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Das Nervensystem unseres Planeten

Von Alois Ferscha, 02. Dezember 2015, 00:05 Uhr
Symbolbild
Jedes reale Objekt der Welt, sei es noch so klein, wird eine Abbildung im Internet haben.

Gastbeitrag: Informatik-Professor Alois Ferscha spannt für die OÖNachrichten einen Bogen von der Entstehung des WWW bis zum Internet der Zukunft.

Leonard Kleinrock, Mitte der 30-er-Jahre in New York geboren, legt 1962 seine Dissertation am MIT (Massachusetts Institute of Technology) über eine Methode der Datenübertragung in Computernetzwerken vor. Die Methode ist einfach: Zerschneiden einer Nachricht in Pakete, Nummerierung der Pakete, Empfänger und Absender auf das Paket, und diese durch das Netzwerk schicken – in beliebige Richtungen, in beliebiger Reihenfolge.

Der Empfänger kann die Nachricht mit den Sequenznummern richtig zusammensetzen. Das war die Grundidee der Datenübertragung im Internet, des "Internet Protocol" (IP).

Ein IP-Paket trägt die Sender- und Empfänger-IP-Adresse und die eigentlichen Daten. Am 2. September 1969 (viele der Leser waren da noch nicht auf der Welt) verband Kleinrock an der Universität von Los Angeles den Zentralcomputer der Uni, Sigma7, mit einem sogenannten "Packet Switch", einem IP-Pakete verteilenden Netzwerkknoten. Dieser nahm IP-Pakete der Sigma7 entgegen und schickte sie wieder zurück. Einen Monat später nahm das Stanford Research Institute ebenfalls einen Switch in Betrieb, und nun konnten – erstmals am 29. Oktober 1969 – Datenpakete von einem Computer in Los Angeles zu einem in Stanford hin- und zurücklaufen.

1980 hatte das Internet 213 Knoten. Die ersten IP-Pakete erreichten 1987 Österreich – via das Rechenzentrum der Universität Linz. Als junger Assistent an der Uni Wien im Jahr 1987 konnte ich erste internationale E-Mails über den Linzer Knoten senden, mithilfe eines selbst gelöteten Kabels. 1990 hatte das Internet 159.000 Knoten, heute sind es 3,3 Milliarden. Laut Statistik Austria haben 83,86 Prozent der Österreicher Zugriff auf das Internet, von den 16- bis 24-Jährigen sogar 99,9 Prozent. Dieses Internet wird bis heute in erster Linie für die Kommunikation von Menschen zu Menschen eingesetzt. Man könnte auch sagen, dass das Internet für die Mensch-Mensch-Kommunikation konzipiert ist.

Noch bevor ich am 1. September 2000 meinen Dienst an der Kepler Universität als Professor für Informatik angetreten habe, habe ich mit einer Einbettung von Internet-Technologie in Gebrauchsgegenstände gezeigt, dass das Internet auch als Kommunikationsplattform der Dinge eingesetzt werden kann.

Die Veranschaulichung hat gezeigt, dass ein Koffer durch integrierte Sensorik erkennen kann, ob ein Kleidungsstück (mit integrierter Identifikationselektronik) hineingelegt wird, und dann sowohl Koffer als auch Hemd automatisch ihre eigene Repräsentation im Internet anpassen können. So "weiß" der Koffer, dass er ein Hemd enthält, das Hemd "weiß", dass es im Koffer liegt, die Waschmaschine "weiß", wie oft sie dieses Hemd gewaschen hat und welches Waschprogramm es benötigt. Verspielt? Ja. In erster Linie war Provokation meine Absicht.

Alle Dinge kommen ins Netz

Dieser "Internetkoffer" war 1999 die meines Wissens weltweit erste Demonstration von dem, was man heute als das "Internet der Dinge" bezeichnet – er stand, und steht noch immer, in der JKU Linz. Ab 2005 begann man in der wissenschaftlichen Literatur über das "Internet of Things" (IoT) zu sprechen.

Der US-amerikanische Kommunikationskonzern Cisco schätzt heute, dass 2020 mehr als 50 Milliarden "Dinge" eine Internetpräsenz haben werden. Die neue Version 6 des Internet-Protokolls macht es möglich. Somit könnte praktisch jedes Atom des Planeten Sender und Empfänger von IP-Paketen sein. Der MIT-Professor Hiroshi Ishii, oft in Linz auf Besuch, hat dazu den Begriff "Connecting Atoms to Bits" geprägt, womit er meint, dass jedes reale Objekt der Welt, sei es noch so klein, eine Abbildung in der "digitalen Welt", also im Internet, haben kann und wird.

Bestes Beispiel sind Mobiltelefone. An die 6,2 Milliarden sind heute in Gebrauch. Betrachtet man ein Handy als einen Multisensor (für Lichtdichte, Geräusch, Beschleunigung, Orientierung, Geo-Position, Kompass, Temperaturfühler etc.), dann stellt das globale Handynetzwerk zusammen mit dem Internet das komplexeste technische System dar, das die Menschheit je geschaffen hat. Die Einsatzmöglichkeiten entziehen sich jeglicher Fantasie.

Beispiel: Allessandro Vespignanu, Professor an der Universität Rom, konnte 2009 durch alleinige Betrachtung von Handy-Geopositions-Daten und internationalen Flugverbindungen die pandemische Ausbreitung des Influenza-A-Virus H1N1 ("Schweinegrippe") genau vorausberechnen.

Seit 15 Jahren leite ich an der JKU das weltweit erste Institut für Pervasive Computing – heute gibt es in Europa 14 davon. Pervasive Computing steht für eingebettete, drahtlos vernetzte, internetverbundene Kleinstcomputer. Sie erheben multisensorisch Daten über die physische Welt und ihrer Phänomene, werten diese in Echtzeit aus, interpretieren die so entstehende, weltumspannende Datenlage, treffen Lenkungs- und Kontrollentscheidungen und beeinflussen die reale Welt durch Bereitstellung von Information. Aufgrund der erwarteten Dichte dieser Technologie – Computer sind nicht nur überall, vielmehr ist alles (!) Computer – ist das Internet für mich längst das "Zentralnervensystem" des Planeten.

 

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Alois Ferscha

Professor für Informatik an der JKU-Linz

Alois Ferscha ist Leiter des Instituts für Pervasive Computing an der Linzer Johannes Kepler Universität (JKU). Der gebürtige Burgenländer ist seit dem Jahr 2000 in Linz und forscht daran, wie man Informatik in alltägliche Gegenstände und Kleidung bringen kann. Zudem wurde er Anfang November für vier Jahre zum neuen Dekan der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der JKU bestellt.

 

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2  Kommentare
2  Kommentare
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jplasser (15 Kommentare)
am 02.12.2015 22:36

IoT is turning homes into datacenters with no system administrators and no security team.

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( Kommentare)
am 02.12.2015 06:40

„dass jedes reale Objekt der Welt, sei es noch so klein, eine Abbildung in der "digitalen Welt", also im Internet, haben kann und wird.“ --- auch die Switche, Hubs und (selbstgelöteten) Kabel, die Programmausdrucke der Studenten?


- hoffentlich kein Teufelskreis.

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