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Olympia in einer anderen Welt

Von Reinhold Pühringer aus Tokio, 07. September 2019, 00:04 Uhr
Tokio - eine Stadt zwischen Tradition und Moderne Bild: gepa

Tokio 2020: Japan ist bereit für die Olympischen Spiele. Doch ist die Welt auch bereit für Japan? Eine Suche nach den kulturellen Zwischentönen.

"Zutritt verboten", prangt es in japanischen Schriftzeichen an den Absperrungen. Noch gleicht das neue Nationalstadion in Tokio einer Baustelle. Am 24. des nächsten Juli soll genau hier, im 67.000 Zuschauer fassenden Oval und vor den Augen der ganzen Welt, das Feuer für die 32. Olympischen Sommerspiele entzündet werden. Sorgen, die Arbeiten würden nicht rechtzeitig fertig, sind unbegründet. Im Land der aufgehenden Sonne ist eher das Gegenteil der Fall. Während andere Olympia-Ausrichter in der Vergangenheit bei der Bereitstellung der Infrastruktur in Zeitnot gerieten, sind die Japaner – wenn man so will, analog zu ihrer Zeitzone – früher dran.

Getestet, gemessen, verbessert

Das neue Stadion sowie die 42 weiteren Sportstätten – darunter acht, die schon bei Tokios Olympia-Premiere 1964 erbaut wurden – sind "zu 85 Prozent fertig", wie Masa Takaya, Sprecher von Japans Olympischem Komitee, angibt. Dies ist allerdings nur ein Teil der Vorbereitung. Angefangen bei Vorkehrungen gegen die drohende Hitze über eigens designte Olympia-Taxis, die den groß gewachsenen Nicht-Asiaten mehr Beinfreiheit gewähren, bis hin zur Verwendung neuer Technologien wie unterstützenden Robotern oder alternativen Antriebssystemen – die Organisatoren ziehen alle Register. "Es gab wohl noch keinen Veranstalter, der so gut auf Olympische Spiele vorbereitet war", sagt ÖOC-Präsident und IOC-Mitglied Karl Stoss während eines Lokalaugenscheins.

Tokio wird 2020 Schauplatz der olympischen Spiele. Bild: gepa

Japan ist also bereit. Doch ist auch die Welt bereit für Japan? Schließlich erwartet den Olympia-Besucher im nächsten Jahr gewissermaßen eine andere Welt. Eine Mischung aus Tradition und Zukunft, welche ihresgleichen sucht.

Schon die immensen Anstrengungen für die – laut unabhängigen Schätzungen – 30 Milliarden Euro teuren Spiele lassen den Perfektionismus zutage treten. Auf auftretende Probleme, wie etwa jene mit der Wasserqualität bei den Freiwasserschwimmern und Triathleten, wird rasch reagiert. Im konkreten Fall mit der Errichtung von Wasserbarrieren. Damit nicht genug. "Selbst der An- und Abtransport mit den Bussen wurde durchgespielt", unterstreicht ÖOC-Sportdirektor Christoph Sieber die Detailverliebtheit.

Wo sind hier die Mülleimer?

Der Japan-Tourist merkt rasch, dass Werte wie Respekt und Höflichkeit eine zentrale Rolle spielen. Ein kurzes, demütiges Kopfnicken – quasi als rudimentäre Verbeugung – ist fixer Bestandteil des alltäglichen Lebens. Sei es in der überfüllten U-Bahn oder beim Zahlen an der Supermarktkassa. Völlig konträr also zum hierzulande speziell in Wien so exzessive betriebenen "Motschkern". Höflichkeit und Konformität sind die Grundbedingungen dafür, dass die mehr als 30 Millionen Menschen im Einzugsgebiet Tokios nicht nur einigermaßen miteinander auskommen, sondern dass Japans Hauptstadt die niedrigste Kriminalitätsrate aller großen Weltmetropolen aufweist.

