Unsere Habseligkeiten
Die Frage wird gerne gestellt, welche drei Dinge man auf die Insel mitnehmen würde, wenn man vor diese ernsthafte Beschränkung gestellt wäre. Was ist wirklich wichtig und wie viel Krimskrams schleppen wir mit uns herum und horten wir in den Schränken und Kästen?
Was macht uns selig, also wirklich glücklich, und was häufen wir mehr oder weniger gedankenlos an, ohne dass es uns letztlich wirklich etwas bedeutet?
"Habseligkeiten" ist ein schönes und recht vieldeutiges Wort. Jedenfalls ist es vor Jahren einmal vom Deutschen Sprachrat und dem Goethe-Institut in einem internationalen Wettbewerb zum "schönsten deutschen Wort" gekürt worden. Oberflächlich gesehen verbindet das Wort "Habseligkeiten" zwei Bereiche unseres Lebens, die entgegengesetzter nicht sein könnten: das höchst profane und oberflächliche Haben, das sich im irdischen Besitz äußert, und das erträumte Ziel des menschlichen Glücksstrebens, die Seligkeit und Glückseligkeit, die gemeinhin im irdischen Leben als unerreichbar gilt. Diese Spannung ist es, die uns dazu bringt, den Habseligkeiten solch positive Gefühle entgegenzubringen, wie sie gemeinhin den Besitzern von Vermögen und Reichtümern versagt bleiben.
Das Wort wird ja meist in mehr ironischer als wertschätzender Weise für geringe, wertarme Besitztümer gebraucht, mehr für Kunst und Krempel als für Nutzen und Sinnhaftigkeit. Dass allerdings das Wort "Habseligkeiten" etwas mit "Seligkeit" zu tun habe, ist nur eine vordergründige Wortverwandtschaft, die dieses Wort mit anderen – etwa trübselig, armselig oder mühselig – teilt. Wortgeschichtlich sind die "Habseligkeiten" keine "Hab-seligkeiten", sondern "Habsel-igkeiten" und sind in jene Zahl von Wörtern einzureihen, die das Suffix -sel haben: wie Schnipsel, Überbleibsel, Einsprengsel, Geschreibsel oder auch Rätsel und Schnitzel. "Habsel" bezeichnet die Gesamtheit dessen, was einer hat. Nur schwer lässt sich das Wort im Singular vorstellen: Eine einzige Habseligkeit – so einfach ist die Seligkeit nicht zu erreichen.
Im Durchschnitt besitzt ein Europäer 8000 bis 10.000 Sachen – ganz schön viel. Vom Tischbesteck über die Kleidung bis zu den Urlaubs-Andenken und den vielen mehr oder weniger nützlichen Gegenständen, die sich so nach und nach ansammeln. Noch vor hundert Jahren waren das nicht einmal hundert. Doch glücklicher macht uns die heutige Fülle nicht. Im Gegenteil: Besitz kann sogar recht unglücklich machen. "Souverän ist nicht, wer viel hat, sondern wer wenig braucht", stellte der Ökonom Miko Paech zu Recht fest. Nur 100 Dinge besitzen, mit nur 119 Dingen leben? Das klingt schön, ist aber wenig realistisch. Die Dinge häufen sich zu immer größeren Bergen auf. Dem modernen Berufsbild des "Aufräum-Coachs" steht mit Sicherheit noch eine große Zukunft bevor.
Roman Sandgruber ist emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Johannes Kepler Universität Linz.
Mehrere Feiern gedenken der Befreiung der KZ Mauthausen und Gusen
Manfred Modrey: Ein halbes Jahrhundert an der Hantel
Frostfeuer in Weingärten: Verkehrsunfälle wegen Rauchschwaden in Niederösterreich
Schwer verletzt: 19-Jähriger stürzte in Utzenaich durch Dach
Interessieren Sie sich für dieses Thema?
Mit einem Klick auf das “Merken”-Symbol fügen Sie ein Thema zu Ihrer Merkliste hinzu. Klicken Sie auf den Begriff, um alle Artikel zu einem Thema zu sehen.