Schwerelos in Schweden

Fühlen Sie sich manchmal auch ein wenig gestresst? Zu viel Arbeit? Oder bringt der Alltag Ihren Pulsschlag und Blutdruck in unangenehme Höhen und Sie aus der Balance?

Für ewig nach der inneren Ruhe Suchende gibt es aber Perspektiven. Sie müssen nicht gleich aus dem Hamsterrad springen. Yoga hilft. Moderate Sportübungen sind auch nie verkehrt. Oder man begibt sich in die Natur und schaut ins Grüne. Vorzugsweise nach Dalsland in Westschweden, zwei Stunden von Göteborg entfernt: ein Naturparadies mit mehr als tausend Seen, verwunschenen Wäldern, wilden Tieren und viel Ruhe. Bereits drei Tage Aufenthalt genügen, um das Wohlbefinden beachtlich zu steigern. Vorausgesetzt, man übernachtet in einem Glashaus – der Schlüssel zur Senkung des Stressniveaus.

Wer im Glashaus sitzt ...

Vor einem Jahr untersuchten schwedische Wissenschafter die Auswirkungen eines naturnahen Lebenstils auf die Gesundheit und errichteten dazu Glashäuser – die "72 hour cabins". Gerade ein Doppelbett hat in dem Glaskobel Platz. Der Rundumblick ist einzigartig. Rechts und links stehen statt Wandschrank und Nachtkästchen imposante Kieferngewächse, die Verlängerung des Fußendes geht in eine pittoreske Seenlandschaft über. Und wer nur in den Himmel schauen möchte, braucht sich nur auf den Rücken zu legen. Am Tag darf man vom Holzbett aus Wolken und in der Nacht Sterne zählen. Und wenn man genug gerechnet hat, zieht man sich die Decke über den Kopf und schläft glückselig ein.

Wenn die Sonne wachkitzelt und flüstert, das Bett zu verlassen, dann befolgt man am besten den Rat und geht einfachen Aktivitäten nach. Für die Schweden heißt das: angeln, baden und kochen. Alles im Freien, mitten in der Natur. So wird der Countdown zum Glück gestartet, wie Wissenschafter herausgefunden haben. Walter Osika, Stressforscher und Professor am renommierten Karolinska-Institut, zeigt sich überrascht, was drei Tage Rückzug im Glashaus für signifikante Änderungen bedeuten. "Ein naturnaher Lebensstil kann das Wohlbefinden der Menschen verbessern, zumindest kurzfristig. Wir konnten sehen, wie sich das Stressniveau um fast 70 Prozent verringerte, das ist beachtlich", erklärt er.

Tatsächlich beruhigten sich die untersuchten Parameter wie Blutdruck und Puls bei den Probanden. Auch bestehende Angstgefühle wurden verringert. Umgekehrt stiegen die Verbundenheit mit der Natur und die Kreativität der Teilnehmer. Und damit das Ergebnis nicht nur der Wissenschaft dient, erbauten die Schweden zur allgemeinen Hebung des Lebensgefühls einige Glaskabinen. Diese können von Stressgeplagten und Ruhesuchenden gebucht werden.

... darf auch darin schlafen

Drei Tage beträgt die Aufenthaltsdauer. Kürzer ergibt weniger Sinn und verfehlt den Erholungswert. Mobiltelefone sind zwar erlaubt, bringen aber die Testpersonen auf unnötige Abwege. Entscheidend ist, dass man den Kontakt zur Natur sucht und dadurch sein Wohlbefinden steigert.

Johan Engström sammelte bereits in einem der Glashäuser Kräfte. Grundsätzlich ist Herr Engström ein Naturbursch. Regelmäßig nimmt er am Wasalauf – der weltgrößten Skilanglaufveranstaltung – teil, durchpflügt die schwedischen Seen mit seinem Kajak, und wenn er nicht im Freien übernachtet, ist er für den westschwedischen Tourismusverband tätig. Herr Engström bewertet die Zeit in den Glashäusern folgendermaßen: "Der große Unterschied zum Zelt ist, dass man noch intensiver mit der Natur verbunden ist. Ein Gefühl von vollkommener Freiheit überkommt einen. Und trotz der Verschmelzung mit der Natur fühlt man sich beschützt und schläft komfortabel."

