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1. Mai, der Festtag der Arbeiter

Von Roman Sandgruber, 30. April 2019, 00:04 Uhr
1. Mai, der Festtag der Arbeiter
1.-Mai-Allegorie von 1892 mit den Forderungen Achtstundentag und Arbeiterschutz Bild: Kreisky-Archiv (2), Archiv der Stadt Linz

Die wechselhafte Geschichte vom Tag der gehetzten Läufer bis zum Kampftag der Arbeiterbewegung. Heute wird der Staatsfeiertag von allen Seiten beschlagnahmt, von Parteien bis zur Kirche.

Der 1. Mai hat viele Gesichter: Tag der Arbeit und Nacht der Hexen, Tanz um den Maibaum und Fest des heiligen Josef, Aufmarsch der Arbeiter und Spaziergang des Bürgertums. Bis 1848, bis zur Revolution, war der 1. Mai in Wien der Tag der Läufer, jener armen Kreaturen, deren Beruf es war, den Kutschen des Adels und des Kaiserhauses voran zu laufen, und zu deren Ehrgeiz es gehörte, schneller und ausdauernder zu sein als die hochgezüchteten Pferde. An jedem 1. Mai gab es das traditionelle Wettrennen dieser Wiener Berufsläufer, die seit dem 18. Jahrhundert auch in einer zunftartigen Vereinigung zusammengeschlossen waren und in einer Art Gesellenprüfung mit einem zirka 18 Kilometer langen Wettlauf von der Innenstadt bis Mariabrunn mit der Maximalzeit von einer Stunde und 12 Minuten ihre Ausbildung abschlossen, wobei sie angeblich nicht selten in so erschöpftem Zustande ans Ziel kamen, dass sie wie tot zu Boden fielen und mit der letzten Ölung versehen werden mussten.

Am 1. Mai 1847 wurde dieses Wettrennen, das von damaligen Kritikern zu den schlimmsten Ausgeburten des Feudalsystems gerechnet wurde, zum letzten Mal durchgeführt. Stattdessen war es seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zur Tradition geworden, dass der Kaiser am 1. Mai unter großer öffentlicher Anteilnahme in den Prater fuhr. Ganz Wien war auf den Beinen, vom Soldaten bis zum Praterstrizzi, von den Modedamen bis zu den Dienstmädchen.

Blutiger Kampf in Chicago

Die Maiaufmärsche hingegen nahmen von den USA aus ihren Ausgang. Anlässlich eines Generalstreiks am 1. Mai 1886, zu dem der amerikanische Gewerkschaftsbund zur Durchsetzung des Achtstundentags aufgerufen hatte und an dem in Chicago etwa 90.000 Arbeiter teilnahmen, kam es zu blutigen Auseinandersetzungen, die als Chicagoer "Haymarket Riot" in die Geschichte eingegangen sind. Die amerikanische Justiz reagierte gewalttätig. Acht Organisatoren der Kundgebung wurden festgenommen, vier von ihnen ohne konkrete Beweise hingerichtet, einer beging in seiner Zelle Selbstmord. Die restlichen drei zum Tode Verurteilten wurden sechs Jahre später begnadigt. 1889 wurde zum Gedenken der Opfer des "Haymarket Riot" der 1. Mai als "Kampftag der Arbeiterbewegung" ausgerufen. 1889 legte die Sozialistische Internationale den 1. Mai als weltweiten Demonstrationstag für den Acht-Stunden-Arbeitstag fest.

