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"Südafrika hätte Nelson Mandela noch 30 Jahre länger gebraucht"

Von Clemens Schuhmann, 14. Dezember 2013, 00:04 Uhr
"Südafrika hätte Nelson Mandela noch 30 Jahre länger gebraucht"
Heinz Patzelt: »Ein einzelnes Menschenleben ist zu kurz, um politische Systeme wirklich komplett zu verändern.« Bild: APA

Heinz Patzelt, Chef von Amnesty in Österreich, erzählt über ein faszinierendes Treffen mit Mandela und erklärt, warum in der Menschenrechtsarbeit ein persönlicher Brief wichtiger ist als 100 E-Mails.

Der heurige Tag der Menschenrechte am 10. Dezember fiel zusammen mit der zentralen Trauerfeier für Südafrikas Freiheitshelden Nelson Mandela. Heinz Patzelt, Chef von Amnesty International in Österreich, erklärt im OÖNachrichten-Gespräch, welche Bedeutung diese Jahrhundert-Persönlichkeit für das Thema Menschenrechte hat. Und warum individuelles Engagement so wichtig ist.

 

OÖNachrichten: Mit Nelson Mandela starb eine Jahrhundert-Persönlichkeit. Welche Bedeutung hatte der Südafrikaner für das Thema Menschenrechte?
Heinz Patzelt:
Bei mir steht er in einer Dreiergruppe gemeinsam mit Mahatma Gandhi in Indien und Aung San Suu Kyi in Burma. Und Martin Luther King gehört sicher auch noch dazu. Traurig macht mich, dass Südafrika ihn sicher noch 30 Jahre länger gebraucht hätte. Diese unglaubliche Wende, die ganz eng mit seiner Person verknüpft ist – selbst das war zu wenig, um in Südafrika fixe Nägel in Sachen Menschenrechte einzuschlagen. Wie so oft nach einer richtigen Wende sind die Nachkommenden nicht vom gleichen Format.

Warum ist das so schwierig?
Ein einzelnes Menschenleben ist zu kurz, um politische Systeme wirklich komplett zu verändern und zu stabilisieren. Das große Problem ist, dass die, die danach kommen, schon in etwas Etabliertes hineinkommen – und davon auch gut leben wollen. Dann ist der erste Schritt zum Abdriften vom richtigen Weg nicht mehr weit. Die, die den Mut hatten, gegen ein System anzutreten – wie etwa Vaclav Havel, Nelson Mandela oder Aung San Suu Kyi –, sind aus einem anderen Holz geschnitzt als die, die das fortsetzen wollen. Übertragene Macht ist wesentlich anfälliger als von Grund auf erworbene Macht.

Sie haben Mandela einmal persönlich getroffen. Was machte seine Faszination aus? Wie schaffte er es, jeden Menschen in seiner direkten Umgebung für seine Ideen und Ideale – im positiven Sinn – gefangen zu nehmen?
Man muss ihn gar nicht persönlich gekannt haben, um seiner Faszination zu unterliegen. Selbst wenn man nur eine Kurzbiografie liest, ist das beeindruckend. Ich habe vor dem Treffen einen "Heiligen" erwartet und einen höchst lebendigen, normalen Menschen kennengelernt: herzlich, ungeheuer charismatisch – aber auch mit einem hintergründigen Humor ausgestattet. Ich habe nach fünf Minuten verstanden, warum ihm so viele Menschen so überzeugt gefolgt sind.

In den 27 Jahren, in denen Mandela inhaftiert war, hat Amnesty viele Briefaktionen organisiert, um seine Freilassung zu erreichen. Derzeit gibt es auch wieder einen "Briefmarathon", um politische Gefangene zu unterstützen. Ist das im Zeitalter von Facebook & Co. überhaupt noch zeitgemäß?
Erstaunlicherweise ja. Facebook und E-Mail sind zwar wesentlich schneller, aber ein E-Mail ist genauso schnell gelöscht wie geschrieben. Ein persönlicher Brief hingegen hat ungeheures Gewicht. Ich bin immer wieder verblüfft, wie wirksam dieses Instrument ist. Wenn jemand fünf persönliche Zeilen schreibt und eine Briefmarke draufpickt, wird das weniger leicht weggeworfen, als 100 Mails gelöscht. Ich sehe nicht, dass individuelles Engagement an Bedeutung verliert. Und es sind ja nicht nur fünf Briefe. Es sind 5000 – und manchmal sogar 50.000. Das ist ein ganz starkes Werkzeug.

