"Unser Ziel ist, zeitgeschichtlichen Input an den Schulen zu leisten"
WALDKIRCHEN. Projekt "Bettlerlager": Der Obmann des Tourismus- und Kulturvereins Waldkirchen, Herbert Strasser, plädiert dafür, nie zu vergessen, was in der Vergangenheit in der Region passiert ist
Die Tatsache, dass von 1935 bis 1938 ein Haftlager für Bettler unweit der Schlögener Schlinge betrieben wurde, ist heutzutage so gut wie unbekannt und hat in ganz Oberösterreich sonst nicht stattgefunden. Diese sowohl heimat- als auch zeitgeschichtliche Lücke wollen Mitglieder des Tourismus- und Kulturvereins Waldkirchen mithilfe von verschiedenen Medien nun schließen. "Mit der Realisierung des Lagers wollte man dem Problem des sogenannten Wanderbettelns, ausgelöst durch die Wirtschaftskrise der 1930er Jahre und der großen Armut der Bevölkerung, Herr werden", sagt Herbert Strasser. Aufmerksam gemacht auf das Thema wurde der Bürgermeister beim Erstellen des Waldkirchner Heimatbuches. "Als Berater bei dem Projekt stehen uns die Experten Jürgen Heib und Konsulent Thomas Scheuringer vom oö. Volksbildungswerk mit Rat und Tat zur Seite", sagt Strasser.
Ein Stück Geschichte der Region
Thomas Scheuringer berichtete bereits im 17. Band der Schriftenreihe "Der Bundschuh" des Museums Innviertler Volkskundehaus ausführlich über das Phänomen "Bettlerlager" in Schlögen, das in den Jahren 1935 bis 1938 in der Ortschaft Vornwald an der Gemeindegrenze zu St. Agatha existierte. Und unter dem Titel "Die Politik warf einmal ganz dunkle Schatten zu uns ins Donautal" beschreibt Jürgen Heib im Buch die Hintergründe und Umstände, die zur Errichtung eines derartigen Bettlerlagers führten.
"Es ist mir wichtig, dass die Geschichte der Region aufgearbeitet wird. Wir sollten nie vergessen, was zu dieser Zeit hier passiert ist. Das ‘Bettlerlager’ war aber keine Einrichtung der Nationalsozialisten, sondern wurde sofort geschlossen, als diese hierher gekommen sind", sagt das Gemeindeoberhaupt. Das "Bettlerlager" in Waldkirchen sei in der damaligen Zeit ein Vorzeigeprojekt gewesen. "Es hat sich dabei nicht um ein Barracken- beziehungsweise Straflager gehandelt. Es gab dort sogar eine eigene Gendarmeriestation und die Leute haben dort gearbeitet, wie zum Beispiel beim Bau der Bundesstraße", sagt Strasser. Es sei exakt recherchiert worden, wo sich das Lager ganz genau im Gemeindegebiet befunden hat. "Das Gelände dort ist jetzt natürlich ganz anders. Wir wollten aber natürlich zu einhundert Prozent sicher sein, dass sich das ‘Bettlerlager’ auf Waldkirchner Gemeindegebiet befunden hat." Die Thematik soll mit Hilfe von unterschiedlichen Medien verständlich der Bevölkerung nähergebracht werden. "Wir werden ein kleines Buch gestalten und auch eine Info-Tafel an der Stelle anbringen, wo das ‘Bettlerlager’ damals war. Besucher sollen dort auf einen Blick erfahren, was genau hier vor sich gegangen ist. Einen Folder für Touristen haben wir auch geplant."
"Forum-Theater" an Schulen
Doch nicht nur Erwachsene sollen mit dem Projekt angesprochen werden, sondern vor allem auch Jugendliche. "Ein zentrales Element stellt die Kooperation mit Schulen dar. Jürgen Heib wird die Aspekte des ‘Bettlerlagers’ in Form eines sogenannten ‘Forum-Theaters’ den Kinder der dritten und vierten Klassen der Neuen Mittelschule Neukirchen am Walde und St. Agatha näherbringen. Das Besondere daran ist, dass dabei improvisiert wird und die Schüler aktiv mitgestalten können", sagt Strasser. Weiters sei eine Kooperation mit dem Gymnasium Dachsberg geplant.
Die öffentliche Präsentation des Projektes "Bettlerlager" beziehungsweise die Auftaktveranstaltung in Waldkirchen wird voraussichtlich Ende Oktober im Seminarhotel Wesenufer stattfinden. "Dort wird auch erstmals das ‘Forum-Theater’ aufgeführt und das Buch präsentiert. Laufen wird das Projekt bis Mitte 2021", sagt Strasser.