Der evangelische Glaube überlebte 150 Jahre im Untergrund
Das Salzkammergut ist so etwas wie ein Staat im Staate. Bereits die geographische Abgeschlossenheit, in der bis nach der Mitte des 19. Jahrhunderts keine Straßenverbindung nach außen existierte, förderte die Isolation.
Das Salzkammergut ist so etwas wie ein Staat im Staate. Bereits die geographische Abgeschlossenheit, in der bis nach der Mitte des 19. Jahrhunderts keine Straßenverbindung nach außen existierte, förderte die Isolation. Gleichzeitig stärkten die große fiskalische Bedeutung der Salzwirtschaft und die Unmittelbarkeit zum Landesherren das Selbstbewusstsein der Bewohner. Bis in die Mitte des 19. Jahrhundert war ein Pass von Nöten, um ins Salzkammergut hineinzukommen, und auch, um unbehindert nach Österreich herauskommen zu können, sofern die Salzkammergütler das überhaupt wollten.
Der erste bekannte Bauernaufstand Oberösterreichs fand 1392 im Ischlland statt. Ein Teil der Aufständischen wurde in den Kerker geworfen, geblendet und aufgehängt („geplent und erhangen“). 1584 gab es einen Streik der Salzarbeiter in Hallstatt und Gosau, 1746 eine Revolte der Holzarbeiter in Ebensee und Ischl. Auch im Gefolge der Französischen Revolution kam es zu Unruhen im Salzkammergut. Der Hallstätter Bergzimmerknecht Josef Pfandl, einer der Sprecher, drohte der kaiserlichen Kommission mit französischen Zuständen und wurde verhaftet. Und die Saat der Revolution blieb erhalten, offen und im Geheimen.
Das Salzamt, das den Bewegungsraum bis ins Privatleben diktierte, duldete bekanntermaßen keine Beschwerden. Das förderte das Bemühen, sich versteckte Freiräume zu schaffen. In den Schützenvereinen, bei den Vogelfängern, in der Kultur der Wilderer, in der Volksmusik und im Brauchtum, bis hin zu der spielerisch geduldeten Anarchie im Ebenseer Fetzenfasching. Heute revoltiert man gegen die Landesbürokratie oder das Bundesdenkmalamt. Es ist dieser Widerstandsgeist, der zu der großen Vielfalt auf kleinstem Raum geführt hat. Die Beharrungskräfte sind groß.
Auch in der Wirtschaft: Das Salzkammergut ist die einzige Region Österreichs, wo der „Konsum“ noch existiert. Die schlauen Salzkammergütler haben sich rechtzeitig selbständig gemacht und konnten sich aus dem Konkurs heraushalten. In der Politik: Der Charakter der Menschen hat es möglich gemacht, dass sich hier als eine der wenigen Regionen in Österreich zumindest der Ansatz eines aktiven Widerstands gegen den Nationalsozialismus etablieren konnte. Nicht zuletzt in der Religion: Im inneren Salzkammergut gelang es nie, den „Protestantismus“ zu überwinden. Trotz Zwangsaussiedlungen, Familientrennungen, Verhören und Überwachungen konnte der evangelische Glaube rund 150 Jahre im Untergrund überleben.