Glücklich sind Menschen, die aufs Meer starren
Ein Kreuzfahrt-Selbstversuch auf der "Mein Schiff 4" von Hamburg über Southampton und La Coruna bis Lissabon mit einem wachsenden "Mach mal blau"-Gemüt.
Rund 1500 Tote. Passagiere eines Schiffes, das als unsinkbar galt. Alles penibel aufgelistet, nachgebaute Kabinen, Tagebucheintragungen, Fotos von Verstorbenen – das Protokoll einer Katastrophe. Nein, es ist keine gute Idee beim Landgang während der eigenen Kreuzfahrt-Premiere im Titanic-Museum in Southampton in Südengland die Mutter aller Schiffskatastrophen zu recherchieren. Hier ist der Passagierdampfer am 10. April 1912 zu seiner fatalen Fahrt mit Endstation Eisberg aufgebrochen.
Es gibt ja Gründe, warum man diese boomende Art des Reisens jahrelang verweigert hat. Wer weiß schon, wie Wind und Wellen so eine schwimmende Stadt aufschaukeln. Und hält man das aus, tagtäglich mit 2500 Touristen an einem Ort, von dem eine Flucht unmöglich ist?
Weil gewachsene Neugierde Bedenken dann doch klein prügelt, sitzt man auf der "Mein Schiff 4". Wie überall auf der "Mein Schiff"-Flotte vertieft das Unternehmen Tui Cruises auch hier das "Mach mal blau"-Konzept. Es basiert auf den Erkenntnissen einer Befragung von 2000 Menschen aus dem deutschsprachigen Raum nach deren Wohlfühlkriterien an Urlaubstagen.
Herausgekommen ist ein sinnlicher Strauß von Angeboten in folgender Bedürfnis-Reihenfolge: 1. Sehen, 2. Hören, 3. Schmecken, 4. Fühlen, 5. Riechen. Und weil sich Blau von 47 Prozent aller Befragten als die beruhigendste Farbe etabliert hat, wird auch dieses Ergebnis auf die Argumentationskette der Kreuzfahrtanbieters gefädelt. Nichts wirke so beruhigend, wie stundenlang aufs Meer zu starren.
Wenn man dann im Verbund mit vier weiteren Kreuzfahrtschiffen unter dem Jubel 600.000 feiernder Besucher von der Elbphilharmonie bis ins einst dänische Viertel Altona aus dem blau angestrahlten Hamburger Hafen ausläuft, dann sickert eine unvergessliche Gänsehautvariante von Gruppeneuphorie ein. So weit alles richtig gemacht.
Tui Cruises fettet all das mit einem All-inclusive-Konzept auf, beim dem man mit der Zunge schnalzt – oder es platzt der Hosenbund, je nachdem. Trotzdem ist nicht alles umsonst. Sämtliche alkoholfreien Getränke, Wein, Bier und eine Vielzahl an Cocktails sowie Essen von früh bis spät in sieben Restaurants (in einem davon wird 24 Stunden lang aufgetischt) firmieren unter All-inclusive. Die Angebote der Steak-Bratstube "Surf & Turf", des Nobel-Italieners "La Spezia" und des "Hanami"-Asia-Restaurants kosten extra, aber bleiben im Verhältnis zu ihrer Qualität weit unter dem Preisniveau an Land.
Chefin der edlen Kulinarikbereiche, die Tui erst auf den zweiten Blick schlüssig als "Große Freiheit" zusammenfasst, ist die Salzburgerin Gudrun Lopan. "Große Freiheit heißt es, weil alle Schiffsbereiche in Zusammenhang mit Hamburg benannt sind. Und Große Freiheit heißt eine Straße auf St. Pauli", sagt Lopan. Bei jedem Ablegen kommt obendrein die vom seligen James Last arrangierte Version von "Große Freiheit" der Band Unheilig aus den Lautsprechern. Das kann man mögen, muss man aber nicht.
