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Weidlinger: „Ich werde jeden Tag an meine Stürze erinnert“

17. April 2013, 00:04 Uhr
„Ich werde jeden Tag an meine Stürze erinnert“
Der gestrige Tag startete für Weidlinger mit einer Schocknachricht aus Boston und gipfelte auf dem Breitenstein. Bild: czm

Marathon-Rekordmann Günther Weidlinger im Gipfelgespräch über das Bostoner Bombenattentat und Stolpersteine

Der Körper des schnellsten Marathon-Läufers Österreichs ist derzeit wie ein Akku, der aufgeladen wird. Das Ziel des Gipfelgesprächs wählen wir daher so, dass es auch im Energiesparmodus leicht erreicht werden kann. Der Breitenstein in Kirchschlag bei Linz – mit 955 Metern fast ein „Eintausender“ – verwöhnt uns mit einem kurzen Fußmarsch und einer gewaltigen Aussicht. Das Rundum-Panorama von der 22 Meter hohen Aussichtswarte reicht vom Böhmerwald weit hinein in den Alpenraum. Weidlinger beweist hier oben das, was ihn auch als Sportler auszeichnet: Schwindelfreiheit.

Natürlich wäre er lieber mit uns auf einen höheren Berg gestiegen, abgesehen vom nahen ersten Saisonhöhepunkt, dem Borealis-Linz-Marathon am Sonntag, gibt es aber ein zweites Problem, das alpine Ziele für ihn nur schwer möglich macht. „Ich gehe wirklich sehr gerne bergauf, nur den Abstieg mag mein Körper überhaupt nicht“, sagt der 54-Kilo-Mann. In Kirchschlag und Umgebung kennt er sich übrigens recht gut aus, weil er dort ab und zu bei Tagungen als Referent im Einsatz ist. Seine Erfahrungen als Top-Sportler sind auch auf wirtschaftlicher Ebene gefragt. Während er gerne Vorträge hält, kann er sich für Trainingsrunden mit Hobby-Sportlern nicht begeistern. „Wenn ich langsam laufe, tut mir nachher alles weh.“ Nach der Expedition auf den Breitenstein haben wir uns eine Stärkung beim Maurerwirt verdient. Weidlinger lässt von der großen Portion Schinkenspätzle kein Fuzzerl über. Der Akku muss ja voll werden.
 

OÖNachrichten: Was war dein erster Gedanke, als du* von den Anschlägen beim Boston-Marathon gehört hast?

Weidlinger: Ich musste in der Früh im Radio zweimal hinhören und hab’ in Linz bei der Westbrücken-Sperre im Stau kurz mein Handy herausgepackt und geschaut, was los ist. Ich konnte mir ein Bombenattentat beim Marathon nicht vorstellen. Ich war erschrocken, dass eine friedliche Sportveranstaltung als Plattform hergenommen wird und so etwas passiert.

Hast du dich als Sportler bei den Großereignissen immer auf der sicheren Seite gefühlt?

Immer. Es war für mich nie vorstellbar, dass etwas passieren könnte. Wenn du dich fürchtest, hättest du auch den Kopf nicht für dein Rennen frei.

Dein Vater Heinrich ist seit jeher dein Wegbegleiter. Wie bezeichnest du dein Verhältnis zu ihm?

Im Training führen wir eine Trainer-Athleten-Beziehung. Oft fliegen die Fetzen, da schreien wir uns an – das haben vielleicht auch einige Leute in der Traun-Au mitbekommen… Im Endeffekt setzt er sich durch. Er ist der Chef, und so nenne ich ihn auch. Abseits des Trainings sind wir Vater und Sohn, wir verstehen uns gut. Da gibt es keine Hierarchie, sondern ein Miteinander.

Ich kann mich an eine Situation erinnern: Beim Frühstück hat er dir gesagt, du sollst nicht Butter unter das Nutella auf dem Brot schmieren… Das zählt doch nicht zum Training, oder?

Beim Thema Ernährung ist der Trainer nie weg. Das stört ihn nach wie vor. Hin und wieder gönne ich mir das. Großteils mach ich aber, was er sagt. Damit vergeude ich die wenigste Energie. Er will für mich das Beste und den größten Erfolg.

Ist manchmal zu viel Nähe da? Wenn ihr euch das Zimmer teilt?

Wir werden auch vor dem Marathon in Linz von Freitag bis Sonntag gemeinsam im Hotel sein. Ich habe es immer positiv gesehen, wenn wir uns bei Wettkämpfen die Zimmer geteilt haben. Er ist für mich die Ansprechperson, die mich kennt, die weiß, was ich brauche und nicht brauche.

Bis wann dürfen deine Kinder den Papa beanspruchen?