Im Jahr darauf wurde er zum ersten Mal überall in der Welt mit großen Demonstrationen begangen. In Wien war dieser Aufmarsch als "Praterspaziergang" der gerade erst gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Wien angekündigt. Die Öffentlichkeit fieberte dem erwarteten Massenaufmarsch mit Angstparolen entgegen. "Die Soldaten sind in Bereitschaft, die Thore der Häuser werden geschlossen, in den Wohnungen wird Proviant vorbereitet, wie vor einer Belagerung, die Geschäfte sind verödet", schrieb die Neue Freie Presse. Am nächsten Tag konnte man erleichtert aufatmen: Nichts war passiert. Man war geradezu überrascht von der mit so viel Würde und Achtung vor den Gesetzen abgelaufenen Demonstration der etwa 60.000 bis 70.000 Männer und Frauen, die sich an diesem ersten Maiaufmarsch Österreichs beteiligt hatten.

"Diese Leute scheinen prädestiniert zu sein, einen neuen gesunden Mittelstand im Staat zu bilden und nicht den Umsturz aller gesellschaftlichen Ordnung herbeizuführen", schrieb die Neue Freie Presse. Der Führer der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, Viktor Adler, war seinem Ruf als "Hofrat der Revolution" gerecht geworden, obwohl er zum Zeitpunkt dieses ersten Maiaufmarschs gerade eine viermonatige Haft wegen "anarchistischer Betätigung" abzusitzen hatte.

Rasch breiteten sich die Maifeiern von Wien aus auch in die Provinzen aus. Von tausendköpfigen Versammlungen in Steyr, Waidhofen und vielen anderen Orten berichtete die Arbeiterzeitung 1900. Die Zahl der Teilnehmer wurde von Jahr zu Jahr größer, aber auch die Angst der Obrigkeiten. 1896 war es zum ersten großen Zusammenstoß mit der Polizei im Prater gekommen. Rote Fahnen oder Spruchbänder wurden untersagt, ebenso das Absingen von Arbeiterliedern. Während des Ersten Weltkriegs waren Maiaufmärsche überhaupt verboten.

1. Mai, der Festtag der Arbeiter
Arbeiter aus Favoriten formieren sich am 1. Mai 1919 Bild: Kreisky-Archiv (2), Archiv der Stadt Linz

Gesetzlicher Ruhe- und Festtag

Schon vor dem Krieg war für den 1. Mai eine weitgehende Arbeitsruhe in Industriebetrieben durchgesetzt worden. Am 19. April 1919 wurden vom Kabinettsrat gemeinsam der 12. November als Staatsfeiertag zum immerwährenden Gedenken an die Ausrufung der Republik und der 1. Mai als "Ruhe- und Festtag" der Massen und der Arbeit beschlossen. Das "rote" Wien der 1920er Jahre zelebrierte den "roten Feiertag" und die Maiaufmärsche als bewusste Gegeninszenierung zur kirchlich-bürgerlichen Fronleichnamsprozession in der Wiener Innenstadt. 1922 wurde die Abschlusskundgebung des Aufmarsches vom Prater auf den Wiener Rathausplatz verlegt.

Im Jahr 1933 wurden die Maifeiern zwar verboten, aber abgeschafft wurde der Feiertag nicht. Dass mit der Ausrufung der ständestaatlichen Verfassung am 1. Mai 1934 die formelle Beseitigung der Demokratie ausgerechnet an diesem Kampftag der Arbeiterbewegung erfolgte, wurde von der Sozialdemokratie als besondere Demütigung empfunden. In seiner Rede im Wiener Stadion begründete Bundeskanzler Dollfuß den neuen Inhalt des alten Feiertages der Arbeiterbewegung folgendermaßen: "Wir haben den 1. Mai hiezu absichtlich gewählt, weil der 1. Mai der Träger der Symbole der erwachenden und erwachten Natur, auch gleichzeitig der Tag der Jugend ist, als Tag der Arbeit gilt und den Beginn des der Mutter Gottes geweihten Monats Mai kündet."

Der neue Staatsfeiertag am 1. Mai, der zum Kampftag proletarischer Klasseninteressen erniedrigt worden sei, sollte wieder zum Tag "der Arbeit aller Arbeiter" werden, aber auch zum "Tag der Jugend" und zum "Tag der Mütter", forderte Dollfuß.

