Musik der Woche - Neue Alben im Hörtest
Melancholie aus Wien, Geschichten aus Irland und trendiger Elektronik-Pop aus London - das Jahr 2020 beginnt musikalisch interessant.
Gute Titelwahl: Eine ausgeprägte melancholische Ader schadet nicht, wenn man sich in die bedächtige Welt der Fox Shadows begibt. Aber keine Sorge: Hier wird nicht die Nabelschau bis zum kollektiven Ermüden betrieben, vielmehr sind die drei Wiener Elektronik-Pop-Verfechter neugierig auf der Suche nach der Musik, die das Leben und seine Situationen beschreibt. „Melancholia“ lebt von der Vielfalt der Klang-Bauer und den wechselnden Vokalisten, die den Stücken noch zusätzlich eigenen Ausdruck verleihen. „Tape Of Love“ mit Toby Gruenzweil am Mikrofon spielt mit großen Melodien und ist bestes Gefühlskino. Eine Nummer, die sich ganz langsam zum Herz vortastet und dann mit dem Hirn gemeinsam erkennt, dass Musik genau das kann: So schön sein. Das Highlight eines interessanten, weil vielschichtigen Albums.
Das technische Handwerk des norwegischen Duos macht auf dem vierten Album deutlich mehr Eindruck als das musikalische Ergebnis. Die komplexen Klangwelten, die Schlagzeuger Simen Folstad Nilsen und Gitarrist und Effektboardler Tobias Ornes Andersen hier live im Studio zaubern, sind das Zeugnis von experimentierfreudigen Freigeistern, die sich keine Schranken auferlegen und offenbar ihren Blick stärker in Richtung Clubs richten. Das groovt mitunter gehörig und ein Song wie „Flat Beats“ wird da schon Wirkung bei der Party-Crowd erzeugen. Für den Hausgebrauch lässt einen dagegen vieles etwas ratlos zurück.
„Unholy Ghosts“ fällt gleich einmal auf. Da ist der Debütalbum des 27-jährigen Songwriters aus Irland erst ein paar Minuten alt. David Keenan ist ein Mann des Wortes, der sich darin gefällt, seine musikalische Seite reduziert und nicht zu aufgeblasen auf die Menschen los zu lassen. Seine Stimme ist prägnant. Wer zuhören will, wird zuhören können. Doch manchmal täte ein wenig mehr Drive nicht schaden. Fast alle Songs beginnen meist ruhig, steigern sich dann, spielen mit typisch irischen Sounds. Der eindringliche Geschichtenerzähler punktet noch einmal groß mit „Love In A Snug“, einer feinen Sieben-Minuten-Ballade voll Herzblut und Energie, verliert sich dann aber ein wenig in der immer ähnlichen Gangart. Das wird mit Fortdauer ein wenig fad. Dabei hatte er eine Idee, nämlich „all die Rohheit und Verletzlichkeit, den Wahnsinn und die ungefilterten Wahrheiten beizubehalten, die mich zu dem machen, was ich bin“. Unter diesem Gesichtspunkt sollte man Kennans Album auch hören.
Sie gilt als eine der momentan heißesten musikalischen Aktien, die England zu bieten hat. Und sie sucht den Nervenkitzel. Offenkundig. Der Titel des neuen Albums der Londoner Musikerin und Produzentin ist folglich auch als ein Versprechen zu verstehen. Hier wagt sich eine Künstlerin in ihrem Selbstverständnis an ein Gemisch aus kühlen Elektro-Beats und herzerwärmenden Popharmonien heran, das nie vordergründig gefallen will, aber gerade aus dieser Unvorsehbarkeit viel Energie frei macht. „About Work The Dancefloor“ hat Pop-Hit-Charakter, „Feel it“ pendelt zwischen lässiger Leichtigkeit und wuchtiger Kraft, „Ray Guns“ punktet mit der stimmlichen Güte von Georgia. „Seeking Thrills“ strahlt nicht vom ersten Moment an, aber der extravagante Elektro-Pop für Club- und Tanzfreunde glänzt beständig.