Ein Broadway-Erfolg, der in die Jahre gekommen ist
Musical: Premiere der merkwürdig statischen wie routinierten Gastproduktion "Chicago" im Linzer Musiktheater
Das Problem mit über Jahre gepflegten Original-Inszenierungen von Musicals ist, dass sie irgendwann wie von gestern über die Rampe kommen. Dieses Schicksal überfiel die 1975 entwickelte und weltweit tourende Krimikomödie "Chicago" von John Kander und Fred Ebb bei der Premiere am Mittwoch im Linzer Musiktheater. Während sich dieses Genre in den vergangenen 20 Jahren enorm entwickelt hat, wirken Personenführung und Dramaturgie bei diesem Broadway-Hadern trotz des Tempos merkwürdig statisch. Jener Tiefgang, den das Schicksal der Männer mordenden Nachtklubsängerin Roxie (Carmen Pretorius) entfalten könnte, wird um den Preis leichter Verdaulichkeit planiert. Immerhin verspricht sich die blonde Verführung von ihrem Mord an Liebhaber Fred Publicity, knabbert aber am Ende an der medialen Flüchtigkeit von Sensationen.
Die zentral auf einer dem Publikum zugeneigten Ebene (mehr Bühnenbild gibt es nicht) auf die Pauke hauende Band hemmt die Entwicklung des Plots. Bei dieser Wucht hat auch Carmen Pretorius Schwierigkeiten, ihre dünne Stimme in den Zuschauerraum zu tragen. Und der Blick des Publikums verzieht sich immer wieder zu dem heiter mitspielenden Dirigenten Bryan Schimmel, wenn die Klischees des umworbenen Staranwalts Billy (Craig Urbani) und des herzigen Tollpatschs Amos (Grant Towers), der sich als Roxies Ehemann unsichtbar fühlt, abgearbeitet werden. Die in Wechsel-Rollen beanspruchten Tanz-Mannsbilder mit beeindruckenden Körpern kommen einem wie die Chippendales vor – mit ähnlicher Botschaft.
Dass sich der Abend auf Englisch auf die gemeinsame Show von Roxie und Velma (bravo: Samantha Peo) zuwälzt, wäre kein Problem, hätte man auf Textdeutlichkeit für Nicht-Amerikaner geachtet. Die meisten Besucher studieren die Übersetzungen auf den Sitzbildschirmen.
Ob der Routine des Tourneetheaters mag trotz der Negligés kaum etwas knistern. Dem Spannungsbogen steht das Nummernrevue-Format im Weg.
Im zweiten Teil lichten sich manche Sitzreihen, nach zweieinhalb Stunden leitet die Band dennoch zum rhythmischen Klatschen an – und das bekommt sie auch.
Fazit: Das Gastspiel "Chicago" kommt an keine Produktion des Linzer Musical-Chefs Matthias Davids heran. Eine laue Sommer-Unterhaltung, die das Linzer Stamm-Ensemble aufwertet.
Eine treffende Kritik - genauso war's.