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Betteln verboten, aber die Armut nicht

Von Alexander Ritzinger, 05. März 2011, 00:04 Uhr
Betteln verboten, aber die Armut nicht
Die kniende Haltung zeigt die Tragödie des Bettelns: Verschämt betrachtet, gleichzeitig ignoriert. Bild: Volker Weihbold

Auf dem Taubenmarkt in Linz wird heute, Samstag, für die Freiheit des Bettelns demonstriert. Denn das soll bald per Landesgesetz verboten werden. Allerdings geht diese Idee weit an einem grundsätzlichen Problem vorbei: Denn wir leben in einem reichen Land, in dem Menschen zu Bettlern werden.

Wer und was ist ein Bettler, eine Bettlerin? Vielleicht könnte es die wissenschaftliche Grundlagenforschung in Österreich sein, die beispielsweise im Vergleich zur deutschen Bundesrepublik oder den US-amerikanischen Staaten leichtfertig vernachlässigt wird?

Oder sind es die schmutzerstarrten Kreaturen, die in einer Welser Fußgängerzone traurig dreinschauen. Ihre Kollegen tun das auch in Steyr und in Linz. Es wird gesagt: Sie sind professionelle Bettler. Das heißt: Sie leben davon, die Hand aufzuhalten. Viele gehen mit einem Schulterzucken an ihnen vorbei.

Eine wirklich sehr geschätzte deutsche Wochenzeitschrift, und damit ist die „ZEIT“ gemeint, legt ihrem Blatt eine Aufforderung bei, Kindern ohne Eltern in Indien oder Afrika mit 20,30 Euro pro Monat eine Ausbildung zu ermöglichen. Ist das ein Aufruf zur Bettelei?

Diese Kinder leben vor der knallharten diebstahlsicheren Wand einer Zukunft, die sie nie in glückliche Tage durchlassen wird. Aber was kann es Besseres geben, als diesen Menschen zu helfen?

Und dann sitzt da jemand auf einem oberösterreichischen Pflaster, der dir ein scheinbar amputiertes Bein entgegenstreckt. Ein winselnder Hund streunt herum, in einem Häferl aus Blech haben sich 20-, 40-Cent-Münzen versammelt. Jetzt rascheln zehn Euro in diesen Napf: „So viel?“, fragt der Mann erstaunt und der ist nicht schein-amputiert, er ist nur ein armer Kerl, der in der Kälte vor einem Einkaufszentrum in Enns sitzt. Keine Ahnung, wie er in dieses Schicksal geschleudert worden ist, oder sich schleudern ließ, warum er hier in einem der reichsten Länder der Welt friert. Dabei geht es ihm ja noch gut. Hier in Oberösterreich, in diesem Land der Wohlfahrt, in dem keiner verhungern muss. Aber in dem es dennoch das so oft gebrauchte abstrakte Wort des „Sozialneides“ gibt.

Betteln als Gefahr

Bettler haben in unserer Kulturgeschichte keinen guten Ruf. Zwar nahmen sich private und kirchliche Institutionen immer wieder dieser Menschen an, (Stichwort: Klostersuppe), aber es gab auch die rigorosen „Bettelverordnungen“, die das Ersuchen um Barmherzigkeit radikal einschränkten.

Bereits im Mittelalter empfand die Obrigkeit das Betteln als Gefahr für ihre Herrschaft. Wenn schon, musste sie gesetzlich geregelt werden: Als die älteste Bettlerordnung im deutschsprachigen Raum gilt jene aus Nürnberg aus dem Jahr 1478. In unserer hoch zivilisierten Zeit herrscht ein Bettelverbot in Wien, seit Kurzem auch in Graz.

Oberösterreich soll jetzt folgen. Vorangetrieben wird dieser Vorstoß vor allem mit den Stimmen der christlich orientierten ÖVP. Das erscheint zunächst verwunderlich. Denn vor allem aus religiöser Sicht ist die Unterstützung, Verpflegung und Beherbergung von Armen und Gebrechlichen ein Werk der Barmherzigkeit. Aber bereits im 16. Jahrhundert ging die englische Gesetzgebung gegen Bettler mit Auspeitschungen und Brandmarkungen vor.

