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Gutmensch trifft auf das Böse

Von Von Silvia Nagl, 28. September 2009, 00:04 Uhr
Gutmensch trifft auf das Böse
Faszinierende Bühnenästhetik (Karl M. Sibelius rechts oben) Bild: Artner

Es ist eine gar wundersame Phantasiewelt, die uns Regisseur Ong Keng Sen zeigt. So wie auch Bertolt Brecht seiner Phantasie freien Lauf ließ, als er seine Parabel „Der gute Mensch von Sezuan“, 1943 in Zürich uraufgeführt, in einem China angesiedelt hat, das er selbst nie gesehen hat. Eine beeindruckende Inszenierung im Landestheater Linz.

Die Bühne ein kleines Podest auf zarten Bögen wie in Kirchen und Palästen: Symbole für Brecht’sche Religionskritik und Kapitalismusschelte? Sei’s drum, Globalisierung, Arbeitslosigkeit, Kapitalismus, Krise... idealer Zeitpunkt, Brecht wieder auf die Bühnen zu holen. Gerade dieses Stück mit seiner rauen Poesie und dem tragischen Witz bringt uns auf vergnüglich-ernste Weise dazu, über Geld und Moral, Liebe und Enttäuschung nachzudenken.

Brecht lässt drei Götter einen guten Menschen aufsuchen – dies tun sie ausgerechnet im Armenviertel der chinesischen Provinz Sezuan...

Der in China geborene Weltbürger Ong Keng Sen zeigt, wie dereinst Brecht, eine aktuelle Phantasiewelt über ein China der Hochtechnologie und Computerspiele. Im Stile der Atavare, der je nach der Phantasie ihrer realen Erfinder exzentrisch, bizarr, stark oder sexy gestalteten virtuellen Wesen in der Internet-Welt „Second Life“, baut er seine Inszenierung auf. Das Schauspielensemble, in bunt-kreativen Kostümen, bewegt sich wie Computerspiel-Figuren. Sen hat sich offensichtlich intensiv mit dem jeweiligen (Bühnen-)Charakter beschäftigt, lässt die Stärken der einzelnen Schauspieler zur Geltung kommen, setzt Körpersprache, Handbewegungen und Pantomime ein. Dies vielleicht auch deshalb, weil er selbst, des Deutschen nicht mächtig, die Handlung in universell begreifbare Sprache „übersetzen“ will. Dazu dienen ihm Elemente aus der Peking-Oper genauso wie asiatische Kampfsportarten oder Comicfilme. Das Ensemble folgt ihm sichtlich mit großem Vergnügen bei dieser für unseren Kulturkreis ungewohnten Ästhetik. Ebenso wie das Publikum, das sich vom ersten Moment an – schon beim Betreten des Raumes laufen „Second Life“-Videos – dieser Welt nicht entziehen kann. Karl M. Sibelius in der Rolle der herzensguten Prostituierten, die sich – wenn das Gutmenschsein nicht mehr möglich, weil selbstvernichtend wird – in ihren Vetter verwandelt, um das Böse herauszulassen: Großartig, wie er diese Figur einem Hermaphroditen gleich zeigt, ein Zwitterwesen mit den zerbrechlichen Zügen der Frau und dem Machtgehabe eines Karrieristen. Als er am Ende als Gekreuzigter „Hilfe!“ haucht, ist das ein ungemein poetischer Moment – wie so viele Bilder, die Sen in diese grandiose Inszenierung eingebaut hat. Dazu trägt auch ein wirkungsvolles und minutiös ausgeklügeltes Lichtdesign bei.

Pauschales Bravo für alle!

Die Idee, die Götter als Tänzerin auftreten zu lassen, der ein Mädchen die Stimme verleiht, das zwar mit dem Rücken zum Publikum sitzt, dessen große und sanfte Augen aber mannigfach auf Bildschirmen zu sehen sind, ist genial. Die Musik von Paul Dessau wird in der originalen Instrumentenbesetzung live gespielt, das höchst konzentrierte Orchester ist den singenden Schauspielern einfühlsame Unterstützung. Berührend, wie beispielsweise Sebastian Hufschmidt das berühmte Lied vom „St. Nimmerleinstag“ interpretiert, Erich Josef Langwiesner das Lied vom „achten Elefanten“ mächtig intoniert, oder Katharina Hofmann melancholisch „Kauft Wasser“ singt... Allen – Stefan Matousch, Nicole Reitzenstein, Felix Frenken, Manuel Klein, Sabrina Tannen, Eva-Maria Aichner, Nina Sarita Müller, Jing Li – sei ein pauschales Bravo zugerufen.

Ein fantastisch phantasievoller Theaterabend in kurzweiligen drei Stunden.

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