Aufs Schiff vertrieben
Zusammen mit ihrem Mann Bernd, der die Bars auf allen Decks orchestriert, hat Gudrun jahrelang eine Vinothek in Bruck an der Mur in der Steiermark betrieben. Österreichische Lohnnebenkosten und Gastro-Vorschriften haben die beiden aufs Schiff vertrieben. "Wir arbeiten hier wie eine große Familie. Viele Gastro-Mitarbeiter kommen aus Österreich, weil unsere Ausbildung international sehr geschätzt wird", sagt Gudrun Lopan. Für das vor allem aus Südostasien und Osteuropa stammende Service-Personal, das sich vor Hilfsbereitschaft überschlägt, stellt die Reederei zwei Deutschlehrer. Nach Dienstschluss wird gebüffelt.
Die entspannte Atmosphäre und die kühle Brise verblasen die Kreuzfahrt-Skepsis an den ersten Tagen. Obwohl im Konzertsaal "Klanghaus" das "Humboldt-Streichquartett" Vivaldi im Halb-Playback spielt. Im Theater nebenan mit 1000 Sitzplätzen suchen und finden Musical-Darsteller mitunter die Töne immergrüner Pop-Hadern. Aber auf dem 295 Meter langen und 36 Meter breiten Schiff samt seiner 14 Decks verläuft sich alles. Nirgends entsteht Gedränge. Der 25 Meter lange Außenpool ist konstant auf 29 Grad geheizt.
An Steuerbord haben deutsche Passagiere Österreicher zum Shuffleboard-Wettkampf herausgefordert. Die Stockschieß-Variante ohne Eis erlebt ein Cordoba auf hoher See. Im vollwertig ausgestatteten Fitnessstudio ist so gut wie immer ein Laufband oder ein Rad-Ergometer frei. Als wäre auch diese Attraktion inklusive, begleiten kurz nach dem Ablegen in Southampton nach La Coruna ein Dutzend Delphine das Schiff. Kein Gedanke mehr an die Titanic, sogar der als unwirsch verrufene Golf von Biscaya bleibt zahm.
Sehnsucht nach dem Schiff
Am spanischen Festland wartet der Bus. Er transportiert 50 Passagiere in die Nähe von Santiago de Compostela. Und ausgerechnet die letzten 15 Zu-Fuß-Kilometer des Jakobswegs, auf dem sich Millionen im Jahr zur Kontemplation und zu sich selbst aufmachen, wächst eine merkwürdige Sehnsucht nach dem Schiff – ausgelöst vom der touristisch ausgeschlachteten Sinnsuche mit Souvenirständen nach jedem Kilometer. Das Gefühl lässt sich nicht einmal von rührend singenden, Hand in Hand auf den Kathedralen-Platz in Santiago zumarschierenden Niederländerinnen einfangen. Eine an beiden Knien bandagierte Italienerin wird von ihrer extra angereisten Familie ins Ziel getragen.
Im Bauch des 52.000-Tonnen-Schiffs ist alles in Bewegung geblieben. Jedes Brot wird frisch gebacken, die Nudeln sind selbst gemacht. Obst, Gemüse, Getränke und Fleisch – insgesamt Nahrungsmittel im Wert von 400.000 Euro – wurden in Hamburg geladen. "Das müssen wir so organisieren, weil wir nicht davon ausgehen können, dass wir in den Häfen Produkte bekommen, die unseren Qualitätsstandards entsprechen", sagt Küchenchef Hasan Barbare. Er ist in Aachen geboren, sein Vater stammt aus Marokko, seine Mutter aus Kroatien. Auf dem Schiff disponiert er 40 Köche und 200 Mitarbeiter im Service. Die Abläufe zwischen den zwölf Kühlräumen von plus acht bis minus 25 Grad sind penibel ausgetüftelt. Ein Deck darunter wälzt die riesige Tunnelwaschmaschine pro Tag 2900 bis 7600 Kilo Schmutzwäsche durch die Röhre. Das Abwasser wird an Board gereinigt, der Dreck an Land entsorgt. Für die Duschen bereitet eine gewaltige Osmoseanlage Meerwasser auf. Die Kreuzfahrt-Touristiker lassen keinen Moment aus, um auf die ökologische Verträglichkeit ihrer Sparte hinzuweisen.
In Lissabon ist Endstation. Das Ungetüm hebt sich aus den sanften Wellen. Aber nicht einmal das dröhnende "Große Freiheit" beunruhigt das in sechs Tagen gewachsene "Mach mal blau"-Gemüt.
