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Prachtvolles am Pilgerweg

Von Monika Raschhofer, 03. November 2018, 00:04 Uhr
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Bildergalerie Unterwegs im südbayerischen Pfaffenwinkel
Bild: mora

Im südbayerischen Pfaffenwinkel gibt die Pilgerbegleiterin gute Gedanken mit auf den Weg. Nach stundenlangem Gehen in der Natur beeindrucken die stuckverzierten Rokoko-Kirchen doppelt.

Ersatzprogramm bei Schlechtwetter gibt es nicht. Gepilgert wird bei jedem Wetter, solange es nicht gefährlich ist. Nebel und Wolken erlauben zwar keine Fernsicht in die Berge. Bis zum blattreichen Boden, zum vorangehenden Pilger und den Wegmarkierungen reicht die Sicht aber. Der Wind ist zwar böig, aber nicht bedrohlich. Der Regen nur leicht und fein und manchmal sogar weg. "Neue Grenzerfahrungen" – unter dieses Motto hat Pilgerbegleiterin Gabriele Hoss-Reinhard ihre Denkanstöße gestellt, die sie in Kapellen, vor Holzstößen, an Weggabelungen, neben Baumriesen, auf Moorpfaden, bei Sinterterrassen – und in den überaus prachtvollen Kirchen des Pfaffenwinkels mitteilt.

Prachtvolles am Pilgerweg
"Die Angst vor der Gefahr ist größer als die Gefahr. Angst entsteht im Kopf. Mut auch.“ Gabriele Hoss-Reinhard, Pilgerbegleiterin mit Humor, vor einem lustigen Verkehrszeichen am Weg Bild: mora

Das stete Gehen, die pure Natur, die eigenen Gedanken, der Weg. Sonst nichts. Und dann bleibt der Mund offen, wenn die Kirchentür aufgeht und der aufs Wesentliche reduzierte Pilger plötzlich vor prachtvollem Stuck, vielen Gemälden und reich gestaltetem Altarraum steht. 159 Kirchen stehen im Pfaffenwinkel. Jede hat ihre Besonderheit, und jede ist reichlich mit Stuck verziert. Das wurzelt im Kloster Wessobrunn, wo von 1660 bis zur Reformation rund 600 Stuckateure ihr Handwerk perfektionierten, bevor sie auszogen, um Kirchenwände zu verschönern.

Manche kamen weit herum, aber selbstverständlich wurden auch die Gotteshäuser in der näheren Umgebung kunstvoll ausgestaltet. Als Katalog für Auftraggeber fungierte das Kloster Wessobrunn – im Maßstab 1:1. Alle gängigen Motive waren in den verschiedenen Räumen zu sehen und konnten bestellt werden. Im 88 Meter langen Schmuckgang erklärt Martina Gebhardt, dass sie auf Umwegen zur Kloster-Eigentümerin wurde.

Als sie sich bei den Schwestern beschwerte, weil das Kloster an Private verkauft werden sollte, machten diese ein Angebot: "Wäre das nicht das Richtige für Sie?" Gebhardt hatte Architektur studiert und sich mit historischen Gebäuden beschäftigt. Und sie ist seit Jahren mit ihrer Naturkosmetik-Linie erfolgreich. Sie vermietet Räume des Klosters für Hochzeiten, Präsentationen und Filme. "Jetzt habe ich einen ganzen Klostergarten für meine Kräuter", freut sich die Unternehmerin, die seit Jugend an selbst Salben mixt.

Impulsgeber: Worte, Tafeln, Kirchen

"Das ist Minze, mmhhh, riecht gut. Das daneben Brennnessel, eine bewährte Heilpflanze", lenkt Pilgerbegleiterin Gabriele Hoss-Reinhard den Blick auf die Kräuter am Wegesrand. Und geht in ihrem nächsten Impuls auf Grenzen im Kopf ein: "Die Angst vor der Gefahr ist größer als die Gefahr. Einige lächeln, ich sehe, ihr kennt das. Angst entsteht im Kopf. Mut auch." Nach einem einfachen Mitsinglied schickt sie die Pilger mit diesen Gedanken auf die nächste Wegstrecke.

Auch wer ohne Begleitung pilgert, findet unterwegs Anregungen zum Nachdenken – auf Tafeln am Wegrand. "In allen Wetterlagen für das Leben lernen", steht da. Regen und Wind erscheinen auf einmal gar nicht mehr so schlimm. Und jede Kirche am Weg bietet Anregungen zum Innehalten, zum Staunen, zum Betrachten, zum Nachdenken.

In der Rottenbucher Kirche prangt weißgoldener Stuck an allen Säulen und Wänden und lässt den Blick von einer Verzierung zur nächsten tanzen. Hinsetzen, um nicht schwindlig zu werden. Die Augen wandern lassen. So viele Figuren, aus Holz gemacht und strahlend weiß verkleidet. So helle Decken- und Wandgemälde. All dies, auch Bänke und Böden, wurde im 18. Jahrhundert von Künstlern aus der Region geschaffen. "Mit dem einzigen Ziel, ein Stück Himmel auf Erden sichtbar zu machen", erklärt der junge Pfarrer Josef Fegg. Der Alltag der Menschen damals sei ja meist nicht sehr rosig gewesen, setzt er nach. Das Leben des heiligen Augustinus – der in jungen Jahren ja alles andere als ein Heiliger war – ist in den Bildern an den Wänden im Hauptschiff dargestellt, in Zickzack-Reihenfolge. Baby, Mann und Frau im Altarbild, aber es ist nicht die bekannte Weihnachtsszene. Maria ist hier das Baby, drunter ihre Eltern Joachim und Anna.