Wobei Konformität schon auf dem Gehsteig, den man im linksverkehrenden Japan auch linksseitig nutzt, oder beim Anstellen am Bahnsteig beginnt und hinauf bis zur überbordenden Bürokratie reicht. "Es sind die kleinen Dinge, auf die hier großer Wert gelegt wird", sagt Ludwig Paischer. Der Salzburger, der 2008 Olympia-Silber im Judo gewann, arbeitet und lebt seit zwei Jahren in Tokio. Kulturelle Gepflogenheiten im zwischenmenschlichen Umgang zu kennen, sei im Geschäftsleben für den 37-Jährigen entscheidend. Das beginnt bei recht banalen Dingen wie der hierarchischen Sitzordnung am Tisch. Demnach hat in Japan die ranghöchste Person nicht zwingend den Vorsitz über. "Sie sitzt immer am weitesten von der Tür weg", erklärt Paischer.

Kurzum: Japan ist einfach anders. Selbst was die Reinlichkeit betrifft. Japaner hinterlassen keinen Müll. Sie nehmen diesen mit, entsorgen ihn zu Hause. Mülleimer gibt es in Tokio daher kaum. Die zugrundeliegende Einstellung wird von klein auf gelebt. Grundschüler putzen ihre Klassenzimmer selbst. Auch die hiesigen Judo-Stars kehren – egal ob Weltmeister oder Anfänger – die Matten ihres Dojos selbst. Während der Fußball-WM in Russland gingen Videos von Japans Fans viral, wie sie nach dem Schlusspfiff auf den Tribünen aufräumten, oder andere von der blitzblanken Kabine von Nippons Kickern. Was in der westlichen Welt als außergewöhnlich registriert wird, gilt in Japan als Selbstverständlichkeit. Demnach würde es nicht schaden, sich beim Blick nach Tokio im kommenden Jahr eine kleine Scheibe von den dort gelebten Werten abzuschneiden.

Katalysierter Wertetransfer

Wobei die bewahrende Grundhaltung auch Schattenseiten birgt. Dass Tattoos jeglicher Art nach wie vor als Mafia-Symbole gelten, ist noch vernachlässigbar. Schwerwiegender sind indes Genderfragen. Erst vor wenigen Jahren wurde das Gesetz dahingehend reformiert, dass Frauen bei einer Scheidung nicht komplett leer ausgehen. Ähnlich rückschrittliches Gedankengut wird deutlich, wenn Vergewaltigungsopfern vorgeworfen wird, den Übergriff provoziert zu haben. Haltungen, die langsam aufbrechen.

Die Spiele könnte somit als Katalysator für eine Werteanpassung dienen. Was dann sowohl für die eine als auch die andere Richtung gilt – und die Welten letztlich näher zusammenbringen könnte.

  • Das Gewusel in Shibuya: Die Shibuya-Kreuzung im gleichnamigen Stadtteil zählt zu den bekanntesten Orten Tokios. Schalten die Fußgängerampeln auf Grün, strömen zur Stoßzeit bis zu 3000 Menschen auf einmal über die Straße. Einen Steinwurf davon entfernt wird während der Spiele das Österreich-Haus sein.
  • Geschichte zum Anziehen: Der Kimono steht wie kein zweites Kleidungsstück für Japans Kultur. Ähnlich anderer Trachten prägen die (übersetzt) „Anziehsachen“ speziell zu feierlichen Anlässen das Stadtbild.
  • Tokios Nationalstadion: Der Bau des ursprünglichen Entwurfs der mittlerweile verstorbenen Star-Architektin Zaha Hadid war wegen der immensen Kosten von rund 3 Milliarden Euro gestoppt worden. Diese Version ist wesentlich günstiger.
  • Gold aus alten Handys: Gold, Silber und Bronze für die Medaillen wurde aus alten elektronischen Geräten extrahiert. Mehr als 6 Millionen Handys wurden dafür gespendet und recycelt.
  • Der Tempel von AsakusaDer Stadtteil Asakusa beherbergt den ältesten buddhistischen Tempel Tokios samt Schrein und der fünfstöckigen Pagode. Deren Geschichte reicht knapp 1400 Jahre zurück.
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