"Ich schäme mich": So reagierten die Parlamentarier auf den FPÖ-Protest

WIEN. Der Protest der Freiheitlichen gegen Selenskyjs Rede im Nationalrat löste bei den anderen Fraktionen großen Ärger und Unverständnis aus.
Die FPÖ-Abgeordneten platzierten Tafeln mit der Aufschrift "Platz für Frieden" und "Platz für Neutralität" auf ihren Pulten und verließen den Saal, ehe der ukrainische Präsident zu Wort kam.
Die anderen Fraktionen wiesen die Freiheitlichen zurecht. Selbstverständlich sei Selenskyjs Rede mit der Neutralität vereinbar, betonte der außenpolitische Sprecher der ÖVP, Reinhold Lopatka. Er kritisierte, dass die FPÖ-Abgeordneten dem ukrainischen Präsidenten den Rücken gekehrt haben: "Schade, dass sie ein solches Verhalten an den Tag legen. Wirklich schade."
- "Nicht neutral gegenüber dem Bösen sein": Das sagte Selenskyj bei seiner Rede
Bildergalerie: FPÖ-Protest bei Selenskyj-Rede im Nationalrat

"Kickl ist solidarisch mit Putin"
Die Ukraine habe sich "mutig und entschlossen" dem Aggressor Russland entgegengestellt - "das verdient Respekt". Die Ukraine führe diesen Abwehrkampf auch für die freie westliche Gesellschaftsordnung. Dass der Internationale Strafgerichtshof ein Verfahren gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin eingeleitet hat, sei richtig - Putin habe aber weiter Unterstützer in der Welt, und auch in Österreich, wie man gesehen habe, bedauerte Lopatka. "Kickl ist solidarisch mit Putin, wir sind es mit der Ukraine."
"Wenn hier im Hohen Haus jemand die Neutralität verrät, dann ist es die FPÖ", meinte auch die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic. Die FPÖ entziehe sich dem demokratischen Diskurs, und "das ist eine Schande", betonte sie. "Österreich ist solidarisch an der Seite der angegriffenen Ukraine." Dieser Krieg gefährde massiv die Stabilität in der gesamten Welt. Mit Blick auf die aufgenommenen Vertriebenen bedankte sich Ernst-Dziedzic bei der Zivilgesellschaft, dass sie derart solidarisch sei.
Pamela Rendi-Wagner krank
"Wenn man in einem Jahr ausschließlich 30 pro-russische Anträge hier einbringt, ist das weder ein Signal für Frieden noch ein Signal für Neutralität", schloss sich auch SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried der Kritik an der FPÖ an. Österreich habe von Beginn an schnell und entschlossen auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine reagiert. Er hoffte, dass die "Konfliktspirale" bald gestoppt werden kann. Die außenpolitische Sprecherin der SPÖ, Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner war nicht anwesend. Wie ihre Sprecherin gegenüber der APA erklärte, sei Rendi-Wagner krank.
Meinl-Reisinger: "Ich schäme mich heute sehr"
Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprach Selenskyj Respekt und Anerkennung aus. Die Ukraine kämpfe gegen "blinde Zerstörungswut". Russland führe nicht nur einen Krieg gegen die Ukraine, sondern gegen Europa und den gesamten Westen. Sie frage sich, welches Kriegsverbrechen Putin nicht begangen habe in der Ukraine, besonders hob sie die hohe Zahl an Kindesentführungen hervor. Wer hier auf der falschen Seite stehe, "macht sich zum Kollaborateur von diktatorischen Regimen", richtete sie den FPÖ-Abgeordneten aus. "Ich schäme mich heute sehr", erklärte Meinl-Reisinger, dass es auch hier im Hohen Haus Abgeordnete gebe, "die nicht unterscheiden können zwischen Opfern und Tätern".
Auf der Regierungsbank wohnten Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), Sozialminister Johannes Rauch (Grüne), Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP), Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Staatssekretär Florian Tursky (ÖVP) der Veranstaltung bei. Von der Galerie aus verfolgten unter anderen Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der ukrainische Botschafter Wassyl Chymynez und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Oskar Deutsch die Rede.
Demonstration vor dem Parlament
Vor dem Parlament demonstrierten dagegen an die hundert Friedensaktivisten, Vertreter der Kulturszene und linken Gruppierungen gegen die Rede Selenskyjs. Aktivist Stefan Krizmanich etwa sprach von einer "Schande für die Republik", dass ein Präsident, der offen mit Ultranationalisten kooperiere, die Opposition ausschalte und Schwarze Listen dulde, das Wort im Parlament ergreifen durfte.
Die Rede von Jörg Leichtfried (SPÖ):
Die Rede von Reinhold Lopatka (ÖVP):
Rede von Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne):
Die Rede von Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger:
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