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"Das größte Hemmnis sind gesperrte Grenzen"

Von Sigrid Brandstätter, 26. September 2020, 00:04 Uhr
"Das größte Hemmnis sind  gesperrte Grenzen"
Einschränkungen im internationalen Transport sind für Firmen eine Bedrohung. Bild: Scharinger

Die Unternehmen haben rasch gelernt, Corona in den Abläufen und Lieferketten zu berücksichtigen. Der Logistik-Experte Franz Staberhofer über neues Risikobewusstsein.

Das Logistikum der FH Steyr ist in das Krisenmanagement der Regierung eingebunden. Dessen Leiter Franz Staberhofer über die Veränderungen und welche Gefahren unkalkulierbar bleiben.

OÖN: Ende Jänner gab es erste Warnungen zu Lieferengpässen aus China. Im Februar hieß es, Mitte März werde es in Europa keine Container mehr geben. Rasch war von Werksverlagerungen nach Europa die Rede. Was ist von den Sorgen am Beginn der Corona-Pandemie geblieben?

Staberhofer: Als erste Bilanz muss man sicher sagen, dass die Unternehmen eine große Selbstheilungskraft haben und sehr flexibel mit sich immer weiter verändernden Situationen umgehen. Wie man gesehen hat, ist in Wahrheit nichts ausgegangen.

Was hat sich dennoch verändert?

Die dauerhafte Veränderung betrifft das Risikobewusstsein in den Unternehmen. Man setzt sich ernsthaft mit Risikoanalysen auseinander. Das ist in der Vergangenheit ja nicht passiert. Corona selbst ist in dem Sinn bewältigt, als es ein dauerhafter Inhalt in der Risikobewertung eines Betriebes ist. Denken Sie zurück: Einst war eine kleine Veränderung im Umrechnungskurs zur D-Mark eine große Aufregung in den Betrieben. Heutzutage können Firmen mit großen Währungsausschlägen umgehen. Ebenso geht man mit politischen Risiken um. Genau das hat man im Lieferketten-Management zu tun: mit Unwägbarkeiten umgehen und sich daran gewöhnen, dass Corona ein Risiko-Element unter vielen ist. Die Frage, wann Corona vorbei ist, ist unzulässig. Es ist schlicht zu berücksichtigen. Dazu kommen neue Risikofaktoren auf einer strategischen Ebene: Es kann rasch dazu kommen, dass ein Land Grenzen aufbaut.

Was ja zu den Diskussionen führte, Fertigungen zurückzuholen oder in Europa kritische Produkte selbst herzustellen.

Eine Re-Regionalisierung erlebe ich nicht. Nicht einmal dort, wo man es machen sollte. Schauen Sie sich das Thema Mund-Nasen-Schutz an. Da hat der Werkzeugbauer Haidlmair gemeinsam mit Greiner eine tolle Lösung mit einer zweiteiligen Maske gefunden. Aber auch auf Bundesebene werden die Masken weiter aus China bestellt. Die Taten folgen nicht den plakativen Worten. Was man auf europäischer Ebene machen sollte, klingt zwar ein wenig planwirtschaftlich, nämlich, dass sich jeder Staat auf eines der kritischen Produkte konzentriert und sich dabei abstimmt und austauscht. Das wäre schlau – keine nationalstaatlichen Alleingänge, aber abgestimmtes Vorgehen.

"Das größte Hemmnis sind  gesperrte Grenzen"
Franz Staberhofer, Logistik-Experte Bild: IFL

Was sollte Europa neben den Masken tatsächlich in der Hand haben?

