"Sein Ego schreit nach Rache"
Ali Grasböck, OÖN-Kolumnist
"Wenn man sich in unserem lieben Österreich umschaut, sieht man hauptsächlich Menschen, die sich zu benehmen wissen und die im Normalfall relativ freundlich miteinander umgehen. Seit jedoch die „sozialen“ Medien so wichtig geworden sind, drängt sich der Eindruck auf, dass unter der Oberfläche der Hass brodelt und manche auch keine Hemmungen mehr haben, die Welt von ihrer abgrundtiefen Blödheit in Kenntnis zu setzen.
Teilweise könnte man vielleicht sogar Mitleid empfinden. Etwa mit dem Typ, den wir wissenschaftlich nicht ganz korrekt als „gewöhnlichen Vollkoffer“ einordnen. Schon vor der Internet-Zeit, etwa im Wirtshaus, haben andere gelegentlich angedeutet, er könne froh sein, dass Dummheit nicht weh tue, sonst müsste er Tag und Nacht vor Schmerzen schreien.
Er schreit nicht, sondern schreibt, und der Dichter stellt ihn sich so vor: „Er ist ein armes Würstchen, man nennt ihn oft ein Weh / Sein Ego schreit nach Rache, und die nimmt er am PC.“ Hoffen wir für ihn, dass ihm das zu fad wird, bevor er sich eine chronische Wutkrankheit einfängt.
Weiter oben auf der Skala der Bösartigkeit stehen die Leute, die anderen schaden wollen, weil sie das als eine Art Geschäftsmodell betrachten. Zum Beispiel in Wirtschaft und Politik, indem sie Konkurrenten madig machen und dafür bezahlt werden, was natürlich niemand zugeben wird.
Weil Satire vieles darf, stellen wir uns vor, wie so ein Auftrag abläuft. Anruf bei einer Profi-Hass-Agentur: „Startet einen Shitstorm gegen den Minister Sowieso und baut vorsichtig ein Sex-Gerücht ein, aber nichts Klagbares! Stellt euch außerdem bei jedem dritten Text ein bisschen dumm und baut ein paar Rechtschreibfehler ein, damit es so wirkt, als käme das Zeug von gewöhnlichen Vollkoffern aus dem Volk.“
Die Zeit, in der ein hinterfotziger Charakter mühsam einen anonymen Brief verschicken musste, ist vorbei, doch die Gesellschaft wird auch mit den „sozialen“ Medien fertig werden. Eines Tages wird man die Hass- und Lügenkoffer spüren lassen: Die anonymen Briefschreiber von einst haben Briefmarken abgeleckt. Für euch wüssten wir was anderes."