"Jeder Teig ist ein eigenes Biotop"
Der Steyrer Harald Friedl widmet dem Brot einen Film, ab morgen ist er auf Kinotour
Mit dem Messer Richtung Brust hat Harald Friedls Großvater, zehntes Kind von einem Bauern, früher bei den Familienfesten den großen Laib Brot geschnitten.
Seine innigste Erinnerung an das Lebensmittel entstand lange, bevor Regisseur Harald Friedl verstanden hat, "dass an einem guten Brot viel mehr dran ist, als ein paar Zutaten zusammenzuschmeißen", wie er sagt. "Das war ein großes Vorurteil." Drei Jahre Arbeitszeit an seinem Dokumentarfilm "Brot" haben den Wahl-Wiener eines gelehrt: "Die Menschen wissen gemeinhin einfach nicht, wie viel Brot mit dem Leben zu tun hat. Jeder Teig ist ein Biotop, den klimatische Bedingung, Hefen, Mikrobiome im Raum beeinflussen."
Bewusst geworden ist dem 61-Jährigen diese Komplexität erst, als ihm ein Biobäcker, der in Pension ging, sein schwieriges Handwerk erklärte. Die Inspiration war gewonnen. Aber wie geht man so ein riesiges Thema konsequent an? "Ehrlich gesagt, ich habe mich immer wieder darin verloren. Ein Wahnsinn, was alles dran hängt."
Die Angst der Großerzeuger
Heute führt sein Film zu Bäckern aller Philosophien in Paris, Brüssel, Gaubitsch (NÖ), Köln wie Hamburg. Zuerst musste Friedl aber Irrtümer über Irrtümer ausschließen. Der größte? "Dass es nicht auf die Zeit ankommt, die man sich für ein Brot nimmt. Lässt man die Natur in Ruhe arbeiten, erhält man ein besseres Erzeugnis." Brot sei kein Produkt, das sich bis ins Extrem industrialisieren lasse.
Was aber nicht heißt, dass industriell gefertigtes automatisch ungesund ist. "Das ist falsch. Genauso, wie zu denken, dass ein Industriebäcker böse ist, und der Handwerksbäcker gut. Es stecken verschiedene Arbeitswelten, Konzepte und Werte dahinter."
So wurde der Filmemacher zum Beobachter eines Wirtschaftssystems, das sich an Effizienz und Gewinnstreben orientiert, zurückgehend auf den Beginn der Industrialisierung, als es mit dem Brot kompliziert wurde. "Weil der Teig an den Maschinen kleben geblieben wäre, musste man ihn trockener machen, als er es bräuchte. Damit er trotzdem Geschmack entwickelt und stabil bleibt, musste man etwas zuführen." Die hitzig diskutierten Zusatzstoffe entstanden, die den Filmdreh erschwerten. So war es leichter, Bäcker zu finden, die für die neue Bewegung stehen: Naturbelassenheit, Langsamkeit, Handwerk.
Friedl fand im deutschsprachigen Raum nur einen Großerzeuger, der die Produktion für ihn offenlegte – jenseits jeder Vorverurteilung, aber im Sinne angemessener, kritischer Betrachtung. "Alle hatten Angst, dass sie zum Skandal werden. Ich kenne auch TV-Reportagen, die die unsinnigsten Dinge skandalisieren. Die sind eine Frechheit." Hans-Jochen Holthausen, Chef des deutschen Marktführers Harry-Brot, ließ Friedl bei ihm drehen. Wie ihm das gelang? "Er wusste genau, zu wem er in Kontrast stehen würde. Ich habe ihm große Ernsthaftigkeit signalisiert. Und ich denke, wir waren uns sofort sympathisch."
Premieren mit dem Regisseur: 12. 2., 19.30, Programmkino, Wels 13. 2., 19.30, Steyr, Citykino 17. 2., 20.00, Linz, Moviemento, mit Brotsommelier, moviemento.at
Die Kritik zum Film
Brot ist etwas so Essenzielles und Normales, dass es uns kaum bewusst ist, welche Geschichten, Welten und Werte sich dahinter verbergen. Harald Friedl ist es in seinem Dokumentarfilm gelungen, das Zentrale bezüglich dieses Grundnahrungsmittels aufzuzeigen – die Herstellung, aber auch die Wissenschaft dahinter. Andererseits erzählt er außergewöhnliche Geschichten – etwa vom Brot für die erste Mission zum Mars, an dem der Spezialist "Puratos Group" in Belgien arbeitet.
Einprägsam sind auch die Typen, die Friedl sprechen lässt – wie Christophe Vasseur, der in seinem Pariser Geschäft Naturbelassenheit zur Maxime erhoben hat, aber Prinzipien sehr lässig vertritt. Brot ist ein leidenschaftliches Projekt, wie der Film dazu.
Ab 21. 2. im Kino
OÖN Bewertung: 5/6