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Der rasante Wandel am Weg zur letzten Ruhe

Von Dieter Seitl, 20. September 2011, 00:04 Uhr
Der rasante Wandel am
Verstreut lebende Familien und einhergehende Probleme mit der Grabpflege beschleunigen den Wandel Bild: OON

RIED. Bestatter aus 13 Nationen versammeln sich am Wochenende auf der Fachmesse „Devota“ in den Hallen der Rieder Messe. Mit der Gesellschaft ist auch die Branche in rasantem Umbruch. Es gibt einen Trend zu anonymen Bestattungen. Aber auch einen Trend zur besonders individuellen Bestattung.

Die globalisierte Welt mit verstreut lebenden Familien und der nachlassende Einfluss der Kirche als moralische Instanz mit festgelegten Bestattungsformen treiben den Wandel „unglaublich schnell“ voran, sagt Günther Brunner aus Fürstenzell bei Passau, wo sich Europas erster Feng-Shui-Naturfriedhof findet.

Ein Friedhof, auf dem Urnen je nach Wunsch in Wiesen, neben Rosenstöcken oder Findling-Steinen, unter Lieblings-Baumsorten gebettet werden.

„Es gibt Leute, die kaufen bei uns ihren eigenen Baum.“ In Bayern untersagt, in Oberösterreich angeboten: Die Urnenbestattung in der Donau. Dazu Bestattungen auf hoher See oder auf Almwiesen. „Die Angehörigen suchen nach immer individuelleren Bestattungsformen. Aber es gibt auch einen Trend zur anonymen Urnen-Bestattung“, sagt Brunner.

Problem Anonymität

Aus Sorge, die entfernt lebenden Kinder könnten sich nicht um das Grab kümmern, entwickle sich in der älteren Generation ein Hang, sich anonym bestatten zu lassen. Man wolle den Kindern nach dem Tod „nicht zu Last fallen“. Vor allem im Hinblick auf die Grabpflege zu Allerheiligen. Den Trend zur anonymen Bestattung, der bereits zehn Prozent ausmache, betrachtet Günther Brunner mit Skepsis. „Irgendwann mit zunehmendem Alter regt sich der Wunsch, das Grab der Eltern zu besuchen. Das ist bei anonymen Gräbern natürlich nicht möglich. Auf unserem Naturfriedhof wollen wir aus der Anonymität helfen. Mit kleinen Namensschildern.“

Die austrittsbedingt sinkende Bedeutung der Kirche als Instanz mit festgelegten Ritualen dränge eine wachsende Anzahl an Angehörigen zu alternativen Bestattungsformen. Es gebe aber noch kaum etablierte Alternativ-Rituale.

„Bei 90 Prozent der Feuerbestattungen in Bayern findet die Verabschiedung erst an der Urne statt. In Österreich ist das umgekehrt. Die Angehörigen können sich am Sarg von ihrem Verstorbenen verabschieden. Ich meine, das ist für die Angehörigen besser“, sagt Brunner.

"Osten ist konservativer als der Westen"

Innerhalb Österreichs gebe es ein erstaunliches West-Ost-Gefälle. In Vorarlberg liege der Anteil an Urnenbestattungen bereits bei 80 Prozent, in Wien bei 25 Prozent. „Der Osten ist quasi konservativer als der Westen“, so Expertin Katharina Strack. Bei der Urnenbestattung gebe es Bedenken wie „handelt es sich wirklich um die Asche des verstorbenen Angehörigen und nicht um die Asche eines anderen?“

Die in Österreich gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, mit behördlicher Genehmigung Urnen nach Hause zu nehmen, sei nicht unbedingt ein Vorteil, so der Bayer Günther Brunner. „Ein externer, für alle Angehörigen und Bekannten frei zugänglicher Trauerort ist wichtig. Was geschieht im Fall von Familienstreitigkeiten?“ Erdbestattungen im eigenen Garten sind auch in Österreich untersagt. „Dazu bedürfte es einer Sondergenehmigung durch die Landesregierung und eines eigenen Mausoleums“, sagt Katharina Strack vom Verband „Junge Bestatter“.

Der Trend zu Feuerbestattung und Urne sei ungebremst. Die spätere Zusammenführung ins Familiengrab verstreut lebender Familien gestalte sich deutlich einfacher. Und auch der Faktor Kosten spiele eine Rolle.

Verwaisen Friedhöfe?

Erd- und Feuerbestattung seien an sich kostenmäßig etwa gleich. Bei Urnen falle aber Grabstein und Grabpflege weg.

Der Trend zur Urne geht allerdings mit dem Verwaisen von Friedhöfen einher. „Die Zeiten, in denen Platzmangel auf Friedhöfen befürchtet wurde, sind vorbei. Gepaart mit dem Problem, dass der Friedhofsbetrieb bei sinkenden Einnahmen wirtschaftlich schwieriger wird“, sagt Günther Brunner. Aus ökologischer Sicht spreche vieles für die Urnenbestattung. Mit der steigenden Lebenserwartung steige auch der Medikamentenkonsum, der via Erdbestattung das Grundwasser belaste. „In Bayern gibt es Friedhöfe mit der hundertfachen Grundwasserbelastung, die auf landwirtschaftlichen Düngeflächen erlaubt ist.“

Bestattung auf dem Mond

Übrigens: Günther Brunner leitet in Fürstenzell bei Passau das schadstoff-ausstoßärmste Krematorium Deutschlands. In der weltweiten Bestatterbranche kursieren unterdessen gar „über-irdische“ Trends. „Es gibt Bestatter, die sich Flächen auf dem Mond sichern wollen. Sie glauben, dass in 20 Jahren Bestattungsflüge zum Mond realisierbar sind.“

 

Die Messe Devota

116 Aussteller aus 13 Nationen sind auf der Bestatterfachmesse Devota von 23. bis 25. September in den Hallen der Rieder Messe vertreten.