Bis Freitagmittag bin ich daheim. Meine Frau war die Erste, die sagte: Von Freitag bis Sonntag musst du weg, wenn du professionell sein willst, sonst hängen die Kinder an dir. Da heißt’s: Papa geht arbeiten.

Hast du deinen Trainer-Vater schon einmal infrage gestellt?

Ich nie. Vom österreichischen Verband wurde er 1996 infrage gestellt, nachdem ich bei der Junioren-WM Vierter wurde. Es hat geheißen: Jetzt wäre es an der Zeit, dass du zu einem professionellen Trainer wechselst. Meine Antwort: Ich hab den professionellsten Trainer in Österreich, sonst hätten wir diesen nicht Erfolg erreicht. Damit war die Diskussion beendet.

Du hältst noch immer viele Rekorde zwischen 1500 Meter und 42,195 Kilometer. Ist der Marathon die brutalste Laufdisziplin?

Schwierig zu sagen. Laktatmäßig sind es wohl die 400 und 800 Meter. Mental gesehen der Marathon. Du hast über zwei Stunden Zeit zu schauen, geht’s mir gut oder nicht, passiert etwas oder nicht.

Deinen Weg pflastern Erfolge und Stolpersteine. Wenn du zurückblickst: Was bleibt hängen?

Ich denke mehr an die schönen Momente zurück – an meinen ersten EM-Titel 1997 oder als ich 1996 von Emil Zátopek den Goldenen Schuh bekam. Natürlich fallen mir auch meine Stürze ein. Ich habe hier die Narbe von Osaka 2007 (er zeigt auf sein Kinn, Anm.) – jeden Tag, wenn ich beim Zähneputzen in den Spiegel schaue, werde ich daran erinnert. Das erinnert mich aber auch daran, welch Glück ich hab, meinen Sport noch ausüben zu können.

Wie sehr ärgert dich das, wenn du immer wieder mit den Hoppalas konfrontiert wirst?

Mittlerweile geht das an mir vorbei. Konfrontiert werde ich sehr oft damit. Wie nach Olympia in London: Da stand überall, was nicht alles passiert ist in meiner Karriere. Wäre ich eine super Zeit gelaufen, wäre wohl gestanden, was ich alles schon erreicht habe.

Hast du nach der Verletzung in London schon daran gedacht, deine Karriere zu beenden?

Nein, im Gegenteil. Davor hab ich gesagt, es wird für mich kein Rio (Ort der Olympischen Spiele 2016, Anm.) geben. Nach London sagte ich: Ich überlege, ob ich noch bis Rio weitermache. Meine olympische Karriere mit einer Aufgabe zu beenden, das passt einfach nicht.

*Im Gipfelgespräch erlauben wir ausnahmsweise die Du-Form.

 

Der Mensch

Günther Weidlinger verkörpert irgendwie ein typisch österreichisches Sportler-Schicksal. Der Prophet gilt wenig im eigenen Land. „Es ist leichter für mich, im Ausland einen guten Startplatz zu bekommen als in Österreich“, sagt er. Sein sportliches Datenblatt hat internationales Format. Aktuell hält er fünf österreichische Rekorde, darunter auch die Marathon-Bestzeit (2:10,47). Der Innviertler, der für Union Neuhofen an der Krems startet, ist bei vier Olympischen Spielen in vier verschiedenen Laufbewerben gestartet.
Günther Weidlinger lebt mit seiner Ehefrau Evelyn, die er im Mai 2010 geheiratet hat, und den Kindern Yasmin (10) und Patrice (2) in Weißkirchen an der Traun.

 

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2  Kommentare
2  Kommentare
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runforfun (675 Kommentare)
am 17.04.2013 10:15

Günther Weidlinger ist ein österreichischer Jahrhundertsportler! Wenn man sich seine Bestzeiten von 1500m bis zum Marathon liest, so gibt es nur wenige Läufer weltweit, die solche Bestzeiten zu Buche stehen haben – durchaus vergleichbar mit Haile Gebrselassie.

Ich wünsche Günther alles Gute für Linz und für die Zukunft noch eine Marathonzeit unter 2:10:00 !

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jack_candy (7.857 Kommentare)
am 17.04.2013 14:52

Haile Gebreselassie:
26 Weltrekorde
2 x Olympiasieger (10.000 m)
4 x Weltmeister (10.000 m)
4 x Hallenweltmeister (3000 + 1000 m)
2 x Weltmeister Halbmarathon (Einzel und Team)
4 x Juniorenweltmeister
4 x Sieger beim Berlin-Marathon
Bestzeit 10.000 m: 26:22,75 min (1998)
Bestzeit Marathon: 2:03:59 h
*
Günther Weidlinger:
1 x U23-Europameister (3000 m Hindernis)
1 x Junioreneuropameister (3000 m Hindernis)
Bestzeit 10.000 m: 27:36,46 min (2008)
Bestzeit Marathon: 2:10:47 h
*

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