Eines der Glashäuser, das skandinavisches funktionales Design mit der Natur verbindet, steht in Dals Långed bei Dalslands Aktiviteter. Lichtdurchlässig, in die Natur eingebettet, thront es auf einer Klippe und bietet einen gloriosen Blick auf die Wildnis.

Eigentümer ist Pontus Gyllenberg, dem 2016 der Tourismuspreis von Dalsland verliehen wurde. Pontus wirkt besonnen, als wäre er selbst in einem Glashaus aufgewachsen und dort zur Ruhe gereift. Tatsächlich betreibt Pontus seit 1993 eine prächtige Farm mit Elchpark, vielen Wandermöglichkeiten und Freizeitaktivitäten: ein Naturrefugium und Palais der Entspannung. Für Gäste heißt dies: tief Luft holen, den langhaxigen Elchen beim Äsen zuschauen, und schon fährt der eigene Betrieb auf Entspannungsmodus zurück.

Freilich muss man nicht in der "72-Stunden-Kabine" einschlummern, um innere Ruhe zu finden. Ein Tipi, mitten im Nadelwald, hilft auch. Den vertrauten Luxus aus der Großstadt darf man sich im Zelt zwar nicht erwarten, dafür ist der Kontakt mit der Natur einprägsam. Als Matratze dienen aromatisch duftende Kiefernzweige, das Leintuch sind zwei Rentierfelle, und als Bettzeug wärmt ein Schlafsack.

Im Genuss schwelgen

Die lauschigsten Unterkünfte helfen nichts, wenn man hungrig zu Bett gehen muss. Diesbezügliche Ängste können seelenruhig von der Bettkante gestoßen werden. Zum einen fordern bereitgestellte Angelruten dazu auf, diese auch zu benutzen und einen Fisch aus dem See zu angeln. Zum anderen hat Pontus für den fanglosen Fall genügend Proviant in petto und grillt auf einer Feuerstelle köstlichen Wildlachs.

Wer auf einer anderen kulinarischen Wolke entschweben will, bucht am besten einen Tisch in Baldersnäs Manor. Das herrschaftliche Anwesen mit englisch gepflegtem Park bietet neben zwei Glashäusern auch die Möglichkeit, in schmucken Zimmern zu übernachten und danach von einer feinen Küche verwöhnt zu werden. "The White Guide" gilt in Schweden als einflussreicher Gastroguide des Nordens und empfiehlt das Restaurant als eines der besten Schwedens aufgrund des saisonalen Zugangs und der handwerklichen Umsetzung.

Spezialität des Lokals sind Eier, die im 63 Grad heißen Wasser 63 Minuten lang pochiert und danach schwimmend in einer Brennnesselsuppe serviert werden. Ein anderer lukullischer Höhepunkt sind Zimtschnecken, die von den Schweden in Perfektion gefertigt werden. Besonders fein gelingen sie bei "Upperud 9:9" – eine weitere Oase der Ruhe. Der ehemalige Silo wurde von Kerstin Söderlund zu einem Designhotel umgebaut und bietet neben ausgezeichneten Gerichten Platz für Konzerte und den Einstieg in den idyllisch gelegenen Pilgerweg, der zwischen Upperud und Edlesko beginnt. Spätestens wenn dort ein paar Kilometer bewältigt worden sind, ist der Stress nur noch als eine kleine Knospe im Leben wahrnehmbar.

 

 

Infos

Glashaus: In der Natur übernachten, den Blick in den Sternenhimmel schweifen lassen und den Komfort eines schön designten Bettes genießen. Angenehmer Nebeneffekt. Das Stresslevel sinke nach drei Tagen um 70 Prozent, heißt es.
visitsweden.de/72hcabin

Tipi: Das Abenteuer beginnt spätestens beim Eintritt in das Zelt, wo flauschige Rentierfelle Naturburschen und -mädchen wärmen.
dalslandsaktiviteter.com

Herrenhaus: gelungene Kombination aus Charme des vorigen Jahrhunderts und Luxus. Wer es heiß mag, rastet in der Panorama-Sauna am Seeufer.
baldersnas.eu

Designhotel: Große Raumhöhen, ein großartiger Blick in die Seenlandschaft und großzügig gestaltete Zimmer in modernem Design zeichnen den ehemaligen Getreidespeicher aus.
upperud.se