Frauen" die Geschichten der Opfer, deren Leben durch die mörderischen Obsessionen eines Mannes untrennbar verbunden sind. Die OÖN sprachen mit der 44-Jährigen.

OÖN: In "Diese Frauen" steht nicht der Serienmörder, sondern seine Opfer im Mittelpunkt, die meisten farbige Prostituierte. Ihr Buch basiert lose auf dem Fall des "Grim Sleeper" Lonnie Franklin, der Mitte der 80er und nach 15 Jahren Pause wieder zu Beginn der Nullerjahre mindestens zehn Prostituierte in Los Angeles ermordete. Was hat Sie an dieser Geschichte fasziniert?

Ivy Pochoda: Ich sah zufällig eine True-Crime-Doku über diesen Fall. Wenn ich eine Dokumentation über einen Serienkiller sehe, ist für mich der Täter meist die uninteressanteste und fadeste Person, die vorkommt. Meistens haben Serienmörder nicht einmal ein richtiges Motiv, außer der puren Lust am Töten. Besagte "Grim Sleeper"-Doku ließ Freunde, Nachbarn und Bekannte von Lonnie Franklin ausgiebig zu Wort kommen. Zuerst sagten sie all jene Dinge, die man erwartet: "Das hätte ich mir von ihm nie gedacht" oder "Er hat immer höflich gegrüßt". Doch dann nahm das Ganze eine dunkle Wendung.

In welche Richtung?

Plötzlich begannen die Befragten, darunter die Ex-Freundin, von all den Polaroid-Fotos von gefolterten Frauen, die Franklin herumliegen hatte, zu erzählen, von der mysteriösen Hütte in seinem Garten. Da ist mir klar geworden: "Verdammt, sie wussten es die ganze Zeit!" Die Frage, wie es ist, in der Präsenz von solch extremer Gewalt zu leben und sich selbst etwas vorzumachen, ließ mich nicht mehr los. Franklin machte durch seine schrecklichen Taten Freunde und Familienmitglieder zu Opfern, weil er ihr Vertrauen, ihre Liebe missbrauchte. Da wurde mir klar, dass ich den Täter aus dem Bild entfernen und mich auf die Opfer und Angehörigen konzentrieren muss.

Das Buch stellt unbequeme Fragen darüber, wie die Politik, die Gemeinschaft und nicht zuletzt die Polizei Frauen im Allgemeinen und Prostituierte im Speziellen behandelt. Hat Sie dies während des Schreibens ernüchtert?

Das Buch entstand zu der Zeit, als die #MeToo-Bewegung in den USA Aufwind bekam. Was beim Schreiben evident wurde, ist, wie allumfassend das Problem ist: Erzählungen von Frauen wird einfach nicht geglaubt, quer durch alle sozialen Schichten. Aus dieser Beobachtung heraus entwickelte sich der Charakter von Detective Essie Perry. Obwohl sie eine Respektsperson ist, eine Vertreterin von Recht und Ordnung, ergeht es ihr exakt wie den anderen Frauen, den Opfern: Niemand glaubt ihr, sie wird runtergemacht, übergangen und lächerlich gemacht. Weder eine Polizei-Uniform noch Geld oder auch Erfolg schützen uns davor.

Ihre Geschichte erzählen Sie aus der Sicht von sechs Frauen, darunter einer trauernden Mutter, einer Tänzerin und einer aufstrebenden Künstlerin. Was reizt Sie an dieser literarischen Form?

Ein Verbrechen ist ein gutes Mittel, um zu zeigen, wie eine Gemeinschaft funktioniert. Wie die Menschen zusammenrücken, aber auch, welche Löcher es im sozialen Netz gibt. Eine Geschichte aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen, ist für mich der einzig gangbare Weg, um der Vielfältigkeit all dieser Lebensentwürfe und Schicksale gerecht zu werden. Ziel war es, ein literarisches Panorama zu zeichnen und sich dem wahren Wesen eines Ortes anzunähern. In diesem Fall jenem von Western Avenue in Downtown Los Angeles.

Mit Basketball-Superstar Kobe Bryant haben Sie eine Buchreihe für Jugendliche verfasst. "Epoca: The Tree of Ecrof" erschien 2019, der zweite Teil posthum im Dezember 2020. Wie kam’s zu der ungewöhnlichen Kollaboration?

Eines Tages bekam ich aus heiterem Himmel einen Anruf. Kobe suchte einen Autor, der sich mit griechischen Sagen auskennt und Spitzensport betrieben hat (Pochoda studierte Altgriechisch in Harvard und spielte Squash im US-Nationalteam, Anm.). Da war die Auswahl überschaubar (lacht). Er hatte die Idee für eine Art Sport-Harry-Potter-Reihe für Jugendliche. Wir schrieben das erste Buch zusammen, dabei war er extrem involviert und sehr respektvoll. Er ließ nie den Superstar raushängen. In der Woche, in der wir uns endlich geeinigt hatten, wie Band 2, "The River of Sand", enden soll, starb er. Geplant waren acht Teile, nach seinem Tod musste ich das Buch umschreiben, damit es als Finale funktioniert. Er war ein toller Typ, ich denke fast jeden Tag an ihn.

Arbeiten Sie im Moment an einem neuen Roman?

Ja. Die Geschichte spielt während der Proteste nach der Ermordung von George Floyd. Los Angeles war zu dieser Zeit aufgrund der Pandemie vollständig abgeriegelt. Nur die LAPD-Helikopter kreisten ständig. Es war apokalyptisch.

Die Buchkritik

Normalerweise ist es der Killer, der die Aufmerksamkeit bekommt. Die weiblichen Opfer sind nur Beiwerk, das Mitleid und Grauen evoziert. Ivy Pochoda dreht in ihrem sprachgewaltigen Roman „Diese Frauen“ (Ars Vivendi, 350 Seiten, 23,90 Euro) den Spieß um. 17 Frauen hat ein Serienmörder zwischen 1999 und 2014 in einem schäbigen Teil von L. A. getötet. Gehör finden aber weder die Toten noch die Angehörigen.
Meisterhaft verwebt Pochoda die Geschichten von sechs durch die Bluttaten betroffenen Frauen zum Sittenbild einer herzlosen Stadt, in der „diese Frauen“ am Rande der Gesellschaft bekommen, „was sie verdienen“. Brillant konstruiert, ist „Diese Frauen“ ein wütender Thriller von bemerkenswerter Tiefe.

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Autor
Lukas Luger
Redakteur Kultur
Lukas Luger

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1  Kommentar
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Gugelbua (32.064 Kommentare)
am 01.09.2021 09:39

wem die reale Welt nicht grausam und scheußlich genug ist
braucht eben die brutalen Filme😁

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