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Superklos und Eulen-Cafés

Von Bernhard Lichtenberger, 15. Dezember 2019, 00:04 Uhr
Superklos und  Eulen-Cafés
Die Lage ist unschlagbar: der berühmte Goldene Pavillon in Kyoto Bild: beli

Japan ist anders. Eine Entdeckungsreise zu Schreinen, in denen das Glück etwas kostet, und zu Kuriosem, das von absolut pünktlichen Zügen bis zu Tätowierten reicht, denen das Baden verboten ist.

Baden kann so einfach sein. Daheim. In dem Inselstaat bewegt sich der Entspannung suchende Fremde in den öffentlichen Badehäusern auf dünnem Eis. Mir nichts, dir nichts ins warme Becken zu hüpfen, spielt es nicht. Eine Tafel am Eingang klärt auf: Schuhe in ein Plastiksackerl, Kleidung in den Spind, Handtuch nicht vergessen, den nackten Körper säubern. Aber wo? In gefliesten Kojen liegen weiße Schüsseln auf weißen Schemeln, beides aus Kunststoff. Jetzt nur nicht gegen die Etikette verstoßen! Ein befragter Japaner im Adamskostüm weist in die Ecke. Aha, eine Dusche. Das sollte selbst einer Langnase gelingen.

Schwindende Sinne

Einigermaßen entschmutzt darf man endlich ins warme Wasser – eine Wohltat für die nach smartphonegezählten 21.837 Schritten durch Tokio strapazierten Beine. Das Annehmliche weicht nach einer Viertelstunde dem Gefühl langsam schwindender Sinne. Wie heiß ist das denn? Um dem Japaner die Bergung eines ohnmächtigen nackten Westlers zu ersparen, schleppt man sich auf den Plastikstuhl in einer Koje mit Spiegel, der die gerötete Haut wiedergibt. Duschgel, Shampoo und Rasierschaum lassen ahnen, dass dies der rechte Ort für die Erstreinigung gewesen wäre. Als Novize ist man eben nicht mit allen Wassern gewaschen.

Die Tafel im Entree weist auch darauf hin, dass nicht jeder oder jede in den nach Geschlechtern getrennten Bädern willkommen ist. Tätowierte können sich brausen gehen. Arschgeweihe und sonstige unter die Haut gehende Tintenbilder werden von der Regierung unentspannt betrachtet und mit der Yakuza verbunden, der heimischen Mafia. Das genadelte Motiv spielt dabei keine Rolle.

Beim Sightseeing gewöhnt man sich mit der Zeit daran, dass einem im Gewurle Gestalten entgegenkommen, deren halbes Gesicht hinter einer OP-Maske verschwindet. "Im Frühling, wenn die Pollen der Zedern durch die Luft fliegen, trägt jeder Dritte so einen Mundschutz", sagt die Tokioter Reiseleiterin Mitsuko. Doch nicht nur Allergiker verhüllen sich mit dem Zellstoffschutz. Man sieht ihn bei jenen, die Angst vor einer Erkältung haben, ebenso wie "bei neurotischen Menschen und ungeschminkten Frauen. Und wenn viele solche Masken tragen, braucht sich deswegen auch keiner zu schämen".

Ein Muss: Dort, wo man muss

Die Japaner sind ein stolzes Volk. Das Lobpreisen macht nicht nur beim verehrten Kaiser auf dem Chrysanthementhron Halt. Es geht viel tiefer, bis zu jener Örtlichkeit, zu der auch ein Tenno zu Fuß gehen muss. "Die japanische Toilette muss weltweit verbreitet werden, denn wenn wir im Ausland sind, leiden wir", sagt Mitsuko und empfiehlt, im Hotel gleich einmal die Annehmlichkeiten eines Nippon-Klos zu testen.

Superklos und  Eulen-Cafés
Die Japaner nehmen es genau: Der Zug ist auf die Minute pünktlich, der Weg zum Klo exakt ausgemessen. Bild: beli

Die vor Sauberkeit blitzenden Hightech-Schüsseln dienen der Notdurft nicht nur notdürftig. Zielort, Druck und Temperatur des reinigenden Wasserstrahls sind über Knöpfe zu regeln. Die edle Ausführung verfügt über eine beheizte Klobrille und ein trocknendes Gebläse. Wiewohl die Einheimischen beim After-Work-Karaoke keinen Genierer kennen, sind manche Töne schambehaftet. Wird die Taste mit einer Note als Symbol betätigt, erfüllt gurgelndes Spülgeräusch das stille Örtchen, um laute Flatulenzen zu übertünchen. Ob im Kaufhaus, an der Kulinarik-Meile oder in der U-Bahn-Station – stets findet sich ein multifunktionales Dusch-WC, das sich der menschlichen Bedürfnisse annimmt.

