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Goldener Glanz in der Geburtskirche

23. Dezember 2017, 00:04 Uhr
Goldener Glanz in der Geburtskirche
Palmsonntagsszene: Jesus reitet in Jerusalem ein. Bild: Sotill

Für 15 Millionen Euro wurden die fast 850 Jahre alten Mosaike in der Geburtskirche von Bethlehem vom Lampen- und Kerzenruß der Jahrhunderte befreit. Wolfgang Sotill sah den Restauratoren über die Schulter.

Zahlreiche Öllampen vor der Ikonostase der Griechen, die 364 Tage im Jahr brannten, einige "ewige Lichter" weniger vor dem Altar der armenisch-orthodoxen Kirche und zudem auch noch die Kerzen der Pilger: All die Flammen, die zur Ehre Gottes in den vergangenen acht Jahrhunderten züngelten, produzierten eine so gewaltige Menge an Ruß, dass die Mosaike der Geburtskirche in Bethlehem zuletzt nur noch als dunkle Schatten wahrzunehmen waren. Heuer zu Weihnachten aber erstrahlen sie wieder in jenem Glanz, den sie hatten, als sie um das Jahr 1170 gelegt worden waren.

Ibrahim Abedrabbo, ein palästinensischer Bauingenieur, der uns von der palästinensischen Autonomiebehörde zugeteilt wurde, öffnet den Verschlag. Über steile metallene Treppen gelangen wir – es ist Mitte November – über zwei Stockwerke zu den Restauratoren, die dort mit Pinsel und Skalpell arbeiten. Von tief unten aus dem Hauptschiff der Kirche dringt entfernt das Gemurmel von Hunderten Pilgern empor. Manchmal vernimmt man auch ein ungeduldiges arabisches "yallah", mit dem Reiseleiter versuchen, ihre Gruppen dazu zu bewegen, keine Lücken in der langen Warteschlange entstehen zu lassen. 90 bis 120 Minuten, die man geduldig anstehen muss, um dann einen kurzen Augenblick in der Geburtsgrotte verweilen zu dürfen, zerren an den Nerven – an denen der Touristen, an denen der palästinensischen Polizisten, die sich in der Kirche um die Ordnung kümmern.

Goldener Glanz in der Geburtskirche
Azur mit Heiligenschein in Pink Bild: Sotill

Volle Kirche, guter Tag

Am wenigsten angespannt zeigen sich die griechischen Popen, die hier an heiliger Stätte ihren Dienst versehen. Für sie ist nämlich jeder Tag, an dem die Kirche übervoll ist, ein guter Tag. Denn immer wieder tauchen kleine Gruppen auf, denen sie gegen ein paar Dollar (auch Euro in Scheinen, nicht aber in Münzen werden akzeptiert) innerhalb weniger Minuten einen Zugang zum silbernen 14-zackigen Stern der Grotte ermöglichen, auf dem geschrieben steht: "Hic de Virgine Maria Jesus Christus natus est." "Hier wurde aus der Jungfrau Maria Jesus Christus geboren."

Oben auf dem Gerüst im zweiten Stock reinigt ein Arbeiter geduldig mit einem weichen Tuch Mosaikstein um Mosaikstein. Etwa 200 Quadratmeter haben er und seine Kollegen vor sich, 2000 haben die Kirche im Mittelalter geziert. Aber mehrfach haben Muslime den Ort geplündert, sodass 1480 der Dominikaner Felix Fabri behaupten kann: Die Kirche sei "profaniert, ohne eine einzige Lampe, wie eine Scheune ohne Getreide."

Dieser Befund war es dann auch, der die Christen veranlasste, den ursprünglich großzügig gestalteten Eingangsbereich bis auf eine kleine Tür mit 130 Zentimeter Höhe zuzumauern. "Tor der Demut" nennt man den niedrigen Eingang, bei dem sich jeder – ob einfacher Pilger oder Papst – beugen muss, wenn er an die Geburtsstelle Jesu kommen will. Eine schöne Symbolik, einst geboren aus der Not der Verfolgung.

Goldener Glanz in der Geburtskirche
Maria, inmitten der Apostel. Bild: Sotill

Aber all das ist unten zu ebener Erde. Hier oben entfährt mir angesichts der Farbintensität und auch der Lebendigkeit der Mosaike, die symbiotisch Elemente byzantinischer, römischer und nahöstlicher Traditionen vereinen, ein Ton der Überraschung. Dieses "wow" habe er noch von allen Journalisten gehört, denen die seltene Gelegenheit gegeben wurde, die Mosaike aus der Nähe zu betrachten, sagt Ibrahim Abedrabbo.