Die Nationalsozialisten pflegten den Ersten Mai mit besonderem Pomp. Er wurde zum "Tag der deutschen Arbeit" erklärt. In den kommunistischen Staaten erfolgte eine ähnliche Militarisierung des 1. Mai als "Internationaler Kampf- und Feiertag der Werktätigen" für "Frieden und Sozialismus" mit Aufmärschen und Militärparaden.

Nach 1945 hatte die wiedererstandene österreichische Republik vorerst gar keinen Staatsfeiertag. Mit dem Gesetz vom 14. Juli 1949 (ausgegeben BGBl. vom 20. August 1949) wurde der 1. Mai als Staatsfeiertag festgelegt, war aber viel zu einseitig belastet, als dass er sich als gemeinsamer Festtag wirklich durchsetzen hätte können. Die Sozialdemokraten und Kommunisten vereinnahmten ihn für ihre traditionellen Aufmärsche.

1. Mai, der Festtag der Arbeiter
Erster Mai-Aufmarsch nach dem Krieg in Linz 1946. Bild: Kreisky-Archiv (2), Archiv der Stadt Linz

Heiliger Josef als Arbeiterpatron

Die Kirche wollte nicht abseits stehen und proklamierte ihn 1955 zum Fest des hl. Josef. Aber den Nähr- und Ziehvater Jesu, der der biblischen Tradition zufolge als Zimmermann seinen Erwerb gefunden hatte und dem Kirchenvolk über Jahrhunderte hinweg in den bildlichen Darstellungen als weißbärtiger, Brei und Müsli kochender Greis präsentiert worden war, plötzlich zu einem muskelstarken Arbeiterpatron zu transferieren, konnte nicht wirklich gut gehen.

Heute ist der 1. Mai von allen Seiten beschlagnahmt: Kommunisten, Sozialdemokraten, ÖVP und Freiheitliche haben alle ihre Maifeiern. Aber der Charakter der Massenmobilisierung ist im Schwinden. Die SPÖ benutzt ihn, um Stärke zu demonstrieren, die KPÖ, um mit einem kleinen Häuflein überhaupt noch öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen, die Regierung, um demonstrativ an diesem Tag mit einer Ministerratssitzung ihren Arbeitseifer unter Beweis zu stellen. Die Freiheitlichen gehen traditionell auf den Urfahraner Markt, während die Kirche mit ihrem Fest des heiligen Josef noch weniger als sonst die Leute zum Kirchgang zu bewegen vermag.

Wie geht es mit dem 1. Mai weiter? Bleibt er ein Tag ritueller Aufmärsche und volksnaher Bräuche? Wird der Tag der Arbeit mit neuen Inhalten und neuen Persönlichkeiten zum Ausgangspunkt für eine neue Zeit, oder ist der 1. Mai nicht schon längst zu dem traditionellen Wiener Spektakel der Marathonläufer, Volkswandertage und Praterfeste mit Stelzen und Bier zurückgekehrt? Der Zustrom dazu ist inzwischen zweifellos größer als zu den Mai-Demonstrationen.

 

Roman Sandgruber ist emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Johannes Kepler Universität Linz.

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19  Kommentare
19  Kommentare
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Flachmann (7.211 Kommentare)
am 30.04.2019 12:14

Morgen ist das Bierzelt in Urfahr gerammelt voll,am Hauptplatz wird für jeden Verirrten Finderlohn fällig!

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Orlando2312 (22.340 Kommentare)
am 30.04.2019 12:43

Gibt's da ein Treffen der anonymen Alkoholiker?

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scharfer (5.103 Kommentare)
am 30.04.2019 16:37

...u. ein öst. minister mischt sich wieder unter besoffene , menschenähnliche gestalten u. schreit mit diesen um die wette. ist mir nicht bekannt, daß sich ein minister von einem anderen land mit einem solch heruntergekoomenen mob abgibt.