Prachtvolles am Pilgerweg
Im mittelalterlichen Schongau steht das Ballenhaus, in dem früher Fuhren gewogen wurden. Bild: mora

Die Wieskirche beeindruckt schon von außen. Rundherum nur ein paar Häuser, Kuhweiden fast bis zur Kirchentür – und dann dieses enorm große Bauwerk. Die 420 Putten, die kindlichen Figuren, die oft für Engerl gehalten werden, wirken da besonders verspielt. Der gegeißelte Heiland im Altar ist fast 300 Jahre alt und Vorbild für 4500 Figuren weltweit, 240 davon in Oberösterreich. Am besonderen Knoten seines Lendentuchs ist der Zusammenhang erkennbar. "Es ist die lichtvollste Kirche in Deutschland, und hier ist nichts zu finden, was Angst macht. Sogar für das Gewand des Teufels blieb noch etwas Blau übrig, die Farbe der Barmherzigkeit", sagt Pfarrer Gottfried Fellner mit einem Lächeln.

Die Doppelkirche Hohenpeißenberg blieb nur erhalten, weil es 1803 bei der Säkularisierung zu mühsam war, alles ins Tal zu schleppen und dort als Baumaterial zu verwenden. Am markanten Bergrücken mit Kirche – die Turmspitze liegt auf genau tausend Metern Seehöhe –, ältester Wetterstation Deutschlands und modernem Sender beginnen alle drei Schleifen der Pfaffenwinkler Pilgerwanderungen (siehe Info unten). Der berühmte Jakobsweg führt hier auch vorbei. "Etwa 7000 Stempel im Jahr", kennt Bürgermeister Thomas Dorsch die Frequenz. Wie viele Pfaffenwinkel-Pilger es gebe, könne nicht erfasst werden.

Leierspieler und Segelflieger

"Engagierte Gelassenheit" – wie gut, dass Pilgerbegleiterin Gabriele am Morgen genau dieses Motto ausgegeben hat: Die Sohlen der Wanderschuhe lösen sich zu Mittag plötzlich ab, naja, irgendwie wird’s schon gehen. Zwei aus der Gruppe packen an: Mit festem Tapeband und Kabelbindern fixiert, halten die Sohlen noch einige Stunden. Lang genug, um den anspruchsvolleren Teil der Tagesstrecke gut mitgehen zu können – durch Wälder, über Holzstiegen und Eisenbrücken, das Auf und Ab in der Ammerschlucht.

Prachtvolles am Pilgerweg
Einer der drei Pilgerwege führt durch die wildromantische Ammerschlucht. Bild: mora

"Grenzen können einengen, aber auch Schutz bieten." Zum Nachdenken gibt Gabriele jedem ein Stück Hasendraht mit auf den Weg. Und lenkt den Blick auch auf den Rotmilan, die Rehe, alte Bäume... Den großen Überblick über die Region Pfaffenwinkel gibt’s vom Motorsegler aus, Martin Pape startet mit Fluggästen in Paterzell. Besondere Einblicke ins Mittelalter gibt es bei einer Tour in Schongau mit historisch gewandeter Stadtführerin, die aus dem Roman "Henkerstochter" liest, den Nachfahre Oliver Pötzsch geschrieben hat. Eine Flötistin und ein Leierspieler begleiten im historischen Ballenhaus. 

 

Pfaffenwinkel: Pilgern

Heilige Landschaft Pfaffenwinkel: Drei Touren verbinden Kirchen, Klöster und Natur, Ausgangspunkt ist jeweils der Hohe Peißenberg. Die Nordschleife (grün markiert) steht unter dem Motto „Sprudelnde Quellen“ und führt an den Ammersee, nach Wessobrunn, Andechs und Weilheim. Die Ostschleife (blau) mit dem Motto „Spiegelnde Wasser“ geht durch Polling, Weilheim, Bernried, Benediktbeuern und Penzberg. Die Westschleife (rot) trägt das Motto „Wilde Flüsse“ und verläuft durch die Ammerschlucht nach Rottenbuch, zur Wieskirche, nach Steingaden, Auerberg und Schongau.

Andere Wanderwege führen ebenfalls durch den Pfaffenwinkel, der Jakobsweg etwa (Wessobrunn, Peißenberg, Rottenbuch, Wieskirche...), und der König-Ludwig-Weg (Hohenpeißenberg, Rottenbuch), auch der LechErlebnisWeg (Schongau). Noch jung ist der Pfaffenwinkler Milchweg (Rottenbuch).

Internetadressen:
pfaffen-winkel.at
pfaffenwinkler-pilgerbegleiterinnen.de
klosterwessobrunn.de
wieskirche.de
paterzell.de (Luftsportverein)

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