Vor allem die Lebendigkeit der Bilder ist es, die zu begeistern vermag. Da entledigt sich ein kleiner Bub seines Oberhemdes und breitet es vor dem Esel aus, auf dem Jesus in Jerusalem am Palmsonntag nach Jerusalem reitet. Und der kleingewachsene Zöllner Zachäus steigt in Jericho behände auf einen Baum, um den Wundertäter Jesus zu sehen. In den Bereich der lebendigen Theologie sind auch die Porträts der Vorfahren Jesu aus dem Matthäusevangelium einzuordnen, von denen vor allem zwei überraschen: Eliud trägt einen lindgrünen Heiligenschein, der von Azur ist pink, ein Dritter ist dunkelblau. Üblicherweise glänzen sie nur golden.

Strenger im Stil

Viel strenger im Stil präsentieren sich hingegen Szenen wie Maria inmitten der Apostel, oder ein Ausschnitt aus der Verklärung Jesu auf dem Berg Tabor oder auch die Abbildungen von sieben Synoden oder Konzilien aus dem ersten Jahrtausend. Die Synode von Sardica – heute Sofia – versuchte 342 ohne Erfolg eine Beilegung der Auseinandersetzungen um Arius, der lehrte: "Der einzige Sohn und das Wort Gottes wurden geschaffen." Um dieser als Fehllehre erkannten Theologie zu widersprechen, heißt es im großen Credo von Konstantinopel (381) ausdrücklich: "Gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater." Damit wollen die Mosaiken, die etwa 120 Jahre nach der gegenseitigen Exkommunikation von West- und Ostkirche in Konstantinopel entstanden sind, die Glaubenslehre über die Person Jesu Christi exakt definiert dokumentieren und zugleich den Graben überwinden, der 1054 mit dem Morgenländischen Schisma entstanden ist. Diese theologische Konzeption legt nahe: Die Auftraggeber der Mosaike, ein byzantinischer Herrscher und ein katholischer Bischof, sind offenbar versöhnlicher gewesen als es ihre jeweiligen Vorgesetzten waren: der Patriarch von Konstantinopel und der Bischof von Rom.

Seit September 2013 arbeitet Marcello Piacentis Firma an der Restaurierung der Fresken. Es ist ihr gelungen, einen siebenten Engel, zwischen den Fenstern des Langhauses unter einer Schicht aus Mauerwerk freizulegen. Damit ist nach alter jüdischer Tradition die Zahl der Fülle erreicht: Sieben Engel verweisen mit ausgestreckten Armen den Besucher auf die Geburtshöhle. In der Bibel ist freilich nicht von einer Höhle, sondern von einem Stall die Rede.

Goldener Glanz in der Geburtskirche
Touristischer Höhepunkt – ein Foto vor der Geburtsgrotte Bild: Sotill

Das ist aber nur scheinbar ein Widerspruch, denn häufig wurden Höhlen auch als Ställe benutzt. Vor solch eine Höhle wurde oft mit nur wenig Aufwand eine "gute Stube" vorgebaut. In dieser konnte Maria nach orientalischen Sitten nicht in Anwesenheit von Männern ihr Kind zur Welt bringen. Also zog sie sich in den hinteren Bereich des Stalls, die Höhle, zurück. Verehrt wird diese heute in die Geburtskirche integrierte Höhle offenbar schon sehr früh. Sonst hätte Kaiser Hadrian, dem es nach dem Zweiten jüdischen Aufstand im Jahr 135 n. Chr. daran gelegen war, alle judenchristlichen Traditionen zu unterdrücken – ausgerechnet dort einen Götterhain anzupflanzen und dem griechischen Gott Adonis ein Heiligtum zu errichten. Als im Jahr 325 Kaiserin Helena, Mutter des Kaisers Konstantin, nach Bethlehem kam, ließ sie über der Grotte eine fünfschiffige Basilika mit achteckigem Chor über der Geburtshöhle errichten. Diese dürfte 529 abgebrannt sein. Nur einige Quadratmeter der ursprünglichen Kirche werden unter den Falltüren des heutigen Baus noch gezeigt. Diesen hatte Kaiser Justinian 565 errichten lassen.

Die aufwändige Restaurierung der Mosaike bringt Neuerungen mit sich: künftig werden nicht mehr Öllampen, sondern rußfreie LED-Lampen vor der Ikonostase brennen. Das ist zwar hässlich, aber es schont die um 15 Millionen Euro freigelegten Bilder.

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