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Als die Welt nicht mehr zu retten war

Von Nora Bruckmüller, 11. September 2021, 00:04 Uhr
Als die Welt nicht mehr zu retten war
Hollywood-Star Nicolas Cage im Kinofilm „World Trade Center“ (2016) Bild: IMDB

Hollywood zementierte den Ruf der USA als unerschütterliche Weltpolizei – mit den Twin Towers brach dieser filmische Mythos zusammen. Eine in die Tiefe gehende Aufarbeitung von 9/11 ist die Traumfabrik noch schuldig.

Die einstürzenden Türme des World Trade Centers, die Rauchwolke über New York – es waren Bilder, die sich am 11. September 2001 in das Gedächtnis der Welt einbrannten.

Den Terroristen gelang es, eine visuelle Allmacht zu etablieren. Sie schlug in Washingtons Staatszirkel wie eine Bombe ein. Lässt man geopolitische und kriegstreiberische Intentionen außer Acht, tat sie das ebenso – im Sinne eines Kulturkampfs – in einer anderen US-Institution von globaler Bedeutung: Hollywood.

1997/1998 hatte James Cameron mit Szenen der auseinanderbrechenden Titanic die Deutungshoheit in sämtlichen Kinomärkten erobert. Nach 9/11 wäre es fraglich gewesen, ob sein Werk anlaufen hätte dürfen. "Keine Massenzerstörung auf den Leinwänden" lautete das unausgesprochene Gesetz in den Studios in dieser sensiblen Zeit. 45 Filme wurden verschoben, verändert oder abgesagt.

Der Terroranschlag bedeutete eine nie dagewesene Zäsur in Hollywoods Sprache der Bilder. Die audiovisuelle Geschichte des Actionkinos, in der die USA im Film immer wieder die Welt retteten, endete zwischenzeitlich. Bis heute ist sie nicht mehr wie davor.

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Der Präsident wurde unberührbar

Hatte Harrison Ford 1997 als US-Präsident in "Air Force One" einen Anschlag in der Luft selbst gehandhabt, sollte es nach 2001 mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis Hollywood den US-Staatschef wieder einem Angriff aussetzen durfte. 2013 waren dies Aaron Eckhart in "Olympus Has Fallen" und Jamie Foxx in "White House Down". Ihre Figuren brauchten jedoch Rettung. Beide Filme waren wie die ersten Produktionen, die sich an 9/11 heranwagten: an den Kassen durchaus erfolgreich, aber keine einordnenden, überzeitlichen Beiträge zur internationalen Filmgeschichte.

Nach Schockstarre und Tabuisierung agierten die "üblichen Verdächtigen". Der polarisierende Oliver Stone ("JFK", "Snowden") legte 2006 "World Trade Center" vor. Der passionierte "Nestbeschmutzer" Michael Moore brachte 2004 mit "Fahrenheit 9/11" seinen oscarprämierten Dokumentarfilm ins Kino – eine bittere Abrechnung mit George W. Bushs Kriegspolitik. Während Stone für seine Verhältnisse durchaus herzlich eine Rettung aus dem Ground Zero inszenierte, hinterließ Moore mehr mit seinem Anti-Waffen-Film "Bowling for Columbine" (2002) Abdruck in der politischen Popkultur. Der Brite Paul Greengrass feierte 2006 in "Flug 93" die zivilen Helden, die Selbstmordattentäter daran hinderten, 2001 ein weiteres Flugzeug für den Anschlag zu nutzen.

Offene Wunden, Trauer, Unbehagen

Die Geschehnisse im Turm, dem Epizentrum des Traumas, hat nach 20 Jahren kein großer Name aus Hollywoods erster Regie-Riege aufgearbeitet – kein Martin Scorsese, kein Christopher Nolan ("Tenet"), keine Patty Jenkins ("Wonder Woman"). Statt einer konkreten filmischen Antwort auf 9/11, die auch der Verantwortung des Blockbuster-Platzhirsches entsprechen und dem Weltpublikum ein Ventil bieten würde, gab es Werke, die laut Filmwissenschaft sphärisch den Geist der "Terrorjahre" vermittelten: Trauer, kollektives Unbehagen, offene Wunden, erschütternde Identitäten. Eine Leseweise wie man sie bei der CIA-Serie "Homeland" (ab 2011) mit Claire Danes als bipolar erkrankter Anti-Terror-Agentin, der "Bourne"-Reihe (ab 2002) mit Matt Damon als an Amnesie leidendem Spion oder Christian Bales dunklem Batman ("The Dark Knight", 2008-2012) anwenden kann.

Ob die Kinogeher dies so fühlten, ist zu hinterfragen. Tief beeindruckt haben das Publikum in Europa die sanften, subtilen Töne der Annäherung: In der Kultserie "Sex And The City" musste man in der vierten Staffel (2001) die Twin Towers aus der Eröffnungssequenz retuschieren. Das Staffelfinale ("I Heart New York") widmete man "unserer Stadt New York – damals, heute, für immer". Es markierte die Geburt von Mirandas (Cynthia Nixon) Buben. Als Zeichen der Wiederauferstehung spielte Staffel fünf in einem ewigen Frühling. Aus berührender kindlicher Perspektive behandelte der Kinofilm "Extrem laut & unglaublich nah" (2011) das Sterben in den Twin Towers: Oskar (9) verarbeitet den Tod des Vaters (Tom Hanks) in einer Schnitzeljagd durch die Stadt – eine Reise zur Überwindung der Angst.

Hollywood ist das im Hinblick auf 9/11 noch nicht gelungen. Das verwundert nicht. Nationen brauchen Jahrzehnte, um sich umfassender Aufarbeitung zu stellen. In Österreich begann jene des Hitler-Regimes mit der Waldheim-Affäre (1986) – 41 Jahre nach Kriegsende. Wäre die Rückeroberung Afghanistans durch die Taliban, ein auf 9/11 zurückreichendes außenpolitisches wie humanitäres Desaster, ein Schlüsselmoment? Analog gedacht schon. Doch Hollywood verbraucht 2021 seine Energien in einem eigenen Krieg – mit den Streamingdiensten.

Autorin
Nora Bruckmüller
Redakteurin Kultur
Nora Bruckmüller

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