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Was kompliziert und verwirrend aussieht, ist schnell erklärt und entschlüsselt: das U-Bahn-System Tokios. Bild: beli

Glück im Verkehr

Natürlich ebenso bei den shintoistischen Schreinen und buddhistischen Tempeln und Pagoden, von denen das Land übersät ist und die Besucher wie das Licht die Motten anziehen. Die meisten Japaner fühlen sich beiden Religionen zugehörig, was recht praktisch ist, weil so irdisches und jenseitiges Glück verschmelzen. Wobei man sich, was das Glück betrifft, nicht auf das Vogerl verlässt. Im Tosho-gu-Schrein von Nikko, in den mit Zedern bewaldeten Bergen nördlich von Tokio, ist es käuflich. Ab 800 Yen (etwa 6,60 Euro) werden Talismane für alle Lebenslagen verscherbelt, von der Sicherheit im Verkehr über erfolgreiche Studien bis hin zur problemlosen Geburt.

Wer das Geschiebe in einer schuhlosen Karawane bis ins Innerste des Schreins erduldet hat, genießt die Ruhe auf dem Weg zum Mausoleum des Shogun-Enkels. Ginkgo- und Ahornbäume tragen ein herbstlich-buntes Blätterkleid, helles Moos überzieht die Spalier stehenden Steinlaternen.

Ein riesiger Lampion, der vom Donnertor baumelt, markiert den Zugang zum bedeutendsten buddhistischen Bauwerk Tokios, dem Senso-Ji-Tempel von Asakusa. Während des Zweiten Weltkriegs brachten 380.000 US-Bomben Zerstörung über das ursprüngliche Viertel, das später originalgetreu wieder aufgebaut wurde, allerdings mit Stahl und Beton statt mit Holz. Der Pfad zum Altar, hinter dem sich eine Buddha-Reliquie befinden soll, führt durch eine lange Standl-Gasse mit Souvenir-Kitsch, ehe man sich an einem Bronzekessel die Schwaden geopferter Räucherstäbchen mit den Händen zufächern darf. Wer sich für seine Zukunft interessiert, zieht eine der zahlreichen Schubladen, in denen Zettel auf Japanisch und Englisch nicht nur Gutes verheißen. Den gelernten Glückssucher entmutigt das nicht. Er öffnet so lange Laden, bis ihn eine Weissagung erfreut.

Am Meiji-Schrein, den ein Wald umgibt, dessen Fläche 100 Fußballfeldern entspricht, wird göttlicher Beistand rituell erbeten: Münze einwerfen, zweimal verbeugen, zweimal klatschen, innehalten, verbeugen, gehen. Der Neid könnt einen fressen, wenn man an die Dauer katholischer Hochämter denkt.

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Ein Wahrzeichen der Hauptstadt: der 333 Meter hohe Tokyo Tower Bild: beli

Dem Himmel kommt man in der Hauptstadt auch auf weltlichere Art näher. Der 1958 erbaute, 333 Meter hohe Tokyo Tower kopiert den Pariser Eiffelturm, den er sogar überragt. Von den beiden Aussichtsplattformen schaut man über die ganze Stadt und merkt, dass deren architektonischer Reiz überschaubar ist.

Essen nach Bildern

Umso prickelnder fallen die Gaumenfreuden aus, wobei die Auswahl der Speisen vor allem eine Sache der Augen ist. Der Schriftzeichen unkundig, deutet man einfach mit dem Finger auf ein buntes Bild, das einem zusagt. Oder man holt sich den Gusto an Restaurant-Schaufenstern, in denen Menüs kunstvoll im Maßstab 1:1 plastisch nachgebildet sind. Bevor es an den Tisch geht, entledigt sich der Hungrige seiner Schuhe. Wessen Miene nach wenigen Minuten im Schneidersitz an der Niedrigtafel als Schmerz zu deuten ist, wähle einen Tisch mit Bodenversenkung für die Beine. Das erleichtert das Sitzen enorm, allerdings nicht das Aufstehen.

