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Weißrussland - Freigelassene berichten von schwersten Misshandlungen

Von nachrichten.at/apa, 14. August 2020, 07:51 Uhr
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Eine Demonstrantin mit Rose und vermummte Polizeibeamte in Minsk Bild: SERGEI GAPON (APA/AFP/SERGEI GAPON)

MINSK. Nach ihrer Freilassung aus dem Gefängnis in Weißrussland (Belarus) haben viele Menschen in dem von blutigen Protesten erschütterten Land von schwersten Misshandlungen berichtet.

In Videos schilderten Frauen und Männer, dass sie kaum ernährt und in engsten Zellen stehend zusammengepfercht worden seien.

Viele Bürger zeigten - nur in Unterwäsche bekleidet - ihre mit Platzwunden und großen blauen Flecken von Schlägen übersäten Körper. Mehrere Entlassene mussten sofort ins Krankenhaus gebracht werden, wie Medien in der weißrussischen Hauptstadt Minsk berichteten.

Weißrussland
Freigelassene Gefangene zeigen ihre Wunden Bild: SERGEI GAPON (APA/AFP/SERGEI GAPON)

Freilassung Gefangener angeordnet

Zuvor hatte Präsident Alexander Lukaschenko, der als "letzter Diktator Europas" bezeichnet wird, die Freilassung von Gefangenen angeordnet. Innenminister Juri Karajew entschuldigte sich, dass bei den Protesten gegen Fälschung der Ergebnisse der Präsidentenwahl vom Sonntag auch viele Unbeteiligte festgenommen worden seien. So etwas passiere, meinte er.

Frauen schilderten nach der Freilassung aus dem Gefängnis auf der Okrestin-Straße in Minsk unter Tränen, dass sie geschlagen worden seien. In Zellen mit vier Betten seien 35 Frauen gewesen, sagte eine Freigelassene dem Portal tut.by. "Sie haben mit schrecklicher Brutalität zugeschlagen", sagte sie. "Überall war viel Blut."

Es war das erste Mal seit Tagen, dass der Machtapparat unter Lukaschenko einlenkte. Tausende hatten auch am Donnerstag seinen Rücktritt gefordert, nachdem er sich zum sechsten Mal zum Sieger der Präsidentenwahl hatte erklären lassen. Lukaschenkos Sprecherin kündigte eine Rede des Präsidenten an das Volk für Freitag an.

Mit der Freilassung reagierte der Machtapparat erstmals auch auf Forderungen der EU, das gewaltsame Vorgehen gegen friedliche Bürger zu beenden. Die EU hatte die Freilassung der Gefangenen gefordert. Tausende sitzen aber weiter in den Gefängnissen. An diesem Freitagnachmittag wollen die EU-Außenminister über die Lage in der Ex-Sowjetrepublik beraten.

Tausende Menschen hatten auch am Donnerstag seinen Rücktritt gefordert. An diesem Freitag wollen Außenminister der Europäischen Union über die Lage in Belarus beraten. Im Raum stehen mögliche Sanktionen gegen die autoritäre Führung in Minsk.

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Die Freigelassenen wurden von ihren Freunden und Verwandten empfangen Bild: SERGEI GAPON (APA/AFP/SERGEI GAPON)

Vor dem Gefängnis Okrestina in der Hauptstadt Minsk nahmen Familien und Freunde zutiefst erleichtert bereits ihre Angehörigen in Empfang, es gab große Freude und Tränen, wie in oppositionsnahen Kanälen des Nachrichtendienstes Telegram in der Nacht auf Freitag zu sehen war. 

Eine "menschenrechtliche Katastrophe"

"Tagelang sah die Welt fassungslos zu, wie die Polizei in Belarus mit Gummigeschossen und Tränengas gegen friedliche Demonstrierende vorging. Es wird nun immer deutlicher, dass die brutalen Szenen in den Straßen von Belarus lediglich die Spitze des Eisbergs sind", so Marie Struthers, Direktorin für Europa und Zentralasien bei Amnesty International.

"Von Personen, die in Haft waren, wissen wir, dass die Hafteinrichtungen Folterkammern gleichen, in denen Protestierende auf dem Boden liegen müssen, während sie von Sicherheitskräften getreten und mit Schlagstöcken malträtiert werden. Sie beschrieben, wie sie sich ausziehen mussten und dann auf sadistische Weise geschlagen wurden, während sie die Schreie anderer Betroffener hören konnten. Es handelt sich hierbei um Menschen, deren einziges "Vergehen" es war, sich an friedlichen Protesten zu beteiligen. Was gerade in Belarus geschieht, ist eine menschenrechtliche Katastrophe, und die Welt muss dringend einschreiten."

Amnesty International fordert Staats- und Regierungschefs auf, Druck auf die Regierung von Belarus auszuüben, um diese schweren Menschenrechtsverletzungen zu stoppen.

"Möchte mich entschuldigen"

"Als Kommandierender möchte ich die Verantwortung übernehmen und mich ehrlich auf menschliche Weise entschuldigen bei diesen Menschen", sagte Karajew. Zuvor hatten viele Weißrussen ihre Uniformen demonstrativ in den Müll geworfen oder verbrannt und ihre Dienstmarken abgegeben. Es hatte Hunderte Verletzte gegeben. Eine Mutter aus Gomel hatte den Behörden vorgeworfen, dass ihr Sohn am Sonntag auf dem Weg zu seiner Freundin in Gewahrsam genommen worden sei. Er habe nicht an Protesten teilgenommen. Der 25-Jährige starb wenig später unter ungeklärten Umständen im Gewahrsam.

Journalisten von Staatsmedien hatten in einem Offenen Brief am Donnerstag ein Ende der Lügen-Propaganda gefordert und die Verunglimpfung friedlicher Bürger in ihren Sendern kritisiert. Zuvor hatten viele ihrer Kollegen gekündigt. An diesem Freitag soll es wegen der öffentlichen Kritik der vom Staat bezahlten Journalisten ein Treffen mit der Regierung geben.

Neue Proteste gegen Lukaschenko 

Nach der Freilassung haben in dem Land neue Proteste gegen Gewalt und Willkür unter Präsident Alexander Lukaschenko begonnen. Hunderte Ärzte und Frauen bildeten am Freitagmorgen in der Hauptstadt Minsk Menschenketten, um gegen das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen friedliche Kundgebungen zu demonstrieren.

Bildergalerie: Gewalt und Willkür: Proteste gegen Lukaschenko

Gewalt und Willkür: Proteste gegen Lukaschenko
(Foto: AFP) Bild 1/34
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Die Proteste richten sich gegen den 65-jährigen Lukaschenko. Der Staatschef hatte sich nach 26 Jahren an der Macht nach der Wahl am Sonntag mit rund 80 Prozent der Stimmen zum sechsten Mal in Folge zum Sieger ausrufen lassen.

Ein großer Teil der Bevölkerung hält dagegen die 37 Jahre alte Lukaschenko-Gegnerin Swetlana Tichanowskaja für die eigentliche Gewinnerin der Abstimmung. Sie ist aus Angst um ihre Sicherheit und die ihrer Kinder in das benachbarte EU-Land Litauen geflüchtet.

Auch Arbeiter in Staatsbetrieben traten am Morgen erneut in den Streik gegen den Machtapparat. Der Druck auf Lukaschenko ist damit nach Meinung von Beobachtern erneut gewachsen. Der Staatschef wollte sich noch am Freitag in einer Rede an die Nation zur Lage äußern, wie eine Sprecherin der Präsidialverwaltung sagte.

 

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