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Lager in den Weltkriegen, Notunterkünfte heute

Von Christian Reisinger, 02. Oktober 2015, 15:00 Uhr
Lager in den Weltkriegen, Notunterkünfte heute
Der Grundriss des ehemaligen Lagers über eine aktuelle Kartenansicht gelegt – das macht die Dimension deutlich. Fotomontage: Verein für Zeitgeschichte

BRAUNAU. Bei den 24. Braunauer Zeitgeschichte-Tagen ging es um historisches Thema, das hochaktuell und brisant ist.

BRAUNAU. Die Braunauer Zeitgeschichte-Tage widmeten ihren diesjährigen Schwerpunkt diesem kontroversen, vielschichtigen und aktuellen Thema Lager. In der Geschichte der Region Braunau spielten Lager zur vorübergehenden Unterbringung von Menschen immer wieder eine bedeutende Rolle. Florian Kotanko, Obmann des Vereins für Zeitgeschichte, präsentierte seine Forschungsergebnisse über das der Öffentlichkeit weniger bekannte Gefangenenlager Braunau-Aching während des Ersten Weltkriegs.

Bereits kurz nach Kriegsbeginn errichtete das in Braunau stationierte, galizische Feldjäger-Bataillon 4 der K.u.K.-Armee und die ersten 300 russischen Häftlinge in Braunau ein Gefangenenlager. Die aus militärischer Sicht günstige Lage – also das gut zu überwachende Gelände, die Mattig zur Wasserver- und -entsorgung und die Verkehrsanbindung – sprachen für den Standort Aching, erläuterte Kotanko. Anfangs für 15.000 Kriegsgefangene ausgelegt, wurde das Lager in den Folgejahren für bis zu 50.000 Mann erweitert.

Lager: Arbeit und Geschäft

Kotanko veranschaulichte auch die rasche Vermischung des militärischen und privatwirtschaftlichen Bereichs während des Krieges. So war die Errichtung des Barackenlagers für private Firmen ebenso ein einträgliches Geschäft wie die Häftlinge generell zu einem erheblichen Wirtschaftsfaktor in der Region wurden. Vor allem für Nahrungsmittel und Brennholz war das Lager ein profitabler Abnehmer. Zudem wurden die Kriegsgefangenen zu Arbeitseinsätzen herangezogen.

Arbeitspartien wurden für zivile Bautätigkeiten, darunter die Verlagerung der Straße in Dietfurt, eingesetzt. Im zweiten Teil seines Vortrags widmete sich Kotanko dem Zweiten Weltkrieg. Er ging ausführlich auf die äußerst spannende Lebensgeschichte des Franz Winds-perger ein. Der 1890 in Braunau geborene Apothekersohn geriet bei einer Aufklärungsmission an der Ostfronst in russische Kriegsgefangenschaft. Florian Kotanko hat den 136 Seiten umfassenden Nachlass des einstigen Wehrmachtssoldaten aufgearbeitet und den Zuhörern eindrücklich von dessen Inhaftierung in Irkutsk und seinen abenteuerlichen Fluchtversuchen berichtet.

Ebenfalls einem Kriegsgefangenenlager im Bezirk Braunau widmete sich Harald Knoll vom Ludwig-Boltzmann-Institut Graz. Der Historiker informierte über das Kriegsgefangenenlager im Weilhartsforst bei Überackern. Das Lager entstand durch die teilweise Evakuierung des Stalag XVIIB bei Krems kurz vor Kriegsende im April 1945. Alle gehfähigen Soldaten marschierten von Krems in das 300 Kilometer entfernte Auffanglager im Weilhartsforst.

Die gefangenen Soldaten der Alliierten, darunter viele US-Piloten, kamen auf ihrem Weg auch beim KZ Mauthausen vorbei. Aus Zeitzeugen-Berichten gehe hervor, erläuterte Historiker Knoll, dass im Zuge des Trecks bei Mauthausen Massenerschießungen von kranken KZ-Häftlingen zu beobachten waren. Am 2. Mai 1945 befreite die 13. US-Panzerdivision das Weilhartsforster Lager. Die US-Kriegsgefangenen wurden sofort wieder in den Dienst übernommen und konnten so als Soldaten, nicht als Kriegsgefangene, heimkehren. Knoll zufolge war dies für die Veteranen ein mental äußerst wichtiger Aspekt.

Vorlage für einen Film

Für die Rotarmisten hingegen brachte die Befreiung nur bedingt eine Verbesserung ihrer Situation mit sich. Die Sowjets internierten ihre heimgekehrten Soldaten in Speziallager, um Überläufer zu identifizieren. Das Kremser Lager, aus dem die Kriegsgefangenen in den Weilthartsforst verlegt wurden, erlangte nach Kriegsende indirekt noch weltweite Bekanntheit: Es diente als Vorlage für Billy Wilders Film "Stalag 17" mit William Holden in der Hauptrolle.

Der Brückenschlag zur Gegenwart gelang den Veranstaltern der Zeitgeschichte-Tage mit Vorträgen von Dr. Markus Benesch, Beamter im Außenministerium und Fritz Orter, dem bekannten Gesicht der ORF-Auslandsredaktion. Orter, der 14 Kriege als Korrespondent miterlebt hat, berichtete über seine letzte Reise in den Irak und nahm ausführlich Stellung zur aktuellen Flüchtlingskrise, "der größten geopolitischen Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg." Ihm zufolge befinde sich der Nahe Osten in einer Phase, die mit jener in Europa vor dem Westfälischen Frieden und dem Dreißigjährigen Krieg vergleichbar sei.

Krieg seit drei Generationen

Der ORF-Korrespondent, der nicht nur ein aufmerksamer Beobachter, sondern auch ein begnadeter Erzähler ist, erklärte damit auch die Flüchtlingsströme der Gegenwart. "Die Menschen wollen einfach nur weg, weil sie den Horror in ihrer Heimat nicht mehr ertragen", nicht verwunderlich, würden doch "drei Generationen der afghanischen Bevölkerung nichts anderes als den Krieg kennen", so der Journalist im Dialog mit den Zuhörern. Er schloss seine Analyse damit, dass wir aktuell "das Scheitern westlicher Versuche erleben, Demokratie am Hindukusch einzuführen", dies sei ein "Kampf gegen Windmühlen."

Wobei der Westen und Russland – als die weltweit größten Waffenexporteure – von der eskalierenden Gewalt immer auch profitieren würden. Aus seiner Erfahrung gab er auch dem Publikum einen wohlweislichen wie höchst aktuellen Rat mit: "Nicht jeder Flüchtling, der in die Kamera weint, sei per se ein guter Mensch. Bei aller Hilfsbereitschaft sollte man daher immer noch einen kühlen Kopf bewahren."

Wie gewohnt boten die Braunauer Zeitgeschichte-Tage den vielen historisch interessierten Besuchern ein fachlich und thematisch gut gewähltes Paket an Vorträgen, Bildmaterial und Informationen. Geschickter als bei der diesjährigen Auflage, der 24., lassen sich Geschichte und Gegenwart nicht verbinden.

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1  Kommentar
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pepone (60.622 Kommentare)
am 02.10.2015 16:00

im Artikel : Krieg seit drei Generationen

absolut richtig geschrieben...
leider ist nun die Umgebung um Braunau FPÖ Blau !!!


ich war gestern Nachmittag wieder kurz am Postamt Linz wo noch Flüchtlinge untergebracht waren und habe Kleidung gebracht...
kurzfristig hieß es gleich kommen 300 ... aber die fuhren mit den Busse gleich weiter ...also bin ich auch gegangen ...

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