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Dem Schriftunkundigen dringend empfohlen: Essen nach Bildern. Bild: beli

Wo Obi kein Baumarkt ist

Ein eigentümliches Dessert wurde uns in einem Lokal in der geschichtsträchtigen Kaiserstadt Kyoto gereicht. Im gelben Kimono, eingewickelt in einen sechseinhalb Meter langen Obi (Gürtel), schwebt eine 18-Jährige in den Raum. Sie ist eine Maiko, eine Geisha in Ausbildung. Fünf Jahre dauert die Lehrzeit, erst mit 20 gilt sie als fertige Gesellschaftsdame, die unter anderem die Teezeremonie, unterhaltsame Spiele, Musik, Tanz und das Arrangement von Blumen beherrscht. In den alten Holzhäusern des Viertels Gion wird die Tradition noch hochgehalten. Beleuchtete Lampions zeigen an, hinter welcher Tür eine Geisha ihrem Gewerbe nachgeht. "Ausg’steckt ist", möchte man in Anlehnung an den Brauch unserer Buschenschanken und Heurigen sagen.

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Um sich vor einer Pagode in Szene zu setzen, reicht auch ein Billig-Kimono. Bild: beli

Zehn Kilo wiegt das Gewand, das die junge Frau, die einen grazilen Tanz vorführt, anmutig schleppt. Das Haar ist kunstvoll frisiert und verziert, eine Stunde wird dafür aufgewendet. Die Frisur muss eine Woche halten, weshalb sie auf einer Holzstütze schlummert, um sich keine Strähne zu verlegen. Da schon nach wenigen Tagen etwas vom rücksichtsvollen Naturell der Söhne und Töchter Nippons auf den Gast überspringt, wagt dieser nicht anzustoßen, wie es denn um die überlieferten Liebesdienste der Geishas tatsächlich bestellt sei. Unsere einheimische Begleiterin scheint zu spüren, dass eine Frage in der Luft hängt. "Der Rest ist verhandelbar", sagt sie. Punkt.

Superklos und  Eulen-Cafés
Wer sich in ein buntes Nachtleben stürzen und architektonisch berührt werden will, macht einen Abstecher in den Süden, nach Osaka. Bild: beli

Wem die Liebe, die durch den Magen geht, genügt, der findet auf dem Nishiki-Markt häppchenweise Befriedigung. Von eingelegten Oktopussen am Stiel bis zu Seeigeln lockt Delikates, allein der kleine Spatz, gegrillt am Spießchen, mag die Genusslust nicht zu beflügeln. Keinen Zwang zur Konsumation gibt es in den skurrilen Cafés, in denen Katzen oder Eulen die Hauptsache sind – nicht zum Verzehr bestimmt, sondern gegen Gebühr zum Streicheln.

Von Tokio nach Kyoto übersiedelt der Reisende übrigens flott und angenehm mit dem Shinkansen. Die 476 Kilometer lange Strecke überwindet der Hochgeschwindigkeitszug in zwei Stunden und zehn Minuten – im Vorbeibrausen darf man sich vor dem 3776 Meter hohen Fuji mit seinem weißen Schneehauberl verneigen. Bei ihrer Ehr’ versichern die Japaner, dass ihr Zug stets pünktlich ist.

Ohne zu hetzen saugt man die Aura jener Stätten auf, die ihrem Sinn gemäß zur Einkehr bitten: in Kyoto der Goldene Pavillon, dessen Glanz sich in einem Teich spiegelt; der Zen-Garten des Ryoan-ji-Tempels, in dessen fein gerechtem Kies 15 Steine auf fünf bemoosten Inseln für das Universum stehen; der Fushimi-Inari-Taisha-Schrein mit seinen 3000 rotlackierten Toren, die sich durch den Forst schlängeln; in Nara der hölzerne Todai-ji-Tempel mit seinem 450-Tonnen-Riesenbuddha aus Bronze. Mit der inneren Einkehr hapert es jedoch wegen der Besucherströme, die diese Stätten überfluten.

Da hilft, so Reiseleiterin Mitsuko, das japanische Superklo. "Darauf kann man meditieren", sagt sie.

Information: Ruefa hat zahlreiche Japan-Reisen im Programm, z.B. City-Break-Trips mit vier Nächten in Tokio (ab 790) oder Kyoto (ab 860) oder Rundreisen inkl. Flug wie "Best of Japan" (ab 3199) oder "Ins Land der Geisha" (ab 3599 Euro) ruefa.at

Flug: Die größte japanische Fluglinie ANA fliegt täglich ab Wien nach Tokio/Haneda; ana.co.jp

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Bernhard Lichtenberger
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1  Kommentar
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alleswisser (18.463 Kommentare)
am 15.12.2019 00:08

"schwebt eine 18-Jährige in den Raum"

Das muss für einen alten weißen Mann verdammt faszinierend sein, um eine Kellnerin extra in SOLCHEN Worten zu erwähnen.

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