Der Linzer Kasperl
Das allerwichtigste Requisit des Kasperls war stets der Prügel, mit dem er auf alle eindrosch.
Nach Dreikönig beginnt der Fasching. Nach dem frommen König Kaspar kommt der freche Kasperl. Den Namen hat er von Kaspar, der in den mittelalterlichen Dreikönigsspielen wegen seiner angeblich schwarzen Hautfarbe gerne als belustigende Figur dargestellt wurde. Aber die Narren haben viele Namen und Verwandte, ob Harlekin, Pulcinella, Punch, Petruschka, Papageno, Hanswurst oder bei uns eben Kasperl und in Tschechien Kasparek. Anfangs waren das keine Figuren des Kindertheaters. Für sie war Fressen und Saufen wichtiger als moralische Erbauung. Alle haben sie gern übers Vögeln, Scheißen und Furzen geredet, und allen gemeinsam sind die drei G: Geld, Geschlecht und Gewalt. Denn das allerwichtigste Requisit des Kasperls war stets der Prügel, mit dem er gnadenlos auf alle Personen und Gewalten, die ihm begegneten, eindrosch, ob Krokodil oder Räuber, Polizist oder eigene Frau, selbst Teufel und Tod.
Die historische Marionettenfigur des Linzer Kasperls, die heute im Linzer Schlossmuseum verwahrt wird und besonders bei kleinen Museumsbesuchern Anklang findet, wirkt in ihrem Salzburger oder Steirer Bauerngewand mit grünem Hut, weißer Krause, breiten Hosenträgern und grüner Jacke, mit schwarzem Bart und großer Hakennase, wie ein liebes Spielzeug, war aber kein Kindervorbild, sondern verkörperte die Rolle eines unangepassten und aufmüpfigen Aufrührers, der wie in jedem Stegreiftheater für die Obrigkeit und die Zensur schwer zu kontrollieren war. 1803 wurde deshalb das Linzer Kasperltheater behördlich gesperrt und die Figur des Kasperls in Pension geschickt. Es war Adalbert Stifter, der um 1860 die etwa 75 Zentimeter große Marionette ins Museum rettete. Ob er das aus Sympathie für den Kasperl tat oder er ihn dort gut versperrt wissen wollte, sei dahingestellt.
Die Transformation des Kasperls vom groben zum liebenswerten Kerl erfolgte im 20. Jahrhundert. Die Wandlung vom Taugenichts zur didaktischen Paradefigur ließ vom alten Fresssack und Säufer, Hosenscheißer und Windmacher und Feigling und Prahlhans nur mehr wenig übrig. Die politischen Wechsellagen des 20. Jahrhunderts machte der Kasperl alle mit: Im Ersten Weltkrieg war er ein Kriegstreiber, hernach ein offener Antisemit und Rassist. Auch die Frauenfeindlichkeit blieb lange erhalten. Nach 1945 trat das heute klassische Kasperl-Ensemble mit Polizist, Räuber, Prinzessin, Hexe und Gretl in den Vordergrund. Vom aufrührerischen Grundton blieb wenig übrig. Aber auch als politisch korrekter Kinderunterhalter hat der Kasperl heute gegen Caillou, Peppa Wutz, die Dinotrux, Chipmunks, Ninjas, wie all die neumodischen Zeichentrick-Monster heißen mögen, keine Chance mehr. Doch den Kasperl kann keiner erschlagen. Im Großen wie im Kleinen bleibt die Welt doch ein Kasperltheater.
Roman Sandgruber ist emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Johannes Kepler Universität Linz.
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