Lercher zur Koalitionsfrage: "Die ÖVP per se ist nicht ausgeschlossen"
WIEN. Über Personalfragen, Koalitionspräferenzen und Wege zur Einigung in der Partei diskutierten SPÖ-Politiker in der ORF-Sendung "Im Zentrum".
Über den zukünftigen Weg der SPÖ unter dem neuen Parteivorsitzenden Hans-Peter Doskozil diskutierten Sonntagabend bei Claudia Reiterer der ehemalige Bundesgeschäftsführer Max Lercher, Bundesfrauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner, Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik von der Universität Graz und Schriftsteller und SPÖ-Mitglied Robert Menasse.
Über das künftige Personal
Thema war dabei auch die künftige Besetzung der Schlüsselfunktionen in der Partei. Sowohl Holzleitner als auch Lercher werden als Kandidaten für Partei oder Klub gehandelt. Beide wollten sich dazu in "Im Zentrum" nicht näher äußern. "Nun, da wir wieder einen Mann als Vorsitzenden haben, werden Frauen Schlüsselpositionen haben müssen", sagte Holzleitner. Sie selbst fühle sich auch als SP-Frauenchefin sehr wohl, so die gebürtige Oberösterreicherin. Seine Chancen, zukünftiger Bundesgeschäftsführer oder Klubobmann zu werden, stünden nicht bei Null, sagte Lercher. "Wir werden dies allerdings in den Gremien klären, nicht hier im Fernsehen."
Koalition mit Türkis?
Verwirrung hatte am Wochenende Doskozils Ansage ausgelöst, nach der Nationalratswahl keine Koalition mit der ÖVP eingehen zu wollen. "Auch das will ich in Angriff nehmen: Keine Koalition mit der ÖVP", hatte der neue SPÖ-Chef am Samstag bei seiner Rede beim Parteitag im Linzer Design Center gesagt. Am Sonntagabend relativierte Doskozil im "ZiB 2"-Interview seine Absage an Türkis, am Ende entscheide "natürlich" der Wählerwille. "Die ÖVP per se ist nicht ausgeschlossen", versuchte Lercher im ORF-Talk eine Erklärung: "Doskozil hat immer gesagt, er will so stark werden, dass es Varianten neben der ÖVP gibt."
Holzleitner hatte am Sonntag den neuen Bundesparteichef in seiner Linie, nach der nächsten Wahl nicht nur mit der FPÖ sondern auch mit der ÖVP keine Koalition eingehen zu wollen, bestärkt. Angesichts der frauenpolitischen Positionen, die die beiden Parteien in den Koalitionen in Oberösterreich, Niederösterreich und Salzburg vertreten, sehe sie hier "keine Überschneidungspunkte".
Dass ein etwaiges Koalitionsabkommen künftig allen Parteimitgliedern vorgelegt werden soll, sei ein guter, richtiger Schritt, so Lercher. "Wir können nicht aufhören, die Demokratisierung der SPÖ weiter voran zu treiben. Das wird uns guttun."
Video: Die ORF-Sendung "Im Zentrum" zur Frage "SPÖ-Showdown: Neustart oder Untergang" in voller Länge:
"Dürfen keine leeren Phrasen bleiben"
Holzleitner: "Wir haben beim Parteitag oft die Wörter Aufeinander zugehen und Einigung gehört. Das dürfen keine leeren Phrasen sein." Andreas Babler habe Themen angesprochen, die vielen Menschen eine Herzensangelegenheit sind. Diese Inhalte, die viele Mitglieder zum (Wieder-)Eintritt bewogen haben, gelte es mitzunehmen. "Ich bin überzeugt, dass persönliche Gespräche stattfinden müssen, um Brücken zu schlagen", sagte die Bundesfrauenvorsitzende.
Einer, der in diesem Jahr wieder in die Partei eingetreten ist, ist Schriftsteller und Babler-Unterstützer Robert Menasse. An Doskozil vermisse der Autor eine für die Sozialdemokratie wesentliche Eigenschaft, die Solidarität. Auf Reiterers Frage, ob er nun wieder austrete, sagte Menasse: "Ich bin nicht in ein Lager eingetreten, sondern in die Partei.". Er gehe davon aus, dass die Dynamik, die durch Babler in die Partei gekommen sei, nicht wieder versiege. Inzwischen bleibe es bei seiner Mitgliedschaft: "Es müssten jetzt schon in einem Neu-Aufflammen des Todestriebs Fehler wiederholt werden, die mich so frustrieren, dass ich mir denke, ich bin mit zu großen Illusionen wieder eingetreten", so der Schriftsteller.
Bei der Sondersendung heute nachmittag haben die ORF Moderatoren vorgeschlagen,
der Babler kann es nicht alleine da müssen gewichtige SPler mithelfen.
Wie wäre es wenn z. B. Leichtfried und Muchitsch u. Co mehr eingebunden werden.
Die haben ordentlich Gewicht drauf.
Bei den beiden ist das Gewicht eher von den fetten Pfründen.
da wird das Fell des Bären verkauft, bevor er erlegt ist!
Die S Mitglieder sind nicht gleichzustellen mit den Wählern!
Während Lercher und Holzleitner eher siegesicher argumentiert haben, war Menasse doch er fragend und kritisch, um was für eine SPÖ es sich hier handelt, wo die Inhalte sind, wie Menschen neu abgeholt werden können, etc.
Ersteinmal muss die Nationalratswahl 2024 stattfinden, dann kan man weiterreden und diskutieren, aber nicht vorher.
Ich finde solch klare Ansagen eher "erfrischend", denn daran kann eine Partei dann gemessen werden.
Aktuell haben die ÖVP-Landesorganisationen in NÖ und SZG ein echtes Glaubwürdigkeitsproblem. Es ist ja nett, wenn ein Landeshauptmann erklärt, er wollte die nun beschlossene Koalition eigentlich nicht. Nur: Warum geht er sie dann ein? Die Begründungen klingen fadenscheinig bis lächerlich. Dass etwa die Positionen von ÖVP und Grünen zu weit auseinanderliegen: Um das festzustellen, benötigt der Landeshauptmann zwei volle Legislaturperioden in Koalitionen mit eben diesen Grünen? Tut mir leid, aber damit hat Herr Haslauer seinen Ruf (und die Nachred') nachhaltig beschädigt.
Jetzt beginnt der Kampf um die kleineren Pfründen.
Ich wage hier filgende Prognose:
Das kabarettreife Personalthema ist noch lange nicht gegessen.
Schlimmer, die Gräben zwischen Doskogruppe und "Bablern" werden eher tiefer.