Wenn der Bergdoktor ruft
Die Region Wilder Kaiser gilt als Pilgerstätte der Fans der TV-Serie "Der Bergdoktor". Bernhard Lichtenberger hat versucht, dem Phänomen auf den Grund zu gehen.
Das Telefon im Büro des Tiroler Tourismusverbandes Wilder Kaiser läutet. "Welche Impfungen brauchen wir denn, wenn wir zu euch kommen?", fragt der Anrufer. Dem verdutzen "Wieso?" erwidert er: "Ja bei euch gibt’s doch so viele Krankheiten!"
Den Humus, auf dem skurrile Anekdoten wie diese blühen, bereitet die Fernsehserie "Der Bergdoktor" auf. Denn der Titelheld, Dr. Martin Gruber, gibt sich mit einem Schnupfen nicht ab. Seine Klientel ist nicht einfach unpässlich, sondern laboriert an einer Beckhoff’schen Enzephalitis, leidet an Mukoviszidose und wird von einer Autoimmun-Reaktion geplagt, die zum Versagen der Organe oder zum Tod führen kann.
Gesund für die Region
Gesund ist das Spiel mit den besonderen Leiden für die Gemeinden Going, Ellmau, Scheffau und Söll. Vor der majestätischen Kulisse des Bergmassivs des Wilden Kaisers hat die "Neue Deutsche Filmgesellschaft" seit 2007 hier 97 Folgen gedreht. Am 14. Juni fällt die erste Klappe zur zehnten Staffel. An den Drehorten gibt die Produktion pro Jahr etwa 1,25 Millionen Euro für die Unterbringung des Trosses, Verpflegung, Anmietungen etc. aus.
Noch stärker wirkt die Anziehungskraft, die von der Fiktion auf die Wirklichkeit übergeht. Wenn der vor 46 Jahren im steirischen Rottenmann geborene Mime Hans Sigl an Donnerstagen um 20.15 Uhr auf ZDF und ORF ordiniert, schauen ihm in Deutschland durchschnittlich knapp sieben Millionen Menschen auf die heilenden Finger. In Österreich sind es satte 750.000. Nicht alle begnügen sich damit, den Wunderwuzzi unter den praktischen Ärzten dieser Welt via Bildschirm in ihre Wohnzimmer zu lassen. Sie möchten dem Mann, der alles weiß, alles kann, fast alles heilt und lediglich in Liebesdingen ein etwas unstetes Dasein führt, noch näher kommen. So haben sich die Drehorte im Laufe der Jahre zu Pilgerstätten für die Anhängerschar gemausert. Zweimal im Jahr rufen die Touristiker im Tal Bergdoktor-Wochen aus, die jeweils ein Fan-Tag krönt, an dem sich die Begierde in erster Linie auf Hans Sigl richtet.
Wirtin Susanne Dreiseitl (Natalie O’Hara) dient sich in Going als Pappkameradin an.
So nah am Idol
Freitag, 27. Mai 2016, 14 Uhr, OÖN-Lokalaugenschein in Söll: Auf dem rundum abgeriegelten Ortsplatz stehen Sessel und Biertischgarnituren in Reih’ und Glied. Als Hans Sigl im legeren Holzfällerhemd die Bühne betritt, brandet der Jubel der Ärzte-Jünger auf, deren Zahl mit 950 begrenzt wurde. "Hallo iPhones, Handys, Tablets, grüß’ euch von nah und fern", sagt der Schauspieler in Anspielung auf die multimediale Gerätschaft, die ihm entgegengereckt wird. Das Idol will schließlich in die digitale Ewigkeit mitgenommen werden.
Schaut echt aus: Uni-Diplom in der Arzt-Praxis
Bevor sich der Bergdoktor von seinen Mitspielern Monika Baumgartner (Mama Gruber), Natalie O’Hara (Wirtin Susanna Dreiseitl) und der 19-jährigen Innsbruckerin Ronja Forcher (Tochter Lilli Gruber) sekundieren lässt, stellt er sich den Fragen der Fans. "Wenn Sie in den Bergen zum Retten unterwegs sind, klettern Sie da selber?", will Gerlinde aus dem Badischen wissen. "Ja – wobei mir das Abseilen lieber ist ... wenn Sie mich verstehen", kommt es augenzwinkernd zurück. "Hans, du bist deinem grünen Mercedes treuer als den Frauen", wagt sich einer schmunzelnd ins Intime vor. "Das Auto hat den Martin Gruber auch nie im Stich gelassen", retourniert der schlagfertige Darsteller souverän. Ulf, ein Franke, warnt: "Pass auf, wenn du auf der Bank beim Gruberhof ein Glaserl Wein trinkst. Da steht ein Nagel raus. Meine Hose ist kaputt."