„Mein Schiff 4“ – Zahlen, Fakten, Reisetermine
Werft: Meyer Turku Oy
Taufe: 5. Juni 2015 in Kiel Schiffslänge: 295 Meter
Schiffsbreite: 35,8 Meter
Tiefgang: 8,05 m
Anzahl Decks: 14
Besatzung: etwa 1000
Flagge: Malta
Geschwindigkeit: max. 21,7 Knoten (rund 40 km/h)
Passagiere: 2506
Passagierkabinen: 1253, 123 innen (2 barrierefrei), 97 außen (4 barrierefrei), 957 mit Balkon (4 barrierefrei), 64 Junior-Suiten 12 Suiten (eigene Lounge)
Außendeck: 17.795 m²
Restaurantfläche: 4952 m²
„Mein Schiff“ von Tui Cruises steuert zum Beispiel ab 17. November und zu vier weiteren Terminen 2019 die Kanaren mit Madeira (7 Tage ab 745 Euro) an, im Dezember Mittelamerika (Dominikanische Republik, Jamaika, Cozumel, Costa Maya, Belize, Puerto Limon, Colon, Cartagena, 14 Tage ab 1515 Euro) an. Ab 6. Jänner 2020 stehen Dubai und Oman (ab 695 Euro) auf dem Programm, im Mai 2020 Großbritannien (Southampton, Dublin, Belfast, Greenock, Invergordon, ab 1595 Euro). Flüge nicht inbegriffen. Weitere Reisen/Infos unter www.tuicruises.com
„Dieses Gefühl von Freiheit ist unbeschreiblich“
Jens Troier ist erst 32 und trotzdem schon Kapitän der „Mein Schiff 4“. Seit 16 Jahren fährt er zur See, weil ihm die Gegend um Brandenburg bald zu klein geworden ist. Im Gespräch mit den OÖN schildert Troier die Erfüllung seines Bubentraums.
OÖNachrichten: Welche Ausbildung ist notwendig, um Kapitän eines so gewaltigen Schiffes werden zu können?
Jens Troier: Ich hab sicher einen unorthodoxen Weg hinter mir. Mit 16 hab ich auf einem Eisbrecher mit der Matrosenlehre begonnen. Heute heißt das Schiffsmechaniker und ist eine Kombination aus Matrose und Maschinist. Nach drei Jahren habe ich mit dem Nautik-Studium begonnen, also mit der Naturwissenschaft der Seefahrt. Danach fängt man als dritter Offizier an und arbeitet sich nach oben. Wenn man schnell und gut ist, braucht man bis zum Kapitän zwischen zehn und 15 Jahren.
Gibt es unterschiedliche Berechtigungen zum Führen von Schiffen?
Als fertiger Nautiker muss man ein Jahr Seefahrtszeit nachweisen, danach bekommt man das erste Seefahrtspatent. Nach einem weiteren Nachweis von Erfahrung auf See kann man das Kapitänspatent beantragen, was nicht automatisch bedeutet, dass man Kapitän wird. Dazu wird man nach längerer Bewährungszeit von der Reederei berufen. Also man lernt von anderen Kapitänen, wie ein Schiff gefahren wird.
Wie viele Tage im Jahr verbringen Sie auf See?
Im Schnitt sind es 182 Tage, in Zyklen von drei Monate durchgehend auf See, drei Monate frei.
Welchen Stresssituationen sind Sie ausgesetzt, von denen der Passagier gar nichts bemerkt?
Ich sag immer: Stress ist was für Schwache. Aber im Ernst: Für uns ist der Wind der ausschlaggebende Punkt. Mit diesem Schiff haben wir 10.500 Quadratmeter Angriffsfläche für den Wind – und unsere Maschinenleistung von knapp 52.000 PS ermöglicht es nur begrenzt, bei Wind dagegenzuhalten. Ab 33 Knoten Wind (rund 61 km/h, Anm.) schafft es die Maschine nicht mehr. Für alles darüber brauchen wir einen Schlepper. Als Schiffskapitän ist man allerdings viel freier als Flugzeugpiloten. Ich kann meine Strecke nach meiner Einschätzung wählen. Das ermöglicht mir, schlechtem Wetter großräumig auszuweichen.
