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Der neue alte Nachbar

Von Georg Wilbertz, 24. Oktober 2020, 00:04 Uhr
Der neue alte Nachbar
Treppenspindel und breite Balkone schaffen ideale Freiräume. Bild: Kurt Höbst

In der Linzer Lederergasse adaptierten mia2 Architekten ein altes Stadthaus. Auf vielfältige Weise gestaltet es Bezüge zu seinen Nachbarn.

Neue Nachbarn werden oft kritisch beäugt. Altbekannte Nachbarn, die sich stark verändern, können verwundern. Ein dreigeschoßiges, unspektakuläres Gebäude bildet den Kern einer sorgfältigen Adaption durch das Linzer Büro mia2 Architektur. Die historischen Wurzeln des Gebäudes reichen ins 17. Jahrhundert.

Dieser Altbestand wurde um drei weitere Geschoße aufgestockt. Von diesen liegen zwei unter den neuen hohen Dachflächen. Große, über zwei Geschoße reichende Gauben öffnen mit viel Licht und Ausblick loftartige Dachwohnungen zur Lederergasse.

Durch die heute keinesfalls selbstverständliche Aufstockung mit einem Satteldach knüpft der Bau bewusst an die traditionelle Stadthaus-Typologie an und bleibt organischer Teil der Häuserflucht. Alt und neu werden straßenseitig behutsam, aber klar differenziert. Die unteren Geschoße behalten ihre schlicht verputzte Lochfenster-Fassade bei. Eine fein profilierte und plastisch-rhythmisierte Vertikalrasterung markiert die neu hinzugekommene Aufstockung. Eine spannungsreiche, trotzdem harmonische Gesamtwirkung der Fassade ist die Folge.

Der neue alte Nachbar
Behutsame Verbindung von Alt & Neu Bild: Kurt Höbst

Südlage optimal genutzt

Gartenseitig wurde der ursprüngliche Charakter stark verändert. Dies ist nicht nur heutigen Wohnansprüchen geschuldet. Auch die Südausrichtung wurde als naheliegende Chance begriffen, um die Wohn- und Aufenthaltsqualität mit einem tiefen, konstruktiv möglichst leicht wirkenden "Balkonregal" zu steigern. Die Leichtigkeit der Konstruktion sowie die Wiederverwendung von – an einer anderen Baustelle gefundenen – Balkongeländern aus den 1950ern lassen ein ansprechendes, grafisches Linienspiel entstehen. Die Tiefenstaffelung belebt nicht nur das Haus selbst, sondern die vorgefundene Hofsituation insgesamt.

Ein besonderer Blickfang ist die große, elegant geschwungene Wendeltreppe aus eigens entwickelten Betonfertigteilen. Im Freien stehend, nur eingehüllt in ein Stahlnetz zur sicheren Erschließung der Obergeschoße, soll sie sich über die nächsten Jahre zu einem grünen Turm verwachsen und den kleinen Garten um ein markantes, vertikales Element bereichern.

Sich auf eine derart komplexe historische Bausubstanz planerisch einzulassen, ist zumeist ein Abenteuer. Sandra Gnigler von mia2 bestätigt dies bei einer Führung durch das Haus. Am Anfang steht eine solide, gründliche Bauforschung. Sie dient nicht nur der Klärung der historischen Vorzustände des Gebäudes oder der Abstimmung mit den Intentionen des Denkmalschutzes. Daneben ist sie auch in technisch-konstruktiver Hinsicht eine wichtige Voraussetzung für den folgenden Umbau. Vielleicht wichtiger, weil letztendlich sicht- und erlebbar, ist allerdings die Rolle des forschenden Blicks für die Gestaltung. Er erlaubt es, die in der historischen Substanz "schlummernden" gestalterischen Möglichkeiten optimal zu nutzen. Dies geht bis zum Erhalt historischer Materialien und Oberflächen im Inneren, die maßgeblich zur außergewöhnlichen Raumatmosphäre beitragen. Zwar schränkt die bestehende Substanz eine völlig freie räumliche Gestaltung ein. Andererseits ergeben sich, lässt man sich auf das Bestehende ein, ungewöhnliche und reizvolle Raumsituationen jenseits aktueller Standards. Und so finden sich in der Lederergasse unterschiedliche, überraschende und variantenreiche Grundrisse und Innenräume. Hinsichtlich dieser Aspekte ist es immer ein positives Indiz, wenn Architekten nicht nur ihr Büro im eigenen Gebäude betreiben, sondern auch in diesem wohnen.

"Klassisches" Stadthaus

Es war ein in jeder Hinsicht komplexer Prozess, den "alten Nachbarn" in der Lederergasse neu zu beleben. Dabei fallen manche Qualitäten des Gebäudes erst auf, wenn man auf sie hingewiesen wird. So konnte beispielsweise der bei Neubauten in Innenstädten inzwischen standardmäßige "Garagenschlund" (Gnigler) vermieden werden. Der breite Bürgersteig erfüllt weiterhin ungehindert seine Aufgabe als lebenswerter Stadtraum.

Jetzt, wo es dasteht, drängen sich die Akribie und der Ideenreichtum, mit denen sich die Architekten dem Alt- und Neubestand gewidmet haben, nicht mehr auf. Sie führen in Summe zu einem "klassischen" Stadthaus, das dezent, aber bestimmt seine gestalterischen Potenziale ausspielt.

Daten und Fakten

Funktion: Wohnhaus mit Büroflächen im Erdgeschoß
Entwurf: mia2 Architektur (Sandra Gnigler und Gunar Wilhelm), Lederergasse 24, 4020 Linz
Bauherr: privat
Wettbewerb: 05/2014 bis 10/2018
Eröffnung: 08/2020
Konstruktion/Material: Mischbauweise: Holzbau in Kombination mit Beton und Ziegel. Ökologische Aspekte: hoher Anteil an nachwachsenden Rohstoffen, Holzbau, Solarthermie

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Georg Wilbertz
Georg Wilbertz

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