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Ein später Grabstein für Dr. Bela Szabo

Von Hannes Fehringer, 29. Mai 2012, 00:04 Uhr
Ein später Grabstein für Dr. Bela Szabo
Istvan Szabo besuchte Grab ermordeter Verwandte. Bild: privat

STEYR. Ein Mailüftchen weht von der Altstadt auf den Steyrer Tabor herauf, im Tal führt die Enns noch das letzte Schmelzwasser aus den Bergen. „Es stimmt nochmals traurig, dass das alles in dieser schönen, friedlichen Gegend geschehen ist“, sagt Julia Szaszi.

Mit einem unscheinbaren Kleinwagen ist die ungarische Journalistin am Pfingstsonntag zum jüdischen Friedhof in Steyr gefahren, eine schwere Marmorplatte im Kofferraum. Ihr Beifahrer, der weltberühmte Filmregisseur Istvan Szabo, setzt sich eine Sonnenbrille ins Gesicht und die Kippa auf das schlohweiße Haar. Helfer des Steyrer Mauthausen-Komitees heben die Tafel an, schleppen sie zu einem Grab und legen sie behutsam auf ein Kiesbett.

Es ist still im Judenfriedhof in Steyr, fast göttliche Ruhe. Jede Biene hört man in dem Hof summen, zu dem ein Scheunentor führt, für das der Obmann des Mauthausen-Komitees Karl Ramsmaier den Schlüssel geholt hat. Szaszi verharrt eine Gedenkminute lang in Stille und legt dann nach jüdischem Brauch einen Stein auf die Steintafel. Dann bückt sich auch ihr Cousin, Istvan Szabo, zu dem Grab. In der Platte eingraviert ist der Name Dr. Bela Szabo.

Eine Fotografie zeigt den jungen Rechtsanwalt im weißen Freizeitanzug, wie er die Jacke bei einem Ausflug auf den Plattensee elegant über die Schulter geworfen hat. Auf einer Porträtaufnahme fallen die warmen Augen des Mannes auf, der in der Blüte seines Lebens stand. „Wir bekamen 1946 den Personalausweis von Bela Szabo zugeschickt, den er noch aus dem Königreich Ungarn hatte“, erzählt Istvan Szabo. Julia Szaszi erfuhr damals von den österreichischen Behörden, dass ihr Vater in Gunskirchen, dem Endpunkt des „Todesmarsches“ der ungarischen Juden, ums Leben gekommen sei.

Jahrzehnte später tat sich im Holocaust-Museum in Budapest ein weiterer Hinweis auf. Demnach wurde der Rechtsanwalt von den NS-Schergen in Ternberg erschossen. Ein E-Mail an Ramsmaier vom Steyrer Mauthausen-Komitee brachte die Gewissheit: Nach der Befreiung ließen die Amerikaner die glühendsten Nazis des Ennstales selber die Gebeine der Ermordeten aus einer Grube exhumieren, in der diese die Leichen nach dem Massaker in Ternberg verscharrt hatten. Die Staatsanwaltschaft brauchte Spuren von Gewehrkolben und Einschüssen an den Knochen als Belastung gegen die Kriegsverbrecher. Die Toten wurden nach der Beweisaufnahme in Steyr beerdigt.

Die Welt kann klein sein. Nur ein paar Häuser vom jüdischen Friedhof entfernt drückte im Jahr 1904 Adolf Hitler im Gymnasium bei der Michaelerkirche die Eselsbank. „Er war ein schlechter Schüler“, erzählt Ramsmaier. Für Istvan Szabo hat die Geschichte wenigstens in Steyr ein paar gute Schüler, die aufpassen: „Für mich ist der Besuch eine Familienangelegenheit. Aber es tut gut, dass es dieses Komitee hier gibt.“

Wer nach einer Kartoffel griff, wurde erschossen

Die Mörder waren Einheimische: In Ternberg haben kurz vor Kriegsende Volkssturmleute 16 völlig erschöpfte Juden erschossen, darunter den Rechtsanwalt Dr. Bela Szabo. „Ich habe gesehen, wie sie Gras ausgerissen haben vor Hunger, und Rüben. Wenn sie erwischt wurden, wurden sie brutal ausgepeitscht“, erinnerte sich eine Zeitzeugin gegenüber dem Steyrer Mauthausen-Komitee.
Im März und April 1945 wurden Tausende Juden, die im Burgenland den „Südostwall“ als Zwangsarbeiter errichten mussten, nach Mauthausen und weiter nach Gunskirchen getrieben. Die Nazis wollten verhindern, dass die KZ-Häftlinge von der heranrückenden Roten Armee befreit werden und von den Gräueltaten erzählen können. Der Auftrag an die Bewacher lautete, dass höchstens zehn Prozent den „Todesmarsch“ überleben durften.
Unfassbare Barbarei zog sich durch das ganze Tal. Vereinzelt gab es in der Bevölkerung Versuche, den geschundenen Menschen etwas Brot oder gekochte Erdäpfel zuzustecken. Die Wachen reagierten brutal und die Sadisten im Braunhemd ließen ihren krankhaften Trieben freien Lauf. Auf Häftlinge, die sich nach einer Kartoffel bückten, wurde geschossen. Wer am Straßenrand niedersackte, wurde mit Gewehrkolben erschlagen. In Ternberg wurden 30 in einer Grube verscharrte Opfer exhumiert, darunter auch die sterbliche Hülle von Bela Szabo.   

 

Drei Fragen an Karl Ramsmaier
Mauthausen-Komitee, Steyr

OÖN: Sie befassen sich im Mauthausen-Komitee mit Geschehnissen, die lange zurückliegen. Warum dennoch?
Karl Ramsmaier: Wir wollen sozusagen Widerstand im Nachhinein gegen das Nazi-Regime leisten. Das ist wichtig. Denn wenn niemand die Erinnerung an das Konzentrationslager in Steyr wach hält und den jüdischen Friedhof nicht pflegt, dann hätten die Nazis doch noch ihr Ziel erreicht, dass das jüdische Leben und die Menschen in Steyr endgültig und für immer ausgelöscht wären.
OÖN: Gedenkarbeit wird von manchen als ehrbare Nebensache gesehen.
Karl Ramsmaier: Die Aufarbeitung hat für Steyr selber einen handfesten Nutzen. Es tut dem Ruf der Stadt gut, dass internationale Besucher merken, dass hier die Verbrechen, die damals an ihren Angehörigen begangen wurden, den Einheimischen nicht egal sind.
OÖN: Ein weiteres Projekt ist der „Stollen der Erinnerung“ unter dem Schloss Lamberg, der Mai 2013 fertig sein soll.
Karl Ramsmaier: Für den Stollen wurden KZ-Häftlinge geschunden. An diesem Ort wird die Enge und Perspektivenlosigkeit des Nazi-Systems gezeigt – nicht irgendwo am Rand, sondern mitten in der Stadt.

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