SPÖ: Hans Peter Doskozil - gewagt, gewonnen

LINZ. Lange hat er gewartet, fast zu lange. Doch jetzt hat es Hans Peter Doskozil gerade noch geschafft, den Vorsitz der SPÖ zu erklimmen.
Mit seinem Sieg am Parteitag von Linz hat der 52-Jährige zwei schwierige Aufgaben vor sich. Einerseits soll er die nächste Wahl gewinnen, andererseits die Partei einen, wobei letzteres gerade für Doskozil der mühsamere Job werden könnte.
Vorbehalte gegen den burgenländischen Landeshauptmann gibt es etliche. Das beginnt schon damit, dass er sich mit seinen Dauerangriffen gegen Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner den Ruf des Querschützen erworben hat. Doskozil gilt auch nicht unbedingt als Teamplayer. Was er anschafft, soll auch so geschehen, wird dem gelernten Exekutivbeamten und vormaligen Verteidigungsminister nachgesagt. Hinzu kommt noch, dass sein restriktiver Kurs in der Migrationsfrage den linken Parteiflügel seit jeher vor Zorn erbeben lässt.
Analyse von OÖN-Politikchef Wolfgang Braun
Dass sich Doskozil bei den Delegierten trotz Stimmproblemen nach einigen Kehlkopfoperationen letztlich durchgesetzt hat, hängt wohl in erster Linie damit zusammen, dass man ihm als einzigem zutraut, in die Wählerschichten von ÖVP und FPÖ zu wirken. Auch wenn er sich auf eine Ampel festgelegt hat, sind zudem andere Konstellationen unter Einbindung der SPÖ mit ihm als Parteichef deutlich realistischer, als es das mit seinem Kontrahenten Andreas Babler gewesen wäre.
Bildergalerie: Nach der Wahl zum SPÖ-Chef

Erste Reaktionen aus Oberösterreich
Rückblick auf einen spannenden Tag
Besonders dem Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler gelang es Samstagmittag in Linz, mit einer pathetischen, lautstark vorgetragenen Rede die Delegierten zu begeistern. Doch auch beim burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil gab es stehende Ovationen.
Eine Analyse vor der Abstimmung: OÖN-Politikchef Wolfgang Braun
Der Sieger der Mitgliederbefragung war als erster zu der auf 45 Minuten beschränkten Vorstellungsrede angetreten. Er versprach, dass seine Stimme auch in Zukunft funktionieren werde und er die Umsetzung sozialdemokratischer Politik in den Mittelpunkt stellen wolle.
Gleich zu Beginn rekurrierte Doskozil auf den SPÖ-Säulenheiligen Bruno Kreisky, dessen Bild er in seinem Büro hängen habe. Oft habe er sich gefragt, was Kreisky heute sagen würde, angesichts all der Diskussionen und Wahlergebnisse. Für ihn sei die Partei und deren Ergebnisse am wichtigsten, aber auch der Kampf um Inhalte: "Man kann fragen, ob es richtig ist, ihn auf diese Art und Weise zu führen", sagte Doskozil: "Aber er ist zu führen."
Video: Biegler (ORF) zum SPÖ-Parteitag
Einmal mehr unterstrich er, dass es um die Erwartungen der Bevölkerung an die Sozialdemokratie gehe. Ob Entlohnung, Mietpreise, Gesundheitsversorgung, Pflege oder Migration: "Es gibt genug Themen, die wir aufgreifen müssen, wo von uns als Partei des Volkes, als Partei des kleinen Mannes und der kleinen Frau erwartet wird, dass wir sie vertreten, dass wir ihren Interessen dienen."
Doskozil redete dem "Rausgehen aus dieser Komfortsituation" das Wort - als Parteifunktionäre und selbst als burgenländischer Landeshauptmann. Den Parteivorsitzenden zu wählen, sei nur der erste Schritt. Die SPÖ müsse auch glaubwürdige Antworten geben und diese Politik dann auch umsetzen. Genau daran habe es in der Vergangenheit oft gefehlt - auch weil man mit der Regierungsverantwortung allein zufrieden gewesen sei.
Beim Thema Mindestlohn versuchte Doskozil einmal mehr, die gegen ihn wegen seines burgenländischen Alleingangs zürnende Gewerkschaft zu befrieden. Man könne doch akkordiert vorgehen und den Sozialpartnern signalisieren: "Einigen wir uns kollektivvertraglich, weil sonst gibt es einen verrückten Burgenländer, der setzt den Mindestlohn um".
