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"Jedermann" in Salzburg: Das Kraftwerk auf dem Domplatz

Von Peter Grubmüller, 29. Juli 2011, 00:04 Uhr
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Bildergalerie ER...FFNUNG DER SALZBURGER FESTSPIELE
ER...FFNUNG DER SALZBURGER FESTSPIELE  Bild: APA

Dass der Applaus nach der Jedermann-Premiere über den Salzburger Domplatz donnert, ist Festspiel-Alltag. Was allerdings das heuer zu einem Kraftwerk verschmolzene Ensemble im zweiten Jahr seiner Zusammensetzung abliefert, zählt sogar in Salzburg zu den Glücksfällen.

Es muss gestorben werden. Auf diesen Schrecken kann man sich beim „Jedermann“ verlassen. Auch sonst weiß man so gut wie alles über dieses Stück. Alle „Jedermann“-Regisseure sind mit der Aufgabe konfrontiert, die Erfindung von Festspiele-Gründer Max Reinhardt und Autor Hugo von Hofmannsthal zu modifizieren, aber im Kern zu bewahren. Dieses Kunststück gelingt Regisseur Christian Stückl seit 2002, aber nicht immer machte die Truppe so blendend mit wie die aktuelle in ihrem zweiten Jahr.

Eric Bechtolf, der ab 2012 werkende Schauspiel-Chef der Festspiele, wird jauchzen, dass Stückl diese Woche ankündigte, zumindest ein, vielleicht noch zwei Jahre zu bleiben.

Schmerzlich nachspürbar

Nicholas Ofczarek führt auf der Bühne die Geschäfte. Sein „Jedermann“ ist ein Kerl, kein Bub. So einer würde der mehr als selbstbewussten „Buhlschaft“ (Birgit Minichmayr) auch egal sein. Wie er um Aufschub kämpft, dem Unausweichlichen doch noch zu entrinnen, wie er als übermütiger Dreikäsehoch besoffen von Selbstliebe und gefangen im Körper eines Mannes in den besten Jahren Dienstboten erniedrigt, wie er um Begleitung auf seinem letzten Weg ringt – das alles ist bei Ofczarek schmerzlich nachspürbar. Er lässt keinen Zweifel daran, dass sich so ein Schickimicki-Dandy keine Gnade verdient hat.

Birgit Minichmayr zieht die Schraube der Emanzipierten an. Als Jedermann ein unkalkulierbarer Faktor wird, unterhält und dirigiert sie die Tischgesellschaft. Sie hat bekommen, was sie wollte. Die Suppe soll er alleine auslöffeln.

Ben Becker ist in seinem dritten Jahr ein „Tod“, dem das Schicksal Jedermanns um eine Spur zu nahe geht. Beinahe so, als hätte er den reichen Taugenichts lieb gewonnen.

Thomas Limpinsel und Felix Vörtler – die „Vettern“ – hofieren „Jedermann“ als speichelleckende Komiker. „Gott“ und „Armer Nachbar“ Martin Reinke mischt eine gesunde Portion Pathos in sein Flehen und Klagen.

Allein Peter Jordan ist das Geld schon wert. Er ist wie geschaffen für den Possen reißenden und wie irre argumentierenden Teufel im öligen Unterwelt-Outfit. Als überheblicher „Guter Gesell“ triumphiert er mit dem gegenteiligen Temperament des üblen Charakters.

Elisabeth Rath stellt die Mensch gewordene, unverbesserliche Güte einer „Mutter“ auf die Bühne, und „Mammon“ Sascha Oskar Weis illustriert die erotische Kraft des Geldes, die der Menschheit vormacht, dass Liebe bezahlbar sei.

Die einzige Neubesetzung ist Lina Beckmann als „Gute Werke“, anstelle von Angelika Richter, die ein Kind bekam. Wie in einer Traumwelt tapst sie ängstlich in „Jedermanns“ Umgebung herum. Von ihrem Herrn übersehen, wird sie vom Mundgeruch des Teufels umgeworfen, aber mit dem gewinnendsten Lächeln auf Erden. Sie stellt sich dem Bösen in den Weg, weiß aber in jedem Moment, dass mit ihrer Statur nichts zu gewinnen ist.