Wenn ich im medizinischen Bereich bleibe: alles, was dem Schutz der Beteiligten dient, also Operationsschutz, Handschuhe. Im Bereich Lebensmittel sind wir in Österreich durchaus gut versorgt. Da geht es eher um legistische Zulassungen. Das ist im staatlichen Krisenmanagement ein Thema, Grundprodukte zu definieren und die Versorgung damit sicherzustellen. Im industriellen Bereich sind Millionen von Einsatzstoffen und Halbfabrikaten im Einsatz. Da ist schwierig zu definieren, was kritisch ist. Da sind es die Rohstoffe, die in der Hand von Fernost-Produzenten sind. Da hat Corona hoffentlich den Geist geschärft, sich um diese zu kümmern.

Hat es das wirklich?

Schon. Um einige Rohstoffe bemüht man sich schon länger. Das ist Corona-unabhängig. Was verstärkt ein Thema wird, ist die Wiederverwertung und die Reparatur von Produkten, auch das ist ein wertvoller Beitrag der Ressourcenschonung, entlastet den Rohstoffverbrauch und damit die Abhängigkeit von Lieferketten. Das würde verdammt viel Sinn ergeben. Man wäre besser beraten, zu diskutieren, vorhandene Produkte in Prozesse wieder reinzubringen. Das würde auch helfen, für eine gewisse Zeit die Selbstversorgung aufrechterhalten zu können. Aber ich warne davor, sich unabhängig machen zu wollen. Österreich ist ein Exportland, wenn Einzelstaatlichkeit das Prinzip wird, dann ist die Bilanz für uns negativ. Ich sehe keinen besonderen Grund zu sagen, wegen Corona will ich mich selbst versorgen. Bei mehr Unabhängigkeit von Asien bin ich dabei, aber nicht innerhalb Europas.

Sie sagen, die Betriebe reagieren flexibel genug. Welche Risiken bleiben?

Das Thema Sicherheit bezüglich Viren – über Corona hinausgehend – ist dazugekommen. Das betrachtet man jetzt anders. Vor allem die Grenzschließungen sind eine Gefahr. Wenn ein Land dichtmacht, dann ist es dicht. Es geht aber darum, für Materialflüsse die Grenzen planvoll offen zu halten. Das ist das größte Hemmnis, da kann am Ende des Tages kein Unternehmen etwas machen.

Lange galten die Schlagworte Just-in-Time, Just-in-Sequence, also Anlieferung ans Band in der richtig zu verarbeitenden Reihenfolge als erforderlich. Ist das out?

Just-in-Time ist tot – ohne dass darüber gesprochen wurde. Das war eine gute Idee – in einem Lieferradius von 60 Kilometern. Über Tausende Kilometer das zu verlangen, ist Wertvernichtung. Wenn man früher wegfahren, Notlager errichten muss, dann verliert das Prinzip seinen Sinn. Der Umgang mit Lagern wird heute anders gesehen.

Inwiefern?

Nicht nur Geiz ist geil, sondern Versorgungssicherheit ist wichtig geworden. Die Lager werden eindeutig aufgestockt. Die schlauen Firmen haben schon im Jänner begonnen, Bestände aufzubauen, und eine längere Versorgungssicherheit gehabt. Damit beschäftigen wir uns auch forschungsmäßig: Mit Early Warnings.

Worum geht es dabei?

Zu versuchen, heute zu erkennen, was morgen ist. Es geht um Handelskriege, Cybercrime, Blackouts, Produktfälschungen, Rohstoffverfügbarkeit oder etwa internationale Transporteinschränkungen. Wenn sich Firmen dieser Faktoren bewusst sind und Early Warnings definieren, haben sie Zeit, sich darauf einzustellen. Denken Sie an den Handelskonflikt rund um Huawei. Kommunikationsfirmen sind rasch von Risiken betroffen, Maschinenbauer, bei denen Huawei-Produkte verarbeitet werden, trifft das Thema erst später. Wenn man sich dessen bewusst ist, dann sollte ich eine andere Marke in die Maschine auch einbauen können.

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Autorin
Sigrid Brandstätter
stellvertretende Leiterin Ressort Wirtschaft
Sigrid Brandstätter

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