Wie sind die Job-Aussichten für angehende Kapitäne?
Ich bin 2008 mit dem Studium fertig geworden – und damals sind die Reeder noch vor Studienabschluss zu uns gekommen, haben ein Bier mit uns getrunken und uns schon unter Vertrag genommen. Das hat sich ein Jahr später schlagartig geändert, weil mit der Finanzkrise die Handelsschifffahrt eingebrochen ist. Das System hat sich langsam wieder erholt – und dann haben die Reeder vor allem Rumänen und Kroaten angeheuert, weil die den Job um viel weniger Geld gemacht haben. Auf Kreuzfahrtschiffen schlägt dieses Problem nicht so durch. In diesem Bereich steht die Ausbildung in Deutschland hoch im Kurs.
Haben Sie als Kapitän die Möglichkeit, Ihre Mannschaft selbst auszuwählen?
Offiziell nicht, ich kann lediglich Wünsche und Empfehlungen deponieren. Pro Kreuzfahrtschiff sind acht Nautiker an Board, manchmal geht so ein Wunsch also durch.
Wann gehen Kapitäne in Rente?
Wenn einer die Jahre hat, kann er mit 55 gehen. Allerdings ist die Seefahrt eine besondere Entscheidung. Man liebt, was man tut. Dieses Gefühl von Freiheit, wenn man in der Früh die Sonne aus dem Meer aufgehen sieht, ist unbeschreiblich. Die meisten Kapitäne gehen also eher später, mitunter erst mit 70.
....bei mir genügt auch ein "Bild vom Meer", das ich anstarren kann!
Keine Silbe über die vielen Tonnen Schweröl (Abfallprodukt), die während so einer "lustigen Seefahrt" rausgeblasen werden und alles konterkarrieren, was über Umweltschutz geredet wird.
Aber Journalistenfahrten sind ja gratis und da gibt es nur HäppyPeppi-Berichterstattung.
Die modernen Schiffe (neue mein Schiff) fahren nicht mehr mit schweröl, Flugzeuge sind auch nicht umweltschonend unterwegs. Auf so einem Schiff sind im Schnitt 3000 oder mehr Passagiere unterwegs, wenn jeder mit seinem Auto auf Urlaub fährt ist das auch nicht umweltfreundlich.
Leider nicht ganz. Da könnten alle Passagiere locker mit dem Auto in den Urlaub fahren .
1 großes Kreuzfahrtschiff produziert pro Tag :
CO2 wie fast 84.000 Autos
Stickoxide wie ca. 421.00 Autos
Feinstaub wie etwa über 1 Million Autos
Schwefeldioxid wie gut 376 Millionen Autos.
Quelle : Nabu
Wer Kreuzfahrten mag, sollte sie zeitnah buchen. In einigen Jahren werden solche Dinge nicht mehr so einfach möglich sein. Der Mensch wacht langsam auf, auch wenn viele darauf mit Wut und Hass reagieren. Durchsetzen wird sich aber langfristig die Einsicht.
ich fahre da lieber in einen Ort mit
gleichviel Einwohner, da brauch ich
nicht auf Wasser zu starren das ich vom
Ufer aus auch sehe, kommt billiger, ist
sicher amüsanter!
Um auf das Meer zu starren, genügt ein Platz am Ufer.
Zum Glück gehört das Meer und die Welt uns allen gemeinsam.
Da können sie auf die Umweltstandards verweisen, so oft sie wollen, bleibt doch jede Maßnahme nur ein Tropfen auf dem heissen Stein.
So schön eine Kreuzfahrt angeblich ist, ist sie gleichzeitig eine der schlimmsten Arten, die Umwelt zu schädigen.
Eigentlich sollten die Preise verdreifacht werden und die zusätzlichen Einnahmen für Umweltprojekte eingesetzt werden.
Ein Mensch, der starrt (egal worauf), ist nicht glücklich.
Ins Leere starren kommt oft vor.
Irrtum, beim Starren kann man großes Glück empfinden
Ich nicht.
i a net!