Brucknertage St. Florian: Sinfonische Offenbarungen im Kirchenraum
Das Altomonte-Orchester unter Rémy Ballot mit der Urfassung von Bruckners Zweiter.
Anton Bruckner hatte es nicht leicht. Seit 1863 arbeitete er unermüdlich an seinem eigenwilligen sinfonischen Stil. Dass er damit den Wiener Publikums- und Kritikergeschmack oft nicht traf, enttäuschte ihn zwar, aber es beirrte ihn nicht. Rechenschaftspflichtig sah er sich in letzter Instanz nur gegenüber jenem Herrn, dem er sein Talent verdankte, "dem lieben Gott".
Seine zweite Sinfonie in c-Moll (1871/72) widmete Bruckner den Wiener Philharmonikern. Das Orchester lehnte sie zuerst "wegen Unspielbarkeit" ab. Widerwillig nahm Bruckner Änderungen und Kürzungen vor. Als "Fassung 1877" fand diese revidierte Fassung Eingang in den Konzertbetrieb. Das Material zur Urfassung lag lange Zeit jungfräulich im Archiv des Stifts St. Florian, erst 2005 wurde sie vom Brucknerforscher William Carragan ediert.
Rémy Ballot, "Conductor in Residence" bei den Florianer Brucknertagen, hat in den vergangenen Jahren schon mehrmals bewiesen, dass er zu Bruckners musikalischer Welt einen ganz besonderen Zugang hat, und das Altomonte-Orchester erwies sich dabei als kongenialer künstlerischer Partner. Herausragend ist zum Beispiel die CD mit Bruckners fünfter Sinfonie (Gramola).
Weite sinfonische Bögen
Einem neuerlichen Höhepunkt der Bruckner-Interpretation konnte das Konzertpublikum am Freitagabend in der Stiftsbasilika St. Florian lauschen. Rémy Ballot und das Altomonte-Orchester brachten im Rahmen der diesjährigen Brucknertage die zweite Sinfonie in der ungekürzten Erstfassung zur Aufführung. Eine Stunde und zwanzig Minuten nahm diese musikalische Offenbarung in Anspruch, und es ist schwer zu beschreiben, mit welcher Konzentration, technischen Souveränität und empathischen Hingabe Dirigent und Orchester die weiten sinfonischen Bögen, die dynamische Spannbreite und das filigrane thematische Geflecht dieses Werks erlebbar machten.
Klangmalerische Wirkung
Herrlich leicht sprudelte das Scherzo und wie in spiritueller Entrückung füllte das wundervolle Adagio den Kirchenraum. Die Intensität übertrug sich spürbar auf die Zuhörer. Es ist keine mythische Überhöhung von Bruckner-Biografen, wenn sie die Mächtigkeit seiner Sinfonien mit den räumlichen Dimensionen des Stiftes und seiner Basilika in Verbindung bringen.
Unter dem Eindruck einer überwältigenden Bruckner-Interpretation soll aber der gelungene Konzertauftakt mit Felix Mendelssohns Hebriden-Ouvertüre nicht unerwähnt bleiben. Manche feine Nuance dieser Komposition verliert sich zwar ein wenig im Hall der Kirchenakustik, dafür kommt das Klangmalerische umso besser zur Wirkung.
Fazit: Bruckners Zweite in der Urfassung aufzuführen, war eine mutige, aber in jeder Hinsicht beglückende Entscheidung, die auch vom Publikum lautstark akklamiert wurde.
St. Florianer Brucknertage. Symphonie-Konzert "Die Zweite". Altomonte-Orchester und Rémy Ballot , Stiftsbasilika St. Florian, 23.8.