Das schwermütige Lehrstück tollt mit einer fabelhaften Leichtigkeit über den Domplatz. Als nach zwei Stunden der Jubel anhebt, unterbricht Ofczarek den Applaus. Er will Sybille Fuchs zum Weinen bringen. Er holt die Souffleuse aus ihrem „Hundehäuschen“ – wie er es nennt – auf die Bühne und überreicht ihr den „Buhlschaft“-Kelch aus der Produktion von 1986. Fuchs ist seit 25 Jahren beim „Jedermann“. Ihr Job ist es, nicht aufzufallen. Die undankbarste Rolle in diesem prächtigen Ensemble.

 

Der Salzburger „Jedermann“

„Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes“. Hugo von Hofmannsthal adaptierte den anonymen mittelalterlichen „Everyman“, gedruckt in London im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts. Er übernahm Elemente aus der „Comedi“ vom sterbend reichen Menschen von Hans Sachs sowie Lieder des mittelalterlichen Minnesangs.
Max Reinhardt brachte das in Auftrag gegebene Theaterstück am 1. Dezember 1911 im Berliner Circus Schumann vor 5000 Zuschauern zur Uraufführung. Seit 1920 wird das Stück nun jedes Jahr aufgeführt.
Die Handlung des Mysterienspiels ist eine Allegorie des christlichen Weltgefüges, vor dem sich der Mensch – „jedermann“ – verantworten muss.

Der aktuelle Salzburger „Jedermann“ wird seit vielen Jahren von „Ars Antiqua Austria“, dem Alte-Musik-Ensemble unter der Leitung des Oberösterreichers Gunar Letzbor, musikalisch begleitet. „Jedermann“-Bühnenbild und Kostüme: Marlene Poley, Musik: Markus Zwink. Weitere Spieltermine: 2., 6., 9., 15., 16., 19., 20., 22., 26., 29. August.

Informationen unter: www.salzburgerfestspiele.at
 

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2  Kommentare
2  Kommentare
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GunterKoeberl-Marthyn (17.991 Kommentare)
am 29.07.2011 12:29

unser OÖN Redakteur,mit seiner Wortkunst und grandiosen Schilderung noch die Krone auf, oder serviert diese Einmaligkeit wie eine Malenage mit einen feinen Sahnehäubchen.Danke dafür!
Ich habe immer für die Versetzung in die Abendzeit plädiert, die enorme Entwicklung der Bühnentechnik tut ihr weiteres.
Bravo, Bravo!

LEADING TEAM
Christian Stückl, Regie
Marlene Poley, Bühnenbild und Kostüme
Markus Zwink, Musik
BESETZUNG
Nicholas Ofczarek, Jedermann
Birgit Minichmayr, Buhlschaft
Martin Reinke, Gott der Herr
Ben Becker, Tod
Peter Jordan, Teufel
Elisabeth Rath, Jedermanns Mutter
Peter Jordan, Jedermanns guter Gesell
Martin Reinke, Armer Nachbar
Robin Sondermann, Ein Schuldknecht
Britta Bayer, Des Schuldknechts Weib
Robert Reinagl, Der Koch
Felix Vörtler, Dicker Vetter
Thomas Limpinsel, Dünner Vetter
Sascha Oskar Weis, Mammon
Lina Beckmann, Gute Werke
David Supper, Knecht
Riederinger Kinder, Spielansager(in)
Ars Antiqua Austria
Gunar Letzbor, Musikalische Leitung

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( Kommentare)
am 29.07.2011 11:39

Die Gesellschaft hat sich also den "Jedermann" gegeben, die immergleiche Fadesse, mit Ewigjublern und Honoratioren, die die momentane "Dame" ihres Daseins ausführen bzw. vorzeigen, wie kunstfertig da mancher Schönheitschirurg seine Schöne verpfuschte.

Die Minichmayr wird weit über ihren Wert gehandelt, auch bei Jedermann hat sie nicht die Ausstrahlung, die eine Maddalena Crippa auf die Bühne brachte.
Und wer will sich mit Voss anlegen ? Der Nicholas Ofczarek, ........... da lachen ja die Hühner von der Festung herab und nicht die "Jedermann-Schreier".

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