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"Europäer brauchen Gründe, Amerikaner tun es einfach"

Von Peter Grubmüller, 19. September 2015, 00:05 Uhr
"Europäer brauchen immer einen Grund für etwas, Amerikaner tun es einfach"
Die typische Bildsprache Robert Wilsons bei seiner Linzer „La Traviata“-Regiearbeit Bild: Struck

Verdis "La Traviata" von Regiestar Robert Wilson hat heute im Musiktheater Premiere.

Tom Waits, Lady Gaga, Lou Reed, Luigi Nono, Marina Abramovic und viele mehr – es scheint, als habe Regisseur und Videokünstler Robert Wilson mit allen Kunst-Giganten zusammengearbeitet. Warum auch nicht, er ist ja selbst so einer, bei dem es finster wird, sofern er den Raum betritt. Jetzt hat er Verdis "La Traviata" im Linzer Musiktheater inszeniert, heute steigt die Premiere. Die OÖN haben mit dem 73-Jährigen gesprochen.

 

OÖNachrichten: Sie haben sich lange geweigert, italienische Opern zu inszenieren – warum?

Robert Wilson: Ich wurde schon Mitte der 70er-Jahre gefragt, Puccinis "Madame Butterfly" an der Met in New York zu machen – und ich habe abgelehnt. Das war mir alles zu kitschig, zu sentimental und die Musik zu süß. Und dann habe ich bemerkt, dass es etwa in "Aida" stille Momente gibt – wie in einem Kammerspiel –, und dann hat mich die Sache interessiert.

Wie entkitschen Sie nun die Traviata?

Ich versuche, Bilder zu kreieren, die die Musik besser hören lassen, sie sollen die Konzentration auf die Musik steigern. In 99 Prozent aller Inszenierungen ist auf der Bühne zu viel los, die Bilder sind der Musik im Weg. Ich schaffe einen optischen Kontrast, damit sich die Kraft der Musik entfaltet.

Herbert Grönemeyer hat mir in einem Gespräch von Ihren vorgeschwärmt. Woher kommt Ihre Freundschaft?

Es war in Köln, ich arbeitete mit der Schauspielerin Anna Henkel, Grönemeyers Ehefrau. Damals waren sie nicht verheiratet, sondern frisch verliebt. Herbert kam oft zu den Proben. Anna und ich mochten uns. Wir hatten gemeinsame Arbeitspläne, aber Herbert war dagegen. Als sie 1998 an Krebs starb, rief mich Herbert an. Er weinte und sagte, er fühle sich schuldig, weil er Anna untersagt hatte, mit mir zu arbeiten. Er bat mich, zu Annas Begräbnis zu kommen. Das habe ich getan – seitdem haben wir "Leonce und Lena" und "Faust I+II in Berlin zusammen gemacht. Herbert ist ein wunderbarer Freund. Er ist ein Intellektueller, der sich selbst nicht zu ernst nimmt, er ist komisch – und er weiß, was die Menschen auf der Straße denken.

Was unterscheidet europäisches Theater vom amerikanischen?

Der Unterschied ist riesig. Die Erziehung von Europäern ist viel näher an der griechischen Philosophie. Europäer brauchen immer einen Grund, um etwas zu tun, Amerikaner tun es einfach. Als ich 1977 zum ersten Mal in Berlin inszeniert habe, sagte ich zu den Schauspielern: "Geht auf die Bühne und macht etwas." Sie wussten nicht, was sie tun sollten. Ich sagte: "Irgendwas." Aber nein, hier müssen Schauspieler ein Buch lesen, bevor sie arbeiten. Ich starte immer mit einem leeren Blatt, es füllt sich, wenn ich beginne, etwas zu tun. Das ist ein Unterschied, der zweite ist: Europäer leben eng miteinander – und sie wissen wie es ist, wenn jemand bei ihnen eindringt.

Inwiefern?

Die Franzosen wissen, wer die Deutschen oder die Österreicher sind – sie sind in Frankreich eingedrungen. Europäer wissen viel mehr über die Kultur des anderen. Im Vergleich sind die USA ahnungslos. Am Tag vor dem 11. September hielt ich eine Rede in Stockholm über diesen Unterschied – und dann krachten die Flugzeuge in das World Trade Center. Richtig oder falsch – aber es gab einen Grund dafür, und dieser Terrorakt sowie die Reaktion der USA darauf mag wieder der Grund dafür gewesen sein, was wir jetzt durch diese Flüchtlingswelle erleben.

 

Robert Wilson

Er wurde 1941 in Waco (Texas) geboren, studierte Betriebswirtschaft und zog 1963 nach Brooklyn, um Architektur, Malerei, Lichtkunst und Choreografie zu studieren. Er erregte mit Performances Aufsehen und inszenierte bei unzähligen Festivals, ab den 70er Jahren auch in Deutschland, danach in der ganzen Welt. 1992 gründete er das Kunst-Labor „Watermill“ in New York, in dem sich seitdem die Größen der Szene die Klinke in die Hand geben. 1993 gewann er den Goldenen Löwen der Biennale in Venedig. Er arbeitet außerdem als Designer, Architekt und Videokünstler.

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6  Kommentare
6  Kommentare
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Biene1 (9.560 Kommentare)
am 20.09.2015 11:53

Eine gelungene Premiere

http://der-neue-merker.eu/linz-musiktheater-im-landestheater-la-traviata

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Gugelbua (32.024 Kommentare)
am 19.09.2015 12:22

Daß nun auch europäische Künstler, Musiker, Regisseure, Filmemacher die Kitschform aus Amerika übernehmen zeigt doch den Untergang der europäischen Kultur.
Bestes Beispiel: Fack ju Göhte 2,für unsere pubertierende Jugend grinsen

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( Kommentare)
am 19.09.2015 14:11

Wenn die europäische Kultur so leicht untergeht, dann war sie es nicht wert zu überleben.

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Wuhei (716 Kommentare)
am 19.09.2015 10:10

Herr Wilson widerspricht sich doch selbst, wenn er eine Menge Gründe angibt, warum er irgendewas macht. Damit wird er für mich unglaubwürdig.
Ausserdem ist seine Meinung zu Madam Butterfly recht seicht, er hat sicher die Oper nie gesehen.

Ach ja, nicht nur die Franzosen wissen, wer die Deutschen und Österreicher sind, ganz Europa weiß, was Napoleon angerichtet hat.

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Schellack (95 Kommentare)
am 19.09.2015 17:13

Nun, Napoleon wollte prinzipiell die Errungenschaften der französischen Revolution verbreiten - halt auch mit ein bissl Profit für sich und seine Sippe. Dagegen hatten die weit verbreiteten, immer noch recht absolutistischen anciens regimes was einzuwenden (der augeklärte Josef II. in Ö/D war ja auch schon wieder Geschichte...). Der Andreas Hofer mit den Seinen war sowas wie ein US = ultramontakatholischer Staat. Und noch ein paar andere Sachen spielten da rein.
Es ist gar nicht sooo leicht, die Jahre 1800 bis 1815 richtig zu beurteilen.

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Honigsammler (4.501 Kommentare)
am 19.09.2015 00:27

Europäer brauchen immer einen Grund für etwas:
Genau so ist es. Die Yankees ziehen halt ihren Colt, man liest täglich über ermordete Schwarze durch Polizisten ...

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