Neues Stadtteilbuch: „Bindermichl bedeutet mehr als nur Hitlerbauten“
LINZ. Ein Jahr lang hat ein kanadisch-linzerisches Autorenteam an einer Chronik zum 70. Geburtstag des Bindermichls geschrieben. Dabei kamen viele längst vergessene Fakten zum Vorschein.
Kurz nach dem Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland 1938 wurden die Gutsbesitzer am heutigen Bindermichl enteignet. Denn die NS-Führung hatte Großes vor: Auf den Feldern sollten Wohnungen für die Arbeiter der Hermann-Göring-Werke entstehen.
Doch den Krieg überstand auch der neue Stadtteil nicht unbeschadet: „Fast jedes Haus wurde beschädigt, fünf Häuser komplett zerstört“, sagt Co-Autor Hermann Edler. Die neue Heimat des Ex-Bindermichlers machte das Arbeiten für die vier nebenberuflichen Heimatforscher nicht gerade leichter: Edler werkte von Kanada aus.
Das hatte aber auch Vorteile: So konnte er leichter Zeitzeugen in den USA interviewen. Denn: „Nach dem Krieg gab es am Bindermichl ein Lager für 2300 Juden, die im Konzentrationslager Mauthausen inhaftiert waren“, sagt Lore Seyfried. Hier blühte auch der Schwarzhandel: Viele Juden sparten sich die üppige Verpflegung der Amerikaner vom Mund ab, um zu Geld zu kommen. Die Linzer waren froh: „Der Schwarzmarkt war bald bis Freistadt bekannt“, erzählt Seyfried. „Selbst der Apotheker holte sich dort Medizin.“
Ein Jahr lang arbeiteten Edler, Seyfried, Gisela Wabro und Eva Steinheimer an dem 165-Seiten-Werk, Wabro bearbeitete 600 Fotos am Computer. Wie viele Stunden dabei draufgingen, hat keiner gezählt. „Es waren ganze Nächte“, meint Wabro. Warum haben sich die vier diesen Aufwand angetan? Edler: „Wir wollten zeigen, dass der Bindermichl mehr bedeutet als nur Hitlerbauten.“
Das Buch: „Der Bindermichl – 70 Jahre lebendiger Stadtteil“ wird am 7. Juni um 10.30 im Festsaal der Pfarre St. Michael präsentiert. Bestellung: Tel. 0664 / 10 20 136, h.j.edler@gmail.com, Preis: 25 Euro.