Knackpunkt Klimaschutz: Die "Ampel" schrammt am Koalitionskrach vorbei
BERLIN. Nach drei Tagen Verhandlungen: Verwässertes Klimaschutzpaket der deutschen Regierung
49 Stunden, verteilt auf drei Tage: So lange verhandelten SPD, FDP und Grüne im Koalitionsausschuss. Am Ende habe man sich auf ein 16-seitiges Papier, genannt "Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung", geeinigt, verkündeten die Spitzen der deutschen Ampel-Koalition dann am späten Dienstagabend.
Mit dem Ergebnis gaben sich die Beteiligten zufrieden. "Wir haben echte Durchbrüche erzielt, wirkliche Paradigmenwechsel, und deshalb spricht das Ergebnis einfach für sich", sagte FDP-Chef Christian Lindner. Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang meinte, die Regierung gehe "jetzt Strukturreformen an, um dieses Land voranzubringen", wenngleich das Beschlossene "noch nicht reicht".
"Bild der Gesellschaft"
Tatsächlich hatte sich an der Klimaschutzpolitik der Streit vor allem zwischen FDP und Grünen entzündet. Kanzler Olaf Scholz (SPD) versuchte, die koalitionären Auseinandersetzungen in ein deutsches "Gesamtbild" zu rücken: "Der mühselige Arbeits- und Verhandlungsprozess, den sich die Koalitionsparteien und meine Regierung jetzt vorgenommen haben, ist ja stellvertretend für die ganze Gesellschaft auf ihrem Weg in eine wirtschaftlich erfolgreiche Moderne." Soll heißen: So zerstritten, wie sich die Koalition zuletzt präsentierte, so uneins sei auch die Gesellschaft, wenn es um den Klimaschutz und seine Kosten geht.
Vorgaben wurden "flexibler" gefasst, etwa bei der Erreichung der deutschen Klimaziele (siehe auch Kasten). Statt der bisher jährlichen CO2-Vorgaben für Wirtschaftsbereiche wie Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft soll es eine "sektorübergreifende mehrjährige Gesamtrechnung" geben, das heißt, ein Sektor kann Verfehlungen anderer ausgleichen. Besonders der Verkehrsbereich unter FDP-Verantwortung riss die Vorgaben schon zweimal um. Die Bundesregierung werde Ziele für Emissionen für die Jahre 2035, 2040 und 2045 festlegen.
Das umstrittene Gesetz für klimafreundliche Heizungen wird entschärft. In der "pragmatischen Ausgestaltung" soll es auch Härteausgleiche und Übergangsfristen geben – welche, ist noch nicht festgeschrieben.
Die Ampel will "erhebliche Mittel" in die Modernisierung und Erweiterung des Schienennetzes stecken. Darüber hatte die Koalition zuvor heftig gestritten: Die FDP wollte nicht nur Bahnstrecken, sondern auch Autobahnen schneller ausbauen. Nun soll eine eng begrenzte Zahl von wichtigen Autobahn-Projekten eine Sonderstellung bekommen. Lindner sprach von 144 Projekten.
Die wichtigsten Beschlüsse der Koalition
- Klimaschutzgesetz: Dieses soll entschärft werden. „Die Einhaltung der Klimaschutzziele soll zukünftig anhand einer sektorübergreifenden und mehrjährigen Gesamtrechnung überprüft werden“, heißt es im Beschlusspapier. Bisher hatte jeder Sektor – Gebäude, Energie, Verkehr – jährliche CO2-Vorgaben.
- Heizungen und Energieeffizienz: Das Gesetz werde „pragmatisch ausgestaltet“, soziale Härten sollen vermieden bzw. ausgeglichen werden. „Möglichst jede“ Heizung solle ab 2024 zu 65 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben werden. Energie müsse „deutlich effizienter“ eingesetzt werden.
- Autobahnen und Schienen: Ein Streitpunkt vor allem zwischen FDP und Grünen. Auf Wunsch der Liberalen soll nun auch die Planung von rund 140 Autobahnprojekten „beschleunigt“ vorangetrieben werden. Die Deutsche Bahn benötigt dem Papier zufolge zur Deckung ihres Investitionsbedarfs bis zum Jahr 2027 rund 45 Milliarden Euro. Das Geld dafür soll unter anderem aus der Erweiterung der Lkw-Maut um eine CO2-Komponente kommen, die ab 2024 eingeführt wird. Die Maut greift dann zudem bereits für kleine Lkw ab 3,5 Tonnen.
- E-Fuels: Die Forschung zu diesen Kraftstoffen soll ausgeweitet werden. Im Beschlusspapier steht: „E-Fuels können zukünftig an Tankstellen verkauft werden.“ Mehr Tempo soll es aber auch bei E-Ladestationen geben.