Video: Geier (ORF) zu den Delegierten
Bei Pflege und Gesundheit wiederholte er seine Absagen an Profit und Ärztekammer-Macht, in der Frauenpolitik pochte er auf Kompetenz statt Quoten. Ohne den Namen zu nennen unterstrich er auch, einem "gewissen Medium" - gemeint wohl "Österreich" - weiter keine Inserate geben zu wollen. Nur eine kurze Erwähnung wert waren in seiner 47-minütigen Rede - 45 wären vereinbart gewesen - die Themen Klimaschutz und Migration.
Babler sparte wie in seiner gesamten Kampagne nicht mit Pathos, als er ein "unglaubliches Comeback der Sozialdemokratie" ankündigte. Sein Programm werde Träumerei genannt: "Träumer, das ist nur ein anderes Wort für Sozialdemokrat." Sei nicht auch ein Gemeindebau ein Luftschloss gewesen, "bis wir ihn gebaut haben"?
Babler skizzierte neues SPÖ-Programm
Wie ein SPÖ-Programm unter ihm aussehen könnte, skizzierte Babler umfassend. Eine neue Vermögensbesteuerung machte er zur Koalitionsbedingung. Mehr Lohntransparenz will er, um endlich gleichen Lohn für Frauen zu erreichen. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ist für ihn eine Selbstverständlichkeit: "Weil wir es uns verdient haben." Ebenfalls ins Programm gehören Mietpreisdeckel und Leerstandsabgabe.
Auch die Ausländerpolitik ließ Babler nicht aus, als er einen leichteren Zugang zur Staatsbürgerschaft forderte. Zudem betonte er, dass es zusätzliche Arbeitsmigration brauche, freilich ohne begleitendes Sozialdumping. Verlassen will sich Babler da auf die Gewerkschaft, die er mehrfach adressierte und ob ihrer historischen Verdienste würdigte. Emotional wurde der Bürgermeister auch, als er von 350.000 armen oder armutsgefährdeten Kindern sprach: "Allen Kindern alle Rechte."
Hervorgehoben wurde von Babler, dass er mit den Streitigkeiten der vergangenen Monate und Jahre in der Partei nichts zu tun habe: "Ich bin nicht Teil dieser Auseinandersetzung." Er wisse, wie notwendig es sei, heute wieder zusammenzufinden. Dass er allenfalls keine breite Wählerschaft ansprechen kann, konterte er mit Verweis auf die mehr als 70 Prozent, die er in Traiskirchen zu seiner Wahl bewogen hatte. Diesen lokalen Erfolg will er auf ganz Österreich ausbreiten: "Jetzt beginnt der Aufbruch in eine neue Zeit."
Begonnen hatte der Parteitag im Linzer Design Center plangemäß. Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch rief dabei zur Einheit auf, der Linzer Bürgermeister Klaus Luger forderte als Gastgeber, sich nicht nur auf Personen sondern auch auf Inhalte zu fokussieren.
Rendi-Wagner nicht in Linz
Rekordverdächtig war, dass von den 609 ordentlich Delegierten 603 der Einladung auch nachkamen. Entscheiden können sich zwischen Doskozil und Babler, nachdem Amtsinhaberin Pamela Rendi-Wagner in Folge von Platz drei bei einer Mitgliederbefragung ihren Rückzug erklärt hat. Als dritter beworben hat sich das "einfache" Parteimitglied Berthold Felber. Wer ihn wählen will, müsste die beiden anderen Namen am Stimmzettel durchstreichen und Felbers Namen hinschreiben.
Rendi-Wagner war nicht die einzige, die auf eine Reise nach Linz verzichtete. Auch sonst fand sich kein ehemaliger Parteichef bei der Veranstaltung ein. Stark vertreten waren nur ehemalige Regierungsmitglieder von Karl Schlögl bis Maria Berger.
Das Rennen um die Parteispitze gilt als ziemlich offen. Doskozil hat bei der Mitgliederbefragung Platz eins geholt und weiß auch den Großteil der Länder-Organisationen hinter sich. Babler dürfte hingegen vor allem von der delegiertenstarken Wiener Landespartei sowie von der Frauenorganisation große Zustimmung erfahren. Mitentscheidend könnte sein, für wen sich die Gewerkschafter mehrheitlich entscheiden.
Der Landeshauptmann gilt als Vertreter des rechten Flügels der Partei, vor allem in der Zuwanderungspolitik. Babler hingegen ist der Liebling der Parteilinken, hat aber zuletzt für Irritationen gesorgt, als ein Video aus dem Jahr 2020 bekannt wurde, in dem er die EU scharf attackierte. Dieses Thema ließ er am Samstag aus.
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