Der TV-Gasthof „Wilder Kaiser“ am Dorfplatz
Der Gruberhof liegt 1000 Meter hoch über Söll. Tatsächlich heißt der Hort der Bergdoktorfamilie aber Köpfinghof und gehört seit 1974 der Familie Mayr, die ihn in Schuss hält. Der Standort des entzückenden, 400 Jahre alten Gebäudes ließ sich nicht lange geheim halten. Um die Pirsch der Drehort-Jäger in gesittete Bahnen zu lenken, lassen die Mayr-Töchter montags bis freitags von 10 bis 14 Uhr für einen Obolus von fünf Euro Neugierige ein. Dafür dürfen diese ein Auge auf den Tisch werfen, an dem die Gruber-Brüder Probleme wälzen, oder in Martins Zimmer im Bücherregal Werke wie Guy de Maupassants anregende "Abenteuer einer Pariser Kokotte" oder Werner Schöllgens moralpsychologische Studie "Arzt, Seelsorger und Kurpfuscher" entdecken. Oder "Winnetou I", weil es Patienten vielleicht beruhigt, dass ein Indianer keinen Schmerz kennt. Und bevor es wieder talwärts geht, gibt’s noch ein Schnapserl.
Da schmeckt der Kaffee gleich besser.
In einer bereits 2011 durchgeführten Studie gaben 71,4 Prozent der Befragten die Serie "Der Bergdoktor" als Grund für ihren Urlaub am Wilden Kaiser an. Sie zieht es zum Dorfplatz von Going, wo sie an die Tür des blumengeschmückten Hauses klopfen, auf dem Gasthof "Wilder Kaiser" steht. Dabei hat der Geschwendtner Hans, der hier wohnt, eh einen Zettel in den Speisekarten-Aushang gesteckt, den es nur für den Film gibt. "Privat! Unbefugter Zutritt verboten", steht darauf. "Wenn gedreht wird", sagt er schelmisch, "muss i mi im Zimmer einsperren. I bin froh, wenn sie kommen, und froh, wenn sie wieder gehen."
Bergdoktor-Pflaster
Mindestens so gerne heimgesucht wird die "Bergdoktorpraxis" in Ellmau. Wenn die Kameras laufen, tummeln sich hier bis zu 300 Schaulustige. Hans Leitner, langjähriger Bürgermeister, kümmert sich täglich darum, dass die Blumen am Holzhaus, das seit gut 100 Jahren in Familienbesitz ist, genug Wasser bekommen. Dienstags und freitags wird von 10 bis 12 Uhr ein Blick hinter die Kulissen erlaubt, und wer mag, wirft seine lieben Briefe an den Bergdoktor ins Postkastl. Davor pflanzt sich ein Stand mit Fanartikeln auf – vom Martin-Gruber-Kühlschrankmagnet über Kaffeehäferl bis zum "Bergdoktor-Pflaster reicht das Angebot. Leitner, der als Präsident des hiesigen Golfclubs mit Hans Sigl die eine oder andere Runde spielt, schätzt die Serie "mit jungen Leuten in einer schönen Gegend. Und man weiß, dass es gut ausgeht."
Idyllisches Naturjuwel hoch über Scheffau: der Hintersteiner See
In diese idyllische Vorstellung fügt sich der hoch über Scheffau gelegene Hintersteiner See perfekt ein. Das malerische Naturjuwel zeigt sich während der Spurensuche genauso wie man es aus dem Fernsehen kennt – in strahlendem Sonnenlicht. Denn der "Bergdoktor" kennt kein Schlechtwetter. Ist es draußen "schiach", macht sich das Team das Leben mit Innenaufnahmen schön.
Am Uferweg mit Ronja vulgo Lilli Gruber unterwegs, gerät ein entgegenkommendes Urlauberpaar im Nu völlig aus dem Häuschen. "Das ist ja irre", ruft der gestandene Herr und drückt die junge Schauspielerin. "Erich, mach’ ein Foto", kreischt seine Frau. Da ist es wieder, das Phänomen "Bergdoktor".
Wir sind zu sechst in zwei Autos gekommen. Warum? Weil der Bergdoktor lustig, sympathisch und unterhaltsam ist. Es ist einfach eine gute Serie.“
Julia Berer, die 23-Jährige aus Hochburg-Ach verfolgte alle neun Staffeln mit „Bergdoktor“ Hans Sigl
Rund um den Bergdoktor
7,7 Millionen Zuseher verfolgen im Schnitt in Österreich und Deutschland eine „Bergdoktor“-Folge im TV.
Hans Sigl als Dr. Martin Gruber ist nicht der erste Bergdoktor. 1992 bis 1997 wurden 96 Folgen in sechs Staffeln auf Sat. 1 ausgestrahlt, zuerst mit Gerhart Lippert als Dr. Thomas Burgner, dann mit Harald Krassnitzer als Dr. Justus Hallstein.
Tourismus: Was bietet die Region? www.wilderkaiser.info
Interview: "Bergdoktor" Hans Sigl im Interview über Fans, Berater und Show-Einladungen.
diese Serie ist eine gelungene Werbung für den Tourismus, ich hoffe sie sind auch an den Kosten beteiligt
Das ist aber schon alles
Großartig Belli, da möchte man ja gleich hin