Jubelgesänge auf Türkisch: Wenn eine Multi-Kulti-Truppe den Titel holt
LINZ. Die SV Urfahr 1912 krönte sich heuer als erster Linzer Fußballklub zum Meister.
„Sampiyone, Sampiyone“, hallte es am Montag um 18.50 Uhr über die Urfahraner Donaulände. Mitten im Jubel schleicht sich Kapitän Engin Kahraman von hinten an mich heran und verpasst mir mit einem 2-Liter-Krug eine eiskalte Bierdusche. Wir haben es geschafft. Nach 21 Spielen mit 20 Siegen und einem Unentschieden ist die SV Urfahr 1912 Fußballmeister der 2. Klasse Nord-Mitte – als erste Linzer Fußballmannschaft, die sich heuer den Titel sichern konnte. Die 2. Klasse ist zwar nicht die Champions League, sondern die unterste Spielklasse im oberösterreichischen Unterhaus, doch meine Freude könnte größer nicht sein. Seit 20 Jahren hüte ich mehr oder weniger erfolgreich Tore in den unterschiedlichsten Amateurligen, doch ist es für mich der erste Meistertitel meiner Karriere.
Dass bei uns mit einem türkischen Jubelgesang der Titel gefeiert wird, ist kein Zufall. Das Team, das von Voest-Legende Fritz Ulmer trainiert wird, ist nämlich ein ganz schön bunter Haufen. Türken, Bosnier, Albaner, ein Serbe, ein Engländer – und mit mir sogar ein gebürtiger Niederösterreicher – beweisen, dass Integration bei der SV Urfahr nicht nur eine Floskel ist. Der Sport verbindet uns und niemanden interessiert es, ob abseits des Spielfeldes jemand an den lieben Gott, an Allah oder an gar nichts glaubt.
Auf manchen gegnerischen Sportplätzen freilich wurde das anders gesehen. Dass unsere Spieler nicht Hans und Karl, sondern Ekrem und Asmir heißen, veranlasste nicht wenige Zuschauer zu verbalen Rülpsern aus der Rassismus-Schublade. Aber vielleicht hat uns gerade das noch mehr zusammengeschweißt.
In der kommenden Saison geht für unsere Multi-Kulti-Truppe die Punktejagd in der 1. Klasse weiter. Auch dort ist der Meistertitel das erklärte Ziel. Immerhin will der Verein wieder an glorreiche Zeiten anknüpfen. In den 1950er-Jahren gelang dem Verein sogar der Aufstieg in die Staatsliga B (heute: Erste Liga) und bis in die 1980er-Jahre war man Fixbestandteil der Landesliga. Ganz soweit wird es unsere Spielergeneration zwar nicht mehr schaffen, doch zumindest einmal wollen auch wir noch „Sampiyone“ singen.
Stefan Fröhlich (27) ist Wirtschaftsredakteur der OÖN und Torhüter der SV Urfahr 1912.