Und mit ihnen werden 3000 Fachbesucher erwartet, „Leute, die einkaufen“, sagt Organisator Rudolf Kleewein. Ein Teil der Messe ist als „Der Weg“ jedermann frei zugänglich. Zu sehen ist ein Musterfriedhof mit mehreren Bestattungsvarianten, Steinmetze geben Einblick in ihre Kunst.

Dazu Alternativen wie ein Feng-Shui-Friedhof. Experten informieren, darunter das Mobile Hospiz Ried zum Thema Sterbebegleitung, Trauerarbeit und Bewältigungsformen. Es sei wichtig, in einer sich rasch verändernden Welt geeignete Trauerrituale zu entwickeln, so Expertin Marietta Reichhard. Auch die „Trauerreise“ könne als Element zur Bewältigung dienen.

Der ausschließlich Fachbesuchern vorbehaltene Messeteil bietet alle Branchentrends vom Bestatterzubehör bis hin zu Designersärgen und Erinnerungsdiamanten, die sich aus der Asche geliebter Verstorbener pressen lassen. Sogar ein sieben Meter langer Leichenwagen der Luxusmarke Maserati rollt nach Ried.

 

Die jungen Bestatter

Das Netzwerk „Junge Bestatter“ will dem Gewerbe neuzeitliche Dynamik verpassen. In Ried sind sie mit einem außergewöhnlichen Programm.

Die Mitgliedschaft bei den „Jungen Bestattern“ sei keine Altersfrage, sondern eine Frage des Zugangs zum Thema Bestattung. Die Vereinigung will modernen Kundenwünschen besondere Rechnung tragen. Auf der Fachmesse in Ried organisieren die „Jungen Bestatter“ eine Modenschau mit flotter Berufskleidung.

„Alle Models, Damen und Herren, stammen aus unseren eigenen Reihen“, sagt Sprecherin Katharina Strack. Ein Rätselspiel „Suche nach dem Schädel von Joseph Haydn“ und Livemusik im jazzigen New-Orleans-Begräbnisstil sind weitere Zutaten für einen eigenen Messe-Aktionstag.

 

Der Thanatopraktiker

Mit der Messe Devota hält auch die Thanatopraxie Einzug auf dem Rieder Messegelände.

„Wir werden eine Totenmaske anfertigen, einen Gipsabdruck. Natürlich an einem lebenden Modell. Immer mehr Angehörige lassen zum Andenken Masken anfertigen“, so der Thanatopraktiker Joachim Fürpass, dessen Berufsfeld auch die hygienische Totenversorgung und die Verzögerung der Verwesung durch den Einsatz chemischer Stoffe umfassen.

Letzteres werde durch die Globalisierung mit verstreut lebenden Familien häufiger – bei Überführungen ins Ausland und bei langen Anreisen von Auslandsangehörigen, die spätere Beerdigungstermine erfordern.

 

Der Sarkophag und die wenigen Mutigen

Die letzte Ruhestätte nach pharaonischem Vorbild. Auf der Devota in Ried finden sich Sarkophage. Bildhauer Paul Franz Brenner aus der Steiermark bietet individuell gestaltete Sarkophage und präsentiert eine Auswahl auf der Messe in Ried.

Jeweils aus einem Holzstamm künstlerisch gefertigt, arbeitet Brenner jeweils ein Monat lang an der Fertigstellung individueller Sarkophage. „Je nach Kundenwunsch sind alle Gestaltungen möglich, zum Beispiel das darstellerische Eingehen auf Hobbys des Auftraggebers.“

Die ungewöhnliche Sargform muss sich auf dem Markt aber erst noch etablieren. „Es gibt leider noch wenig Mutige, die sich zu Lebzeiten schon einen Sarg kaufen.“ Er habe die „rechteckige“ Gesamtform der üblichen Särge als störend empfunden und so eine Alternative entwickelt – Brenners Sarkophage und Urnen-Schreine sind rundlich gestaltet.

Pharaonen-Ähnlich: Im Baumstamm komme es unter der Erde automatisch zu einer Art Mumifizierung. Allerdings nur für 30 Jahre. Dann wird auch der Baumstamm langsam aber sicher eins mit der Erde.

 

Der Fußballerfriedhof

Fachautor Julius Müller, der auf dem frei zugänglichen Teil der Devota Lesungen hält, präsentiert die ungewöhnlichen Seiten der Bestattung.

„In Hamburg gibt es einen Friedhof für Fußballer und Fans des HSV, in Stadionform angelegt“, sagt Müller, dem ein Originalabzug eines eigenwilligen Testaments vorliegt.

Ein HSV-Fan vermache 100.000 Euro, wenn nach seinem Tod seine Urne bei drei Heimspielen im Stadion steht, ein kleiner Teil der Asche auf die Kreidebahn aufgebracht wird und die Urne auf dem HSV-Friedhof einen würdigen Platz finde. Mit dem Wunsch „Asche auf Kreidebahn“ brächte der HSV-Fan seinen Klub allerdings in rechtliche Schwierigkeiten. Autor und Amtsrat Julius Müller serviert auf der Messe eine Reihe an weiteren ungewöhnlichen Anekdoten aus seinem Berufsleben als Bestatter und Betreuer des Wiener Bestattungsmuseums.

 

 

 

 

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