„Weinen Sie ruhig, wenn Sie müssen“
LINZ. Natascha Lejas Freund sitzt seit einem Kletterunfall im Rollstuhl. Mit 22 Jahren hat sich die Linzerin deshalb dazu entschlossen, eine Ausbildung zur Krankenpflegeschülerin zu beginnen. Die OÖN haben sie bei ihrem Praktikum begleitet.
Zimmer drei steht am Türschild, daneben das Bild eines Papageis. Natascha Leja schiebt die Türe auf. Es ist kurz nach neun, als sie mit der Körperpflege des zweiten Patienten im Zimmer beginnt. Die 25-Jährige ist seit zwei Wochen Praktikantin auf der Intermediate Care-Station im Linzer Unfallkrankenhaus. In drei Monaten wird sie ihre Ausbildung an der Gesundheits- und Krankenpflegeschule des Berufsförderungsinstituts (BFI) beendet haben.
Natascha Leja taucht den Waschlappen in eine mit Wasser gefüllte Wanne. Sie wäscht die Beine des Mannes, der vor ihr im Bett liegt. Waschen ist nicht gleich waschen. „Gegen die Haarwuchsrichtung wirkt aktivierend, das mache ich jetzt bei Ihnen“, erklärt sie dem Patienten, bevor sie mit der Körperpflege beginnt. Der Mann verzieht das Gesicht zu einem Lachen, als sie zu den Zehen kommt. „Da kitzelt’s.“
Ob es ihr am Anfang schwer gefallen sei, fremde Menschen zu waschen? „Anfangs schon, deshalb ist es gut, dass es vor Ausbildungsbeginn eine Schnupperwoche gibt. Man kann schauen, ob man Hemmungen hat, Menschen anzugreifen, mit ihnen umzugehen“, sagt die 25-Jährige.
Weg vom EinzelhandelPraktika hat Natascha Leja während ihrer Ausbildung schon einige hinter sich gebracht. Mit ihren sechs Betten ist die Intermediate Care-Station im UKH größenmäßig gut überschaubar. „Bei uns liegen Patienten mit Überwachungsbedarf. Wir sind eine Stufe zwischen Intensiv- und Normalstation“, sagt Schwester Sabine, die Stationsleiterin, die mit wirklichem Namen Karin Pascher heißt. „Als ich angefangen habe, gab es schon eine Schwester Karin. Deshalb der andere Name.“
Gemeinsam mit der Stationsleiterin gibt Natascha Leja nach der Körperpflege die Daten des Patienten in den Computer ein. Jede Flüssigkeitszufuhr wird registriert, Medikamente und das Befinden des Patienten eingetragen. Es ist eine lange Liste, die da ausgefüllt wird. Und es sind viele Fachbegriffe, die im Gespräch zwischen den beiden Frauen fallen. „Pharmazie ist ein wichtiger Punkt in unserer Ausbildung“, sagt die Krankenpflegeschülerin.
Schicksalhaftes ErlebnisEs war ein Unfall vor fünf Jahren, der Natascha Leja dazu bewog, vom Einzelhandel in den Gesundheits- und Sozialbereich zu wechseln. „Mein Freund hatte einen Kletterunfall und sitzt seither im Rollstuhl. Da habe ich dann gemerkt, ich möchte Menschen helfen.“ Mit 22 Jahren hat Natascha Leja ihre Ausbildung zur Krankenpflegeschülerin begonnen. „Mit 17 wäre ich dazu nicht imstande gewesen.“
„Ich könnte das nicht“, sagt der Patient, als Schwester Sabine und ihre Krankenpflegeschülerin ihm den Venenkatheter entfernen. Er blickt zur Seite, um kein Blut sehen zu müssen. „Und ich könnte in keinem Büro sitzen, da bekomme ich alle Zustände“, sagt Schwester Sabine, während Natascha Leja ein Pflaster auf die Wunde klebt. Krankenschwester zu sein, bedeutet mehr, als sich nur um die Verletzungen und Krankheiten der Patienten zu kümmern.
„Man muss sehr hellhörig sein. Gerade Männer tun sich oft schwer, Schmerzen zuzugeben.“ Als der Patient von Zimmer drei auf eine andere Station verlegt wird, sagt Schwester Sabine zum Abschied: „Weinen Sie ruhig mal, wenn Sie müssen.“