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Gut gemacht, wenig gewagt

Von Herbert Schorn, 26. September 2020, 00:04 Uhr
Gut gemacht, wenig gewagt
Panik, körperlich spürbar: Walter Ludwig als Alfred Ill Bild: Helmut Walter/Phönix

Theater Phönix: Premiere von Dürrenmatts "Besuch der alten Dame" mit großen Momenten, aber ohne Neuinterpretation.

Bleich sitzt sie auf der Parkbank. Es ist Claire Zachanassian, die Milliardärin. Neben ihr Alfred Ill, der ihre Liebe vor vielen Jahren in den Dreck zog, und sie gleich mit – und den sie, verdammt, noch immer liebt. Zitternd zieht sie an der Zigarette. "Ich liebte dich", schreit sie in die Welt hinaus. "Du hast mich verraten." Sie ist so verletzt, so zerstört, dass seither alles nur noch einem Ziel gilt: Irgendwann diesen Alfred Ill zu vernichten. Jetzt ist der Zeitpunkt da, Ill wird bald sterben. Sie steht auf, knickt ein. Und geht.

Dies ist einer der großen Momente in der Premiere von Friedrich Dürrenmatts Komödie "Der Besuch der alten Dame" am Donnerstag im Linzer Theater Phönix. Mit einer winzigen Bewegung, dem eingeknickten Bein, sagt Ingrid Höller als Claire Zachnassian alles. Die Verletzung durch Ill wird nie heilen, egal wie viele Milliarden sie auf seine Ermordung aussetzt.

Die Milliardärin und die Moral

Dürrenmatts Stück ist spannend wie ein Thriller. Nach Jahrzehnten in der Fremde kehrt Claire als Milliardärin zurück in ihre verarmte Heimatstadt, begrüßt von Bürgermeister (Martin Brunnemann) und Prominenz (Sven Sorring als Pfarrer, Tom Pohl als Lehrer, Stefan Lasko als Polizist). Sie bringt ein unglaubliches Angebot mit: 100 Milliarden, 50 für die Stadt, 50 verteilt auf alle Familien. Unter einer Bedingung: Ill muss sterben. Sofort wird entrüstet abgelehnt, doch die Stimmung schlägt schleichend um. Die Einwohner (u.a. Nadine Breitfuß, Anna Maria Eder) kaufen immer mehr ein, bis sie so verschuldet sind, dass ihnen nur noch übrig bleibt, Ill zu töten. Sein Verrat an Claire, in der Jugend ihr gemeinsames Kind zu verleugnen, kommt ihnen gerade recht.

Regisseur Andreas Baumgartner zeigt einen tadellos aufbereiteten Klassiker. Er hat das Stück auf den 90-Minuten-Kern eingedampft. Aber: Ein Weiterdenken, eine Interpretation für die heutige Zeit leistet er nicht. Gut gemacht, wenig gewagt. Wäre aber nicht genau das der Anspruch des Phönix? Klassiker darauf zu untersuchen, was sie uns heute sagen – abseits des Aufzeigens, wie schnell der Mensch durch Geld korrumpierbar und wie leicht die Moral zum eigenen Vorteil verdrehbar ist?

Genialer Angelpunkt der Inszenierung ist das zweistöckige Multifunktionshaus (Bühne: Michaela Mandel), das sich wahlweise in Laden, Wohnung, Balkon, Polizeistation, Rathaus oder Kirche verwandelt. Das Ensemble, das zu Beginn teilweise etwas hilflos auf der Bühne steht, spielt sich schnell warm. Walter Ludwig zeigt einen Ill, dessen panische Todesangst geradezu körperlich spürbar ist. Umso komischer, wenn Lehrer Tom Pohl als moralisches Gewissen der Stadt im Alkohol ertrinkt.

Fazit: Düstere, atmosphärisch dichte Klassikerbearbeitung mit großen Momenten. Neue Sichtweisen auf die Geschichte fehlen aber.

Premiere: "Besuch der alten Dame", Komödie von Friedrich Dürrenmatt, 24. 9., Theater Phönix. Nächste Termine am 27.9., 1., 2., 4. 10. Infos: www.theater-phoenix.at

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Autor
Herbert Schorn
Redakteur Kultur und Leben
Herbert Schorn
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