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Schiffbruch, Hunger, Kannibalismus und ein tödlicher Schuss

Von Nora Bruckmüller, 25. April 2024, 05:36 Uhr
"The Crown": Die Royals in Staffel 6
Bild: C. Bertelsmann

Nach einer wahren Geschichte: Das famose Buch "Der Untergang der Wager" zerlegt die Seefahrerromantik

Stellen Sie sich vor: Sie sind zarte 16, als Sie für die britische Krone in See stechen, um gegen die Spanier Krieg zu führen. Nebenbei soll Ihre Mission den Mythos des Empires als Seemacht und als kolonialer Herrscher in Südamerika stärken.

Dafür gibt es Kameradschaft und vielleicht einen überdurchschnittlich mächtigen Sold. Nur sitzen Sie stattdessen nun mit einem Grüppchen Überlebender auf einer unbesiedelten Insel vor der Küste Chiles fest. Die Autorität Ihres Kapitäns erodiert wie die Seelen und die Körper Ihrer Kollegen. Aus quälendem Hunger wird sogar das Fleisch verstorbener Seemänner gegessen. Und obwohl Ihr Segelschiff zwar im Mai 1741 am Kap Horn (Chile) im Sturm zerschellte und zwischen Felsen stecken blieb, ist dort Winter: Es stürmt, hagelt und regnet, wenn es nicht schneit.

Was so unglaublich klingt, dass es nicht wahr sein kann, hat sich so ereignet. US-Autor David Grann schildert in seinem auf Deutsch erschienenen Buch "Der Untergang der Wager" die Geschehnisse vor dem Schiffsunglück, auf der Insel, auf die sich dessen Überlebende retten konnten, und das Nachspiel vor allem aus Perspektive des jungen Fähnrichs John Byron. Viel später – er hatte es mit 22 Jahren von Patagonien nach London zurückgeschafft – wurde er der Großvater des großen Dichters Lord Byron.

Hollywood hat schon die Rechte

Doch Grann, der in jahrelangen Recherchen von forensischer Präzision diesen Stoff zusammentrug und in literarische Form brachte, beginnt aber gar nicht mit der fesselnden Strandung. Es ist ein heftigerer Paukenschlag: Denn es war nicht nur Byron, der mit zwei weiteren Überlebenden, darunter "Wager"-Kapitän David Cheap, Ende 1742 auf einem notdürftig zusammengezimmerten Booterl eine rettende Küste erreicht hatte. Schon im Jänner 1742 hatten 30 Männer die Hölle der Insel ebenso erfolgreich verlassen können – angeführt von Stückmeister John Bulkley. Die Splittergruppe war entstanden, als Cheap auf der Insel einen tödlichen Schuss abgefeuert hatte. Die Frage, die dann die Öffentlichkeit (Presse, Bücher, Salons) und das Kriegsgericht umtrieb, war eine zentrale: Haben Bulkley und seine Männer gemeutert? Grann nutzt sie geschickt, um Parallelen zu unserer "postfaktischen" Zeit zu ziehen, in der man sich oft so wenig auf die eine Wahrheit einigen kann wie einst die Zeitzeugen im Fall Wager. Und sonst? Schuf Grann ein Werk voll himmelschreiender Wendungen in der Tradition des literarischen Tatsachenberichts, das man kaum aus der Hand legen kann.

Im Kern handelt es von Menschen, von Männern, die glaubten, Werte wie Ehre und Hierarchie würden sie als Gruppe unzerstörbar machen – bis die Natur kam. Martin Scorsese und Leonardo DiCaprio haben sich die Rechte an Granns Buch bereits gesichert. Schon ihr jüngster Oscar-Film "Killers of the Flower Moon" (2023) basiert auf einem seiner Werke.

David Grann: "Der Untergang der Wager", C. Bertelsmann, 432 S., 26,50 Euro
OÖN-Bewertung: fünf von sechs Sternen 

 

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Autorin
Nora Bruckmüller
Redakteurin Kultur
Nora Bruckmüller

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1  Kommentar
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Gugelbua (32.952 Kommentare)
am 25.04.2024 13:34

in der Geschichte werden ja viele Grausamkeiten ausgeblendet,
swar schon immer so und ist heute genau so

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