Allerdings muss auf eines hingewiesen werden: Bis in die 1980er-Jahre war der „Bettler“ in den offiziellen indischen Statistiken als anerkannter Beruf geführt worden. Dort wurden wie in vielen anderen armen asiatischen Ländern „Bettelmafias“ geführt.

Diese Untergrundorganisationen entführten oder kauften Kinder, um sie zum Betteln zu zwingen. In Österreich ist das Betteln mit Kindern seit 2005 verboten, Haftstrafen sollen diesem Unwesen einen Riegel vorschieben.

Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert stand im Lexikon „Meyers Enzyklopädie“ zu lesen: „Bettelei unter Vorspiegelung körperlicher Gebrechen oder unter Behauptung falscher Tatsachen wird als Betrug durch die Gerichte geahndet.“

Das Problem der Bettelei haben bereits altrömische und frühchristliche Moralphilosophen ins Visier genommen. Denn das Betteln kann durchaus auch als eine Form der Selbsterniedrigung angesehen werden. Wer dem Bettler vielleicht wohlwollend gibt, erniedrigt ihn gleichzeitig. Keinesfalls erlöst er ihn aus seinem Leid.

Zwischen Arm und Reich

Er bleibt damit in eine Figur des verantwortungslosen Nehmens gegossen. So wird ein System erhalten, das von der Unterscheidung zwischen „Armen“ und „Reichen“ profitiert.

Ferdinand Koller schrieb in seiner Diplomarbeit aus dem Jahr 2009 über das Betteln in Österreich: „Das BZÖ ging im Jänner 2008 mit dem Slogan ,Wir säubern Graz!’ auf Stimmenfang und prangerte diverse Missstände an. Säubern wollte man an erster Stelle vom ,Bettler-Unwesen’. Die Partei zog in den Gemeinderat ein.“

Es stellt sich auch in Oberösterreich die Frage: Wie werden bettelnde Menschen wahrgenommen? Offensichtlich als Bedrohung und Belästigung. Koller schreibt daher in seiner Arbeit, die er in der Studienrichtung „Katholische Religionspädagogik“ eingereicht hat, vom Phänomen einer „sozialen Stadtbildpflege“. Und nicht nur er stellt die Frage: „Ist das Betteln ein menschliches Grundrecht“?

Die Vinzenzgemeinschaft in Graz-Eggenberg ist die einzige Organisation in Österreich, die bettelnden Menschen Unterstützung bei der Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse anbietet. Ganz abgesehen davon ist der Umgang mit bettelnden Menschen von Strafen geprägt, also enorm repressiv.

Was wird von juristischer Seite unter Bettelei verstanden? Koller zitiert einen Spruch des Oberlandesgerichtes Köln aus dem Jahr 1961. „Man versteht darunter die Bitte um Gewährleistung eines geldwerten Geschenks, die sich auf wirkliche oder angebliche eigene Hilfsbedürftigkeit oder solche einem der Täter nahe stehenden Person stützt und die Mildtätigkeit einer Person in Anspruch nimmt, zu der keine entsprechenden persönlichen Beziehungen bestehen.“

Für die „geldwerte“ Gabe wird also keine Gegenleistung erbracht, außer einem scheuen Blick oder einer absichtlich inszenierten Täuschung.

Nur: Wer kann das entscheiden, außer die gängigen Vorurteile? Bildhaft formuliert gilt: Die Darstellung der Bedürftigkeit kann als „Körper der Barmherzigkeit“ bezeichnet werden.

Wie weit Verbotsgesetze gegen das Betteln mit Barmherzigkeit zu tun haben, sei dahingestellt. Aber unser wahrer Reichtum sollte nicht im Geld liegen, sondern in der Nächstenliebe.

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