Wie viele Fälle betreut Amnesty International derzeit weltweit?
Etwa 1000 pro Jahr. In den vergangenen 40 Jahren waren es etwa 20.000 Einzelfälle. 60 Prozent davon sind zu einem guten oder sehr guten Ende gekommen. Was viel und zugleich verdammt wenig ist, denn die anderen 40 Prozent, wo sich nichts geändert hat, tun weh.

Erst am vergangenen Dienstag war wieder Tag der Menschenrechte. Ist das ein Tag zum Feiern – oder eher zum Traurigsein?
Es ist sehr positiv, dass es Menschenrechtskonventionen gibt. Darauf darf man auch einmal ein Gläschen erheben. Die große Gefahr ist aber, dass insbesondere die Politik an so einem Tag meint, ein paar positive Worte abzugeben – und die restlichen 364 Tage ist Ruhe. Das darf nicht passieren.

Zentrales Thema von Amnesty ist der Kampf gegen die Todesstrafe. Wie ist da der Stand?
2012 ist die Zahl der Hinrichtungen wieder gestiegen. Ohne China wurden mindestens 682 Menschen in 21 Ländern hingerichtet. Das tut sehr weh. Dennoch ist der Kampf gegen die Todesstrafe eine Erfolgsgeschichte: Es ist das einzige schwere Menschenrechtsvergehen, von dem ich ziemlich sicher noch erleben werde, dass es weltweit abgeschafft ist. In den vergangenen Jahren gab es im Schnitt zwei, drei Aussteiger pro Jahr. Wir haben etwa noch 25 Staaten, die fallweise hinrichten.

Wann wird die Todesstrafe Geschichte sein?
Trivial hochgerechnet in zehn bis 15 Jahren. Ziel muss sein, die zögerlichen Länder ganz rasch für eine Abschaffung zu gewinnen. Die "Hardcore-Hinrichter" China, USA, Irak, Iran, Pakistan, Afghanistan, Saudi-Arabien und Nordkorea werden wohl erst dann damit aufhören, wenn sie bei diesem Thema weltweit isoliert dastehen.

Österreich hat sich angesichts der Katastrophe in Syrien dazu bereit erklärt, 500 Flüchtlinge aufzunehmen – aber nur, wenn sie Christen sind. Was sagt Amnesty International dazu?
Absurd, beschämend und peinlich – um es ganz klar zu sagen! Einmal tut Österreich tatsächlich etwas Richtiges – wenn auch nicht in beeindruckendem Ausmaß. Und dann kommt diese groteske, lächerliche Einschränkung, die nichts mit Menschenrechten zu tun hat. Und zwar aufgrund einer kindischen Angst vor populistischen Reaktionen in Österreich. Damit wird das an sich gute Beispiel völlig entwertet. Das tut besonders weh.

Ist es schwierig, im Jahr 2013 Spendengelder aufzutreiben?
Unsere Spenderinnen und Spender sind schwierig zu gewinnen, bleiben uns aber dann sehr lange treu – selbst in Krisenzeiten. Denn es ist eine sehr überlegte Entscheidung, Amnesty zu unterstützen.

Lässt sich das empirisch belegen?
Wenn es Hochwasser in Österreich gibt, gehen Spenden für internationale Entwicklungszusammenarbeit zurück – die Spenden für das Thema Menschenrechte bleiben aber nahezu gleich.

 

Zur Person und zur Organisation

Amnesty International (AI): Die nicht-staatliche Menschenrechtsorganisation, die am 28. Mai 1961 gegründet wurde, hat weltweit drei Millionen Mitglieder in mehr als 150 Staaten. Grundlage von AI ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die 1948 von der UNO verabschiedet wurde. Im Jahr 1977 wurde AI mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Der Österreich-Ableger von Amnesty wurde am 4. Mai 1970 gegründet.

Heinz Patzelt: Der studierte Jurist, der im Jahr 1957 in Wien geboren wurde, ist seit 1. Jänner 1998 Generalsekretär von Amnesty International Österreich. Davor war er in einer Anwaltskanzlei, einer Werbeagentur und einem Software-Unternehmen tätig. Neben Studium und Beruf war er viele Jahre ehrenamtlich bei den Maltesern als Rettungsfahrer, in der Behinderten-Betreuung und im Katastrophen-Schutz im Einsatz.

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