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mitreden (28.669 Kommentare)
am 30.04.2019 19:33

Da Sie als echter Sozi sicher dort sein werden, sehen Sie es....

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mitreden (28.669 Kommentare)
am 30.04.2019 19:34

ich bin weder dort noch im Zelt....

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Flachmann (7.211 Kommentare)
am 30.04.2019 22:59

Dann können`s nicht mitreden.

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Flachmann (7.211 Kommentare)
am 30.04.2019 23:01

Eher der Sinnentleerten.

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SRV (14.567 Kommentare)
am 01.05.2019 06:31

"Mia schunkeln im Bierzelt, kann sein, dass im Hirn fehlt" (c) Alfred Dorfer

https://youtu.be/yWq_TuhNroI

https://youtu.be/QTQYfWFUVyc

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mitreden (28.669 Kommentare)
am 30.04.2019 08:54

Obs der Rendi morgen eine Hüpfburg hinstllen? grinsen

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Analphabet (15.442 Kommentare)
am 30.04.2019 01:37

Früher war es ein Festtag der ehemaligen Arbeiterpartei SPÖ . Das ist vorbei den Verrat rächt sich.

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FreundlicherHinweis (15.581 Kommentare)
am 30.04.2019 02:03

Ist es immer noch. Ihresgleichen kann sich dagegen nur am Urfahrmarkt imi Bierzelt volllaufen lassen. Dazu braucht es keinen 1. Mai. Urfahrmarkt ist zwei mal im Jahr.

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athena (3.249 Kommentare)
am 30.04.2019 06:04

die andern verbrüdern sich im spritzwein gegröle u lassen sich durch polarisierungen aufhussen!

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penunce (9.674 Kommentare)
am 30.04.2019 07:24

"Ganz Wien war auf den Beinen, vom Soldaten bis zum Praterstrizzi, von den Modedamen bis zu den Dienstmädchen"...

Zu ergänzen wäre noch:

Fast alle Wiener Gemeindebediensteten werden den Aufruf ihrer "Paddei" nachkommen, sie werden mit Fahnen und Transparenten gegen unsere Regierung aufmarschieren und die ROTEN BONZEN haben zur Feier der Arbeiterbewegung eine ROTE Nelke angesteckt, halten Reden über ihre Selbstverwirklichung und winken den Marschierern freudig erregt zu!

Die Würschtl´n, das Goulasch sind in dieser Zeit entbehrlich, die Kommunisten sind in den Reihen der spö wiederzufinden, sie haben sich eingegliedert und brauchen nicht separat einen Mai-Aufmarsch!☭

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penunce (9.674 Kommentare)
am 30.04.2019 08:55

Da fällt mir gerade ein,

der Sowinetz hat ein passendes Liedl gesungen über den 1.Mai:

https://youtu.be/GrYexVdTLsM

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penunce (9.674 Kommentare)
am 30.04.2019 09:08

Hier wird über die Zukunft Österreichs fabuliert:

https://youtu.be/6UONiGMmbS4

+ Teil zwei;

https://youtu.be/lzm3prz8Vaw

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uustone (482 Kommentare)
am 30.04.2019 08:56

selten dummer Kommentar

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Flachmann (7.211 Kommentare)
am 30.04.2019 23:00

Eher treffend!

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Analphabet (15.442 Kommentare)
am 01.05.2019 02:01

Lieber hinweiserl, es muß ihrer werten Aufmerksamkeit entgangen sein, daß es für ROTGRÜN am Futtertrog keinen Platz mehr gibt.

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Gerd63 (7.766 Kommentare)
am 30.04.2019 06:38

Du meinst den Verrat der Blauen als angebliche Arbeiterpartei.

Sie sind dem Diktat der Türkisen untergeordnet worden.

Dafür ist Kurz sehr nachsichtig bei den zahlreichen "Einzelfällen